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Höherer Banken-Risikopuffer drosselt Finanzierungen

Börsen-Zeitung, 24.2.2016 Der Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht berät derzeit über eine Reform der Eigenkapitalunterlegung von Krediten. Besonders verschärft werden sollen die Vorschriften für Gewerbeimmobilienkredite - mit erheblichen möglichen...

Höherer Banken-Risikopuffer drosselt Finanzierungen

Der Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht berät derzeit über eine Reform der Eigenkapitalunterlegung von Krediten. Besonders verschärft werden sollen die Vorschriften für Gewerbeimmobilienkredite – mit erheblichen möglichen Folgen: Finanzierungsaktivitäten der Banken im Immobilienbereich gehen zurück, und Kredite werden teurer. Das hätte negative Auswirkungen auf die Immobilienbranche und auf die gesamte deutsche Volkswirtschaft.Die europäische Bankenlandschaft wurde seit der Finanzkrise 2008 umfassend reguliert. Obwohl Basel III erst 2013 beschlossen wurde und sich noch in der Umsetzung befindet, berät der Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht aktuell über eine Reform des Kreditrisiko-Standardansatzes. Dieser tangiert ein Herzstück der Bankenregulierung, denn er beeinflusst direkt die Höhe des Eigenkapitals, mit dem die Banken jeden ausgereichten Kredit unterlegen müssen. Im Dezember hat der Ausschuss ein umfassendes, neues Konsultationspapier zum Kreditrisiko-Standardansatz vorgelegt. Neue RisikogewichtungFür die Immobilienbranche folgenreich sind vor allem die neuen Vorschläge zu den Risikogewichten. Immobilienfinanzierer sollen ihre ausgereichten Darlehen auf Grundlage höherer Risikogewichte künftig mit deutlich mehr Eigenkapital unterlegen. Das gilt besonders für Gewerbeimmobilienkredite.Wie genau sehen die Überlegungen des Baseler Ausschusses aus? Bislang galt bei Gewerbeimmobilien eine einheitliche Risikogewichtung von 50 %. Künftig soll diese deutlich spezifischer erfolgen und sich mehr am Loan-to-Value (LTV) – also der Relation von Kredit und Verkehrswert – orientieren. Einteilung in zwei GruppenDie Vorschläge aus Basel sehen Folgendes vor: Gewerbeimmobilienkredite werden in zwei Gruppen geteilt. In die erste Kategorie fallen die Kredite, bei denen die Rückzahlung nicht materiell von den Cash-flows aus der Immobilie abhängt. Ist der LTV dieser Darlehen geringer als 60 %, gilt ein Risikogewicht von 60 %. Ist der LTV höher, wird das Risikogewicht der Gegenpartei – also des Kreditnehmers – herangezogen.Als noch riskanter stuft der Baseler Ausschuss Gewerbeimmobilienfinanzierungen ein, bei denen die Rückzahlung materiell von den Cash-flows aus der Immobilie abhängt – also wenn im Wesentlichen kontinuierliche Mieteinnahmen aus der Immobilie für den Kapitaldienst notwendig sind. Für diese Kategorie schlägt der Ausschuss Folgendes vor: Bei einem LTV von weniger als 60 % soll das Risikogewicht 80 % betragen. Liegt der LTV zwischen 60 und 80 %, steigt das Risikogewicht auf 100 %, bei einem LTV von mehr als 80 % soll das Risiko mit 130 % gewichtet werden.Die Zahlen zeigen: Unter dem Strich würde die Risikogewichtung und der sich daraus zu errechnende Eigenkapitalbedarf für alle Gewerbeimmobilienkredite ganz erheblich ansteigen. Würden die Vorgaben so umgesetzt, müssten die Banken für ihre Gewerbeimmobilienkredite deutlich mehr knappes Eigenkapital aufwenden. Sie wären daher einerseits gezwungen, ihre Immobilienfinanzierungsaktivitäten zu drosseln. Andererseits müssten sie ihr Pricing anpassen, um das zusätzlich notwendige Eigenkapital angemessen zu verzinsen. Kredit-Verteuerung drohtDie Banken müssten – nach eigenen überschlägigen Berechnungen – ihre Marge um fast 100 Basispunkte erhöhen, wollen sie die bisherige Eigenkapitalverzinsung erhalten. Für die Kunden würden die Kreditkosten damit erheblich, um etwa ein Drittel, ansteigen. Eine Umsetzung der Baseler Vorschläge würde also im Gewerbeimmobilienbereich zu einer Verteuerung und Verknappung von Immobilienfinanzierungen führen. Dies wiederum zöge eine sinkende Nachfrage, weniger Transaktionen und fallende Immobilienpreise nach sich.Insgesamt hätten die Maßnahmen in der aktuell günstigen Marktsituation einen dämpfenden Effekt auf den Immobilienmarkt. In einer eher rezessiven Phase oder im Zuge einer Zinswende dürften die Auswirkungen noch stärker sein. Auf jeden Fall würde sich die Versorgung der Immobilienwirtschaft mit Krediten und die Versorgung der Realwirtschaft mit Immobilien verschlechtern.Es steht außer Frage, dass Banken ihr eingegangenes Risiko mit einem adäquaten Eigenkapitalpuffer unterlegen müssen. Auch der vorgeschlagene, nach LTV differenzierende Ansatz ist grundsätzlich zu begrüßen. Allerdings ist die Ausrichtung zu einseitig. Der Eigenkapitalbedarf wird für alle Risikoklassen zu sehr nach oben verschoben. Basel III noch in UmsetzungEin differenzierter Ansatz sollte beispielsweise auch eine Erleichterung für risikoarme Kredite beinhalten. Denn die Immobilienfinanzierung in Deutschland hat in der Vergangenheit im Großen und Ganzen gut funktioniert. Die deutschen Banken sind hier – auch in den Jahren vor 2008 – keine zu hohen Risiken bei der Gewerbeimmobilienfinanzierung eingegangen. Auch in der aktuellen Boom-Phase agieren sie in der Regel relativ konservativ. Gegen eine weitere Neuregelung der Eigenkapitalauflagen spricht zudem, dass sich viele Vorgaben von Basel III derzeit noch im Umsetzungsprozess befinden – beispielsweise die Erhöhung der Eigenkapitalquote für risikogewichtete Forderungen von derzeit 8 % auf 10,5 %. Diese erfolgt sukzessive seit 2013 und muss erst Anfang 2019 abgeschlossen sein.Durch die derzeit geltenden Regelungen hat sich der Risikopuffer der Banken im Krisenfall bereits deutlich erhöht: Im Vergleich zur letzten Finanzkrise müssen die Institute heute zwischen ein und zwei Drittel mehr Eigenkapital vorhalten.Mit Blick auf die moderaten Ausfallquoten bei Gewerbeimmobilienkrediten in Deutschland und die erheblichen Folgen für die Kreditversorgung ist eine weitere Verschärfung derzeit nicht erforderlich. Zumindest sollte die vollständige Umsetzung der bereits laufenden Regulierungsmaßnahmen zunächst abgewartet werden.—-Peter Axmann, Leiter Immobilienkunden HSH Nordbank