Interview mit Sjors Haverkamp

"Hochzinsanleihen sehen im Vergleich mit anderen Anlageklassen sehr gut aus"

Solide Unternehmensdaten, steigende Nachfrage und Spreadniveau sprechen für weitere Kursgewinne

"Hochzinsanleihen sehen im Vergleich mit anderen Anlageklassen sehr gut aus"

Hochverzinsliche Unternehmensanleihen haben sich in den vergangenen Jahrzehnten neben Staatsanleihen und Investment-Grade-Unternehmensanleihen als eigene Assetklasse etabliert. Sie tragen zur Diversifikation in reinen Anleihe- oder Multi-Asset-Portfolien bei. Gerade im jetzigen Umfeld mit drohender Zinswende können sie ein wichtiger Baustein sein. Hinzu kommt eine niedrige Zinssensitivität durch die relativ kurze Duration, die typisch für High-Yield-Bonds ist. Für europäische Hochzinsanleihen liegt die durchschnittliche Duration im Moment bei rund 3,63 Jahren. Sjors Haverkamp verantwortet die europäischen High-Yield-Strategien bei ING IM seit 2008 und verwaltet derzeit 1,4 Mrd. Euro. High-Yield-Papiere rentieren nahe den Rekord-Tiefs. Gleichzeitig sehen wir aber Rekordzuflüsse. Wie passt das zusammen?Die Attraktivität von High-Yield-Anleihen resultiert aus vier Komponenten: erstens der makroökonomische Ausblick, zweitens die Bewertung der Bonds, drittens der technische Aspekt und viertens das fundamentale Umfeld an den Kreditmärkten. Der makroökonomische Ausblick für Europa hat sich seit längerer Zeit kaum verändert. Das Umfeld ist noch immer schwierig und wir sehen kaum Wachstum, allerdings ist die Situation auch nicht schlechter geworden. Gleichzeitig sehen die Fundamentaldaten für die europäischen Kreditmärkte sehr positiv aus. Die meisten europäischen High-Yield-Papiere sind mit “BB” bewertet, das ist ein sehr gutes Rating. Historisch ist der Anteil der “BB”-gerateten Papiere deutlich niedriger. Hinzu kommt, dass wir in den kommenden Jahren kaum Zahlungsausfälle erwarten. Defaults dürfte es auch nicht geben – schließlich sind sie derzeit nicht eingepreist, oder?Richtig! Ein weiteres Argument ist der Vergleich mit anderen Anlageklassen wie beispielsweise Geldmarktpapiere, Staatsanleihen oder Emerging Markets. Im Vergleich zu anderen Anlageklassen sehen High-Yield-Papiere mit einer durchschnittlichen Rendite von 5,6% bis zum Rückzahlungszeitpunkt sehr gut aus. Ich höre immer wieder, dass sich Versicherer um ihr Geschäftsmodell sorgen. Um die Geschäfte dieser Branche aufrechtzuerhalten, sind Renditen von 3,5 bis 4% nötig. Das erklärt aus meiner Sicht auch die Mittelzuflüsse in High-Yield-Produkte. Man liest derzeit viel über den zum Teil hohen Unterschied zwischen den Rendite-Kennzahlen “Yield to Maturity” und “Yield to Call/Worst”. Durch die reine Betrachtung der (gängigen) Fälligkeitsrendite wird doch das Ertragspotenzial möglicherweise deutlich überschätzt.Das stimmt, ich sehe darin aber kein Risiko. Wir investieren in viele Papiere, die innerhalb eines Jahres gekündigt werden können. Diese Anleihen werfen eine höhere Rendite ab, selbst wenn man davon ausgehen kann, dass die Emittenten die Papiere bald preiswerter refinanzieren werden. Man muss aber berücksichtigen, dass viele dieser Anleihen sehr hohe Renditen einbringen, da sie in einer anderen Zeit emittiert wurden. Aus diesem Grund überwiegen für mich die Chancen. Welche Rolle spielt die Benchmark bei Ihren Überlegungen?Wir sind uns der Sektorallokation der Benchmark bewusst, haben sie aber nicht ständig im Hinterkopf. Wenn wir gute Unternehmen finden, investieren wir in diese. Wir orientieren uns nicht an der Benchmark, wenn es nicht sinnvoll ist. Bei welchem Schritt im Analyseprozess halten Sie sich am längsten auf?Eindeutig bei der Bewertung des Emittenten, also des Unternehmens, das eine Anleihe begibt. Die Analyse der Emission, also der konkreten Bedingungen einer Anleihe, ist in der Regel recht leicht. Das durchschnittliche Rating in Ihrem Portfolio ist derzeit “B”. Könnte dieser Wert nicht besser sein?Wir konzentrieren uns auf Firmen, die nicht so stark in der Öffentlichkeit stehen. Viele Unternehmen mit “BB”-Rating ziehen eine Menge Aufmerksamkeit auf sich. Das ist bei weniger beachteten Unternehmen mit “B”-Bonitätsnote anders. Ein weiteres Argument für unsere Strategie ist, dass wir keine Bonds kaufen wollen, die stark auf Zinsentscheidungen reagieren. Titel mit einer Rendite um die 3% würden auf Zinsentscheidungen negativ reagieren. Investieren Sie stärker in Neuemissionen oder kaufen lieber am Sekundärmarkt?Das kommt darauf an. Mit Neuemissionen sind wir wählerisch. Man kann über den Daumen gepeilt sagen, dass wir uns an 20 bis 30% der Neuemissionen beteiligen. Wo sehen Sie derzeit die größten Risiken und Chancen bei Hochzinsanleihen?Risiken ganz klar in der Qualität neuer Emittenten. Der Anteil an Fremdkapital steigt. Es geht nicht so weit, dass wirsagen würden, diese Unternehmen sind überschuldet, aber man muss schon ganz genau hinschauen, um gute Chancen zu finden. Aber auch wenn das Kurspotenzial aufgrund des bereits sehr tiefen Renditeniveaus nicht mehr so stark ist wie in der Vergangenheit, sind wir für den europäischen Hochzinsmarkt weiterhin sehr zuversichtlich. Solide Unternehmensdaten, eine steigende Nachfrage und ein attraktives Spreadniveau sprechen für weitere Kursgewinne.——Sjors Haverkamp, Head of Europe High Yield & Senior Portfolio Manager Global/Europe High Yield, ING IM International, Den Haag——Das Interview führte Susanne Hellmann, Geschäftsführerin von ING Investment Management Germany, Frankfurt/Main.