Hybridbonds geraten in Turbulenzen

Scheitern einer Emission des Banco Popular Español friert Markt ein - Aareal in Lauerstellung - Scope: Anleger unterschätzen Risiken

Hybridbonds geraten in Turbulenzen

Von Bernd Neubacher, Frankfurt”Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben”, lautet eine Ex-Sowjet-Präsident Michail Gorbatschow zugeschriebene Lebensweisheit. Ob jemand nun zeitig oder zu spät die Initiative ergreift, ist am Primärmarkt oft eine Frage nur weniger Tage. Im Juli hat dies Hermann Merkens, Finanzvorstand der Aareal Bank, erfahren müssen bei seinem Vorhaben, zusätzliches Kernkapital auf den Markt zu bringen. Mit dessen Erlös wollte der Wiesbadener Immobilienfinanzierer die verbliebene Staatshilfe über rund 300 Mill. Euro in Form stiller Einlagen tilgen. Erhöhte VolatilitätBis April hatte Merkens darauf gewartet, dass das Bundesfinanzministerium Vergütungen auf Contingent Convertible Securities (Coco) als Betriebsausgabe und somit steuerabzugsfähig einstuft. Im Mai dann brachte zunächst die Deutsche Bank eine auf drei Tranchen und Währungen verteilte, 3,5 Mrd. Euro schwere Transaktion auf den Markt – und im Juli war die Chance zur Emission schon wieder dahin.Mit erhöhter Marktvolatilität und den Entwicklungen in der Ukraine sowie dem jüngst wieder aufgeflammten Gaza-Konflikt begründete Merkens im Interview der Börsen-Zeitung Ende Juli, warum er die Transaktion vorerst verschoben hat. Nun peilt er eine Ausgabe der Titel bis Jahresende an. Wie geschnitten BrotNoch vor wenigen Wochen schien der Markt zu laufen wie geschnitten Brot: Dealogic zählt seit Jahresbeginn europaweit zwölf Emissionen in einem Volumen von gut 20 Mrd. Dollar nach nur vier Transaktionen für 4,6 Mrd. im selben Zeitraum 2013. Mitte Juli aber war der Ofen plötzlich aus, und dies nicht nur wegen der nahenden Sommerpause. Dass der Markt so flugs zufrieren konnte, führt man bei Beobachtern vor allem auf ein Ereignis zurück: Pläne des Banco Popular Español (BPE), Hybridbonds zu emittieren, die sich in Aktien wandeln, sobald die Kernkapitalquote der Bank unter 7 % fällt. Da dies exakt der Mindestschwellenwert ist, den Wandler aufweisen müssen, damit eine Bank mit ihnen Kapitallöcher infolge des EZB-Stresstests stopfen kann, rutschte manchem Anleger wohl das Herz in die Hose. Jedenfalls wollte sich niemand möglichen Problemen aussetzen, indem er sich einen Additional-Tier-1-Bond (AT1) des Banco Popular Español ins Depot legte. “Spätestens danach war der Markt zu”, meint ein Marktbeobachter. Die “katastrophale Zuspitzung” der Situation beim Banco Espírito Santo jüngst habe ein Übriges getan. BPE zog sich bald von der Transaktion zurück, ebenso wie Aareal wenig später. VerschnaufpauseZumindest was den Sekundärmarkt angeht, schien es für eine kleine Verschnaufpause allerdings auch höchste Zeit. Bis Mitte Juni hatte der Ansturm der Investoren auf die neuartigen, nach Basel III zum Kernkapital zählenden Wandler die Risikoprämie dieser Hybridbonds gegenüber vorrangigen Schuldverschreibungen auf gerade noch 200 Basispunkte zusammenschnurren lassen – eine angemessene Entschädigung für das Risiko, im Ernstfall mit den Hybridpapieren zur Sanierung einer Bank herangezogen zu werden?Nun ist am noch jungen Markt erstmals ein Innehalten zu beobachten. Nicht mehr der Kupon zählt seither für Investoren, sondern unter anderem die bange Frage, wie weit es eigentlich her ist mit dem Kapitalpolster von Banken, das Anleger in Bankenhybride vor einer Wandlung in Aktien oder gar einer Abschreibung schützt. Nicht sehr weit, meint Sam Theodore, Group Managing Director Financial Institutions bei der Ratingagentur Scope. Das Polster wird dünner und dünner, warnt er: “Die Anleger unterschätzen die Risiken von Coco-Bonds, weil sie verkennen, wie stark die Regulierer die Anforderungen an das Eigenkapital der Banken noch verschärfen werden, etwa was interne Modelle zur Risikogewichtung angeht”, sagt er der Börsen-Zeitung.In Sachen verschärfte Regulierung bietet dem interessierten Laien das Beispiel der Deutschen Bank Anschauungsunterricht. Dort sorgte insbesondere eine Regel zur erhöhten Kapitalunterlegung von Fair-Value-Instrumenten dafür, dass die Risikoaktiva allein im Startquartal um 23 Mrd. auf 373 Mrd. Euro anzogen. Als das Institut dann im zweiten Quartal auf Drängen der Regulierer noch seine Modelle und Methoden zur Berechnung des Eigenkapitalbedarfs für operationelle Risiken änderte, um den Kosten von insgesamt rund 6 000 Rechtsstreiten besser gerecht zu werden, schossen die risikogewichteten Aktiva auf einen Rekordwert von rund 400 Mrd. Euro in die Höhe. Allein der Anstieg im zweiten Quartal kostete das Institut einen halben Prozentpunkt harte Kernkapitalquote. Korrekturen drohenWeitere Korrekturen bei Risikoaktiva und Kernkapitalquoten drohen mit der Publikation der Aktiva-Analyse durch die EZB im Oktober und auch darüber hinaus, wenn sich die Notenbank als neue Bankenaufsicht, wie deren Chefin Danû¼ele Nouy schon angekündigt hat, die bankinternen Modelle zur Eigenkapitalunterlegung zur Brust nehmen wird. Auch der Baseler Ausschuss der Bankenaufseher hat ja nach Jahren des Laissez-faire zuletzt Bestrebungen erkennen lassen, die Risikogewichtung etwa durch Mindestvorgaben stärker zu vereinheitlichen. Und ohnedies gelten ja, was generell die Anforderungen ans Eigenkapital betrifft, noch immer die Übergangsvorschriften von Basel III, welche sich bis 2019 sukzessive verschärfen werden. Scope-Manager Theodore hat noch ein zweites Problem erkannt: “Die Investoren setzen die Risikoprämie allein zur Kapitalausstattung des jeweiligen Emittenten ins Verhältnis. Es gibt zudem aber marktweite Risiken. Sollte etwa eine Bank ihre Zinszahlungen auf Cocos auf Druck der Aufseher einstellen müssen, wird der gesamte Markt für diese Instrumente zufrieren.” Der Effekt, den die Episode um BPE für Aareal jüngst hatte, dürfte Theodore in dieser Einschätzung bestärkt haben. Unter Verweis auf eine hohe Komplexität hat Financial Conduct Authority (FCA) den Vertrieb von Coco-Papieren im Massengeschäft beschränkt. Zuvor hatten bereits die europäischen Aufsichtsbehörden den Vertrieb moniert. Nullzinspolitik hilftAndererseits: Sowohl die Nachfrage als auch das Angebot sind nach wie vor vorhanden. Die Nachfrage wird befeuert durch die EZB, welche mit ihrer Nullzinspolitik die Anleger in risikoreichere Wertpapiere treibt. Fürs Angebot sorgt wiederum die Regulierung. Denn die EU-Eigenkapitalrichtlinie schreibt ab 2019 eine Tier-1-Eigenkapitalquote von 6 % vor, wovon 1,5 Prozentpunkte auf zusätzliches Kernkapital entfallen können. Da Europas Großbanken ihre Aktionäre nicht ohne Not noch weiter verwässern wollen, sind Hybridpapiere das Mittel der Wahl, um die Kapitalquote aufzubessern. Unter diesen Voraussetzungen scheinen dem Primärmarkt für “AT1” keine Grenzen gesetzt. Angesichts von 10 Bill. Euro Risikoaktiva in Europas Bankensektor und eines regulatorisch vorgegebenen Rahmens von 1,5 Prozentpunkten zusätzlichem Kernkapital ist bei Investmentbankern für die Zeit von 2014 bis 2019 denn auch schon ein Emissionsvolumen von jährlich 30 Mrd. Euro errechnet worden.Entsprechend optimistische Stimmen sind denn auch nach wie vor aus dem Markt zu hören. Die monetären Faktoren wirkten weiter, heißt es, die Investoren müssten weiter kaufen. Vor diesem Hintergrund wird auch Aareal eine erfolgreiche Transaktion nach Ende der Sommerpause prophezeit. Viel Zeit bleibt nichtBei Licht betrachtet ist der Zeitraum, in dem Aareal auf den Markt kommen dürfte, gar nicht so lang, wie argumentiert wird. Denn in die Zeit der Publikation des EZB-Bilanztests im Oktober werde schon wegen der damit verbundenen Rechtsrisiken kaum eine Bank hineinemittieren wollen. Wer Grund zu der Befürchtung habe, dass seine eben erst emittierten Papiere kurz darauf im Zuge einer im Stresstest diagnostizierten Kapitallücke abgeschrieben oder sich in Aktien wandeln könnten, werde ohnehin bis November warten müssen, heißt es weiter. Somit dürften solidere Anbieter, welche wüssten, dass wackligere Kandidaten warten müssten, die Gelegenheit zur Emission im September nutzen. Dank der Geldpolitik hat demnach auch der Sekundärmarkt gute Perspektiven. Zumindest bis zum Startquartal dürften sich die Risikoaufschläge von Additional-Tier-1-Anleihen, Ergänzungskapital und vorrangigen Schuldverschreibungen weiter annähern.Allerdings drohten dem Markt Gefahren, wie relativiert wird. Noch solch einen Unfall wie im Falle Banco Espírito Santo vor Ende des Bilanztests könne der Markt schlecht vertragen. Und sollte die Federal Reserve gar vorzeitig an der Zinsschraube drehen, würde dies den Bewertungen den Boden entziehen. Letztlich ist es ist nur eine Frage der Zeit, wann die Zinswende kommt und die Kurse drückt. So lange wird Aareal kaum warten wollen.