LEITARTIKEL

Hitze im Backoffice

Seit Jahren kämpfen Banken darum, ihre Informatik zu modernisieren - ein Thema, das seit über einem Jahrzehnt eine Rolle spielt. Erst seit der Finanzkrise scheint es aber an unter dem allgemeinen Kosten- und Spardruck an Zugkraft gewonnen zu haben....

Hitze im Backoffice

Seit Jahren kämpfen Banken darum, ihre Informatik zu modernisieren – ein Thema, das seit über einem Jahrzehnt eine Rolle spielt. Erst seit der Finanzkrise scheint es aber an unter dem allgemeinen Kosten- und Spardruck an Zugkraft gewonnen zu haben. Frappierend ist, über welche Beharrungskräfte große, komplexe Systeme verfügen, auch wenn sie nicht mehr zeitgemäß sind. Frappierend auch, wie regulatorische Neuerungen Modernisierungsvorhaben verlängern und erschweren. Es blüht nach einer Kultur der Sorglosigkeit nun eine der Risikoaversion, in dem Sinne, dass zwar alles getan wird, um Vorgaben zu erfüllen, darüber hinaus aber Entscheide oder Investitionen hinausgezögert werden, die dazu dienen, Dienstleistungen wirklich zu verbessern.Durch die Ausbreitung von Breitbandinternet und Smartphone wird die “Industrialisierung” von Backoffice-Diensten, also die Standardisierung, Automatisierung und Auslagerung von Zahlungs- oder Abwicklungsdiensten und Administration, erst wirklich umsetzbar und zum Kostenfaktor. Dies zeigt sich symptomatisch im Schweizer Bankensektor, wo träge Strukturen in Bewegung geraten und die Stakeholder – also Banken – des Infrastrukturbetreibers Six Group nun bereit zu sein scheinen, Backoffice-Aufgaben auf einer gemeinsam betriebenen Plattform auszulagern und kostengünstiger, da standardisiert abwickeln zu lassen – freilich nicht ohne sich individuelle Anpassungen offenzuhalten. Eine technologische Quadratur des Kreises also.Dies geschieht nicht freiwillig und ist im Grund ein alter Hut. Das beste Beispiel für eine Kooperation zur Kostensenkung haben die Genossenschaftsbanken hierzulande vorgemacht – 1963 wurde das erste gemeinsame Rechenzentrum in Norddeutschland gegründet. Heute sind die Banken Getriebene. Und fehlt das Technologieverständnis, wird es schwierig. Dies zumindest war ein Fazit, das sich auf der Branchenmesse Sibos in Genf im September ziehen ließ. Die Hitze steigt im Backoffice, so ein Konsens. Plötzlich wird öffentlich diskutiert, wie sich Transaktionen einfacher oder günstiger abwickeln lassen, wie sich Prozesse automatisieren lassen, welche Rolle graue administrative Aufgaben in der Wettbewerbsfähigkeit spielen. Auch bedächtigere, weniger transaktionsstarke Geschäftsfelder wie die Vermögensverwaltung, einst Bastionen hoher Margen und geschmackvoller Interieurs, werden sich dieser Diskussion stellen müssen.Eine Trennung zwischen Gewinnern und Verlierern sei schon im Gang, war zu hören. Das ist wohl etwas voreilig. Noch ist nicht klar, wer in zehn Jahren oben stehen wird – dafür ist zu viel “Hype” in der Diskussion. Sicher ist, dass es auch eine Kulturfrage ist. Die Maßstäbe einer mobilen, vernetzen, vom Einzelnen nicht mehr überblickbaren Welt bei gleichzeitig hochgradigem Kontrollbedürfnis lässt alte Strukturen aufbrechen. Dabei finden sich die Banken in der Situation, dass sie neue Möglichkeiten sehen, günstigere, komfortablere, aber wohl auch unpersönlichere Dienstleistungen anzubieten. Wie groß dieser Markt ist, weiß aber noch keiner so genau. Backoffice-Dienste werden aber heute reihum als potenzielle Sparmöglichkeit identifiziert. Dabei muss eine Bank erst einmal – und dies erklärt die zögerliche Haltung vieler Häuser – viel Geld in die Hand nehmen, bevor sich die Investitionen über die Jahre auszuzahlen beginnen.Angebote wie eine Banken-Software aus der Datenwolke (Cloud), die mit wenig Kapitaleinsatz eingeführt werden kann, wirken als Katalysator. Der Aufbau eines Betriebssystems für eine neue kleine Bank sei heute schon für rund 1 bis gut 2 Mill. Euro möglich, ist zu hören. Pikanterweise ist an einem solchen Cloud-Wunderkind auch eine Adresse beteiligt, die mit vierstelligem Personalabbau vor allem im Backoffice Schlagzeilen macht. Alles, was der Vereinfachung und Automatisierung dient – auch über nationale Grenzen hinweg, wenn es die Gesetze ermöglichen – wird zum Verlust vieler traditioneller, wenig spezialisierter Arbeitsplätze führen. Davor kann die Branche die Augen nicht länger verschließen.Was die Blockchain-Technologie anbelangt, ist viel Lobbyarbeit pro und contra zu erwarten – und ein Kampf um bankinterne Aufmerksamkeit und Ressourcen. Vorerst sieht es so aus, als ob die Blockchain vor allem dem Aufleben alter – bilateraler – Transaktionsmodelle auf neuer Datenbankbasis dient. Ob und inwieweit sie im Backoffice eine Rolle spielen wird, und heute gestartete Anpassungen womöglich bald wieder obsolet macht, ist noch völlig offen. Der Infrastrukturbereich des Finanzsektors mit seinen vielen sensiblen Schnittstellen wird aber mit oder ohne Blockchain noch lange nicht zur Ruhe kommen.——–Von Dietegen MüllerAlles, was der Vereinfachung und Automatisierung dient, wird zum Verlust vieler traditioneller, wenig spezialisierter Arbeitsplätze führen.——-