GastbeitragOddo BHF

Horizontale Integration als Zukunftsmodell für europäisches Brokerage

Das Research im europäischen Aktienmarkt ist geprägt durch Herausforderungen der Mifid II, sinkende Ertragspools und innovative Lösungen durch Partnerschaften, schreibt Christophe Tadié von Oddo BHF.

Horizontale Integration als Zukunftsmodell für europäisches Brokerage

Gastbeitrag

Horizontale Integration als Zukunftsmodell für europäisches Brokerage

Christophe Tadié ist Mitglied des Vorstands von ODDO BHF und Leiter des Investment Bankings der Gruppe

Wer vom europäischen Aktienmarkt spricht, sollte sich im Klaren sein, dass weniger als die Hälfte der Umsätze und der Erträge aus Kontinentaleuropa stammen. Je rund ein Viertel des globalen Ertragspools von rund 3,5 Mrd. Dollar stammten 2023 aus dem Geschäft mit Investoren aus Nordamerika oder Großbritannien. Hier sitzen die global führenden Investoren und Asset-Pools, vorrangig große Kapitalsammelstellen wie Pensionsfonds. Das war nicht immer so.

Game-Changer Unbundling

Seit der Einführung von Mifid II 2018 dürfen die Kosten für externe Researchleistungen in der Europäischen Union nicht mehr wie bisher branchenüblich in die Transaktionskosten eingerechnet werden, sondern sie sind gesondert auszuweisen. Dieses Unbundling hat die Regeln des einst so ertragsstarken Geschäftsmodells für Aktienbrokerage, in dem Banken meist Aktienhandel, Aktienresearch und Corporate-Access-Dienstleistung vereinen, neu geschrieben.

Im Gegensatz zu den USA, wo es traditionell eine hohe Bereitschaft gibt, für Aktienresearch Geld zu zahlen, ist diese in Kontinentaleuropa nur in begrenztem Maße vorhanden. In der Folge überlegten sich große Investoren, insbesondere Assetmanager fortan, von welchem Haus zu welchen Aktien sie zu welchem Preis Aktienresearch einkaufen wollten.

Es ist nicht weiter verwunderlich, dass die Liste der mandatierten Häuser seither immer kürzer wird. Daran konnte auch der Brexit nichts ändern, durch den britische Häuser aus der Mifid-II-Regulierung fielen. Kaum ein Assetmanager dort möchte heute noch mit seinen Kunden die Diskussion führen, warum neue Brokerhäuser hinzukommen. Die Kosten- und Konzentrationslogik sorgt dafür, dass der Ertragspool weiter sinkt. Damit einher geht ein fortschreitender Margendruck und härterer Wettbewerb, der letztlich zu einem marktweiten Abbau der Researchkapazitäten geführt hat.

Gerade die Granularität der kontinentaleuropäischen Aktienmärkte eröffnet lokalen und paneuropäischen Anbietern Wettbewerbsvorteile gegenüber internationalen Bulge-Bracket-Investmentbanken. Natürlich müssen dabei Skaleneffekte erzielt werden.

Ein möglicher Weg jenseits der häufig zitierten grenzüberschreitenden Bankenfusionen lässt sich über die horizontale Integration des Brokerage erzielen: Über Partnerschaften mit anderen europäischen Banken lässt sich eine paneuropäische Plattform für institutionelles Aktienresearch sowie den Vertrieb und Handel von Aktienprodukten an institutionelle Anleger schaffen.

Diesen Weg ist unser Haus mit ABN Amro, BBVA, Commerzbank, Natixis und der Raiffeisen Bank International gegangen, die jeweils das Equity-Sales- und Institutional-Equity-Research-Team an die Plattform ausgelagert haben.

Dadurch kann der lokale Partner seine Position im internationalen Equity Research für die lokalen Emittenten beibehalten bzw. durch die Expertise eines Netzwerks von inzwischen über 80 Analystinnen und Analysten in Europa ausbauen. Gleichzeitig wird das Universum um die jeweilige Expertise des lokalen Aktienmarkts, insbesondere bei Small & Mid Caps ergänzt.

Die Partnerinstitute können in dieser Form in effizienter Weise auf einer gemeinsamen IT-Plattform von den Netzwerkeffekten profitieren: Die Plattform macht Wechselwirkungen zwischen Unternehmen und Sektoren transparent und trägt damit zur Qualität des Outputs bei. Die Partnerbanken bleiben bei ihren Kunden – auch im Vergleich zu den internationalen Wettbewerbern – relevant. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist, dass Emittenten nicht nur den Zugang zu europäischen, sondern auch zu US-amerikanischen und britischen Investoren erhalten.

Ergänzung statt Wettbewerb

Der Schlüssel zum Erfolg liegt zum einen in der Qualität der vorgehaltenen Expertise. Zum anderen trägt ein struktureller Faktor maßgeblich zum Erfolg bei: Diese paneuropäische Brokerplattform ist auf ihren Geschäftszweck beschränkt und zielt nicht darauf ab, den Partnern in ihrem lokalen Kerngeschäft zum Beispiel in der Kreditsyndizierung etc. Konkurrenz zu machen.

Das Modell zielt also ausschließlich darauf ab, Stärken zu stärken, und hat sich bislang als sehr erfolgreich erwiesen. Der eigenen Logik folgend steigt die Qualität des Researchs für Emittenten in den Ländern, wo sich ein Partner der Plattform angeschlossen hat, signifikant. Entlang der oben beschriebenen Industrielogik und der fortschreitenden Economies of Scale und Economies of Scope existieren inzwischen erhebliche Eintrittsbarrieren für den europäischen Brokerage-Markt.

Kapitalmarktunion wird gebraucht

Die räumliche und kulturelle Nähe zu den Unternehmen ist aus Kundensicht ein wichtiges Argument für das paneuropäische Plattformmodell. So erhalten auch kleinere und mittlere Unternehmen aus Europa Sichtbarkeit und Wahrnehmung bei den angelsächsischen Kapitalsammelstellen.

Das sollte aber nicht die einzige Frage sein, die uns in Europa umtreibt. Vielmehr muss die EU dem Projekt Kapitalmarktunion – und damit verbunden der Förderung von großen Asset-Pools für die kapitalgedeckte Altersvorsorge – eine deutlich höhere Priorität einräumen, um nicht im globalen Wettbewerb der Kapitalmärkte den Anschluss zu verlieren.

Bereits heute sitzen die größten Investoren in den USA und in Großbritannien. Ohne eine signifikante Stärkung des europäischen Kapitalmarkts werden weitere Unternehmen dem Reiz des größeren Asset-Pools gänzlich nachgeben und auch beim Listing dem Kapital folgen.

Christophe Tadié

Mitglied des Vorstands von ODDO BHF und Leiter des Investment Banking

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