Hongkongs Bürger in Wohnungsnot

Immobilienpreise verfünffacht - Kommunistische Partei fordert Enteignungen

Hongkongs Bürger in Wohnungsnot

In Hongkong leiden die Einwohner unter stark steigenden, inzwischen fast unerschwinglichen Wohnungspreisen. Die Kommunistische Partei Chinas drängt Hongkongs Regierung, Immobilientycoons mittels Enteignungen Land abzunehmen. Doch befindet sich die Regierung in einem Interessenkonflikt. Von Ernst Herb, HongkongDie mittlerweile 17 Wochen andauernden Massenproteste und der sich in die Länge ziehende chinesisch-amerikanische Handelsstreit werfen zunehmend dunklere Schatten auf die Wirtschaft Hongkongs. Die um sich greifende Verunsicherung der Investoren hat dabei besonders starke Spuren bei Aktien von Immobilienkonzernen hinterlassen. So büßten etwa die Titel von Sun Hung Kai, dem gemessen an der Marktkapitalisierung von 331 Mrd. HK-Dollar (42 Mrd. Dollar) größten Immobilienentwickler der Stadt, über 17 % ein. Trübe ZukunftDie Zukunft dieses Sektors sieht nicht nur wegen der flauer gewordenen Nachfrage nach Wohn- und Gewerberaum trüb aus, sondern vor allem weil die Immobilienkonzerne und ihre Preispolitik zunehmend ins Zentrum der anhaltenden Proteste gerückt sind. Denn die Unruhen sind vergangenen Juni zwar durch eine umstrittene und mittlerweile zurückgezogene Gesetzesvorlage ausgelöst worden. Doch haben darüber hinaus die für eine Mehrzahl der acht Millionen Einwohner Hongkongs unerschwinglich gewordenen Wohnimmobilien zu einer Verschlechterung des sozialen und politischen Klimas beigetragen. Die angespannte Lage insbesondere auf dem Wohnungsmarkt zeigt sich daran, dass ein Durchschnitts-Hongkonger gerade einmal auf rund 15 m2 Wohnraum lebt, bei den ärmsten Familien sind es 4 m2.Die Immobilienpreise haben sich gemäß dem Centa-City-Index seit 2003 verfünffacht. Entsprechend steil angestiegen sind die Vermögen der großen Bauherren, was sich wiederum daran zeigt, dass gemäß der Forbes-Liste 18 der 50 reichsten Hongkonger Immobilientycoons sind. Doch könnten für sie die goldenen Jahre jetzt vorbei sein. Denn die chinesische Regierung hat die Wohnungskrise als eine der Hauptursachen für die Krise ausgemacht. Die von der Kommunistischen Partei herausgegebene Tageszeitung “Chinesische Volkszeitung” hat die Hongkonger Regierung aufgefordert, von Unternehmen gehortetes Bauland zu enteignen und darauf Sozialwohnungen zu errichten.Dabei könnte sich der Staat sogar auf ein noch auf die britische Kolonialherrschaft zurückreichendes Enteignungsgesetz stützen, das als Resultat einer lange zurückliegenden Wohnungskrise erlassen worden ist. Erste Tycoons scheinen den Ernst der Lage verstanden zu haben – allen voran Adrian Cheng, der Geschäftsführer von New World. Der von seinem Großvater gegründete und an der Börse Hongkong notierte Immobilienkonzern kündigte Ende September an, dass er Land von der Größe von 40 Fußballfeldern einer gemeinnützigen Stiftung für den Bau von preisgünstigen Wohnungen überlassen werde.Allgemein wird erwartet, dass andere Branchengrößen wie CK Asset Holding, Wharf oder auch Henderson Land in der einen oder anderen Form dem Beispiel Chengs folgen werden. Solche großzügigen Geschenke werden allerdings nicht von allen Seiten gutgeheißen. So kritisierte der Aktionärsaktivist David Webb, dass es nicht an Unternehmen und ihren Aktionären sei, die Rechnung der von der Regierung verursachten Fehlentwicklung zu begleichen. Webb meint damit unter anderem, dass die Regierung in Bezug auf den Immobilienmarkt in einem Interessenkonflikt steht.Im vergangenen Finanzjahr kamen 27 % aller Staatseinnahmen aus dem Verkauf von Land. In Hongkong gehört mit wenigen Ausnahmen alles Land der öffentlichen Hand, die dieses wiederum im Baurecht abgibt. Das knapp gehaltene Bauland und die damit verbundenen hohen Immobilienpreise bescheren dem Staat hohe Steuereinnahmen. Wie wenig experimentierfreudig die Regierung bei der Suche nach einer Lösung der Wohnungskrise ist zeigt sich daran, dass Ende September eine Auktion von 80 000 m2 Bauland gescheitert ist, weil der von der Regierung verlangte Mindestpreis von 11,5 Mrd. HK-Dollar (1,4 Mrd. Dollar) nicht erreicht worden ist.