SIBOS-KONFERENZ 2017

Hype um Blockchain ebbt ab

Erfolgreiche Anwendungen fehlen - Wunsch nach Regulierung wird laut - Prozessfragen vernachlässigt

Hype um Blockchain ebbt ab

dm – Die Distributed-Ledger- und Blockchain-Technologie (DLT) war eines, wenn nicht das bestimmende Thema auf der diesjährigen Finanzdienstleistungskonferenz Sibos. Der Hype rund um die Blockchain, die seit rund drei Jahren ein Thema ist, scheint aber deutlich abgeebbt zu sein. “Wo sind die funktionierenden Anwendungen im Markt, die es geschafft haben, namhafte Volumen an sich zu ziehen?”, fragten Marktteilnehmer.Obwohl allerorts immer neue Vorhaben angekündigt werden, wie etwa von BNP Paribas, bald Kapitalmaßnahmen über eine blockchainbasierte Plattform von Tata Consultancy Services abzuwickeln, haben sich viele Projekte als noch nicht reif genug erwiesen. Auch wurde deutlich, dass das Konzept der dezentralen Datenbanken in einer zentralisierten Finanzwelt eine Art “subversive” Wirkung haben könnte und dass sich hier auch eine Generationenfrage auftut. Viele Start-ups und Experimente werden von jüngeren Menschen vorangetrieben. Nur langsame FortschritteDies fordert auch Zentralbanken heraus. DLT sei weniger weit als erhofft und eigne sich derzeit nicht in großem Stil für die Abwicklung von Zahlungen, war von der Europäischen Zentralbank zu hören (vgl. BZ vom 3. Oktober). Die EZB will aber weiter DLTs erforschen. In der Abwicklung von Wertpapiertransaktionen laufen zwar viele Projekte. Doch auch dort geht es nur langsam voran. Eine 2016 gestartete Kooperation des internationalen Zentralverwahrers Euroclear mit Paxos wurde im Juli wieder aufgelöst, Euroclear will aber weiterhin eine Lösung für die Londoner Goldmarkt anbieten.Auch fehlt es an Standardisierung und Regulierung, die eine gewisse Planbarkeit von Investitionen ermöglicht. Der dezentrale Charakter der DLT ist zugleich Fluch und Segen. Andreas Park von der Uni Toronto sagte, er könne sich schwer vorstellen, in die alte Welt zurückzukehren, in der bei einem öffentlichen Wertpapierangebot rund 7 % Vermittlungsgebühr an die begleitende Investmentbank geht, während sich heute über das Internet in zwanzig Minuten digitale Token – und damit Ansprüche gegenüber Vermögenswerten – schaffen lassen. Ohne Vermittlergebühr, versteht sich.Die frühere Chefin des südafrikanischen Abwicklers Strate, Monica Singer, die nun für das Blockchain-Unternehmen Consensys arbeitet, wirkte auf einer sehr gut besuchten Diskussion zum Einsatz der Blockchain in der Wertpapierabwicklung mit ihrem sprühenden Optimismus dennoch fast auf verlorenem Posten. “Blockchain wird die Welt viel schneller als erwartet verändern”, sagte sie. Es werde parallele Systeme geben, was etwa Listings auf etablierten Börsenplattformen und auf Blockchain-Plattformen anbelangt. Branche ist “nicht bereit”Auch Alexis Francis Thompson, Head of Global Securities Services von BBVA, sagte, die Blockchain sei “zweifelllos die Zukunft”. Er sagte aber auch, es gebe “die Realität”. Thompson verwies auf die Milliardensummen, welche die Finanzbranche in den Aufbau der europäischen Abwicklungsplattform T2S gesteckt hat, um die Abwicklungszeit von drei auf zwei Tagen zu reduzieren. Abgesehen davon, dass dies lang gedauert hat und die Kosten erst wieder eingespielt werden müssen – nun werde schon über Abwicklungszeiten auf DLTs in Millisekunden gesprochen. Dabei müsse als Industrie mehr über Prozesse, nicht so sehr über Technologie gesprochen werden, sagte Thompson. Die Branche sei für Echtzeit-Verarbeitung “nicht bereit”, obwohl dies genau einer der erhofften Vorteile von Blockchain-Anwendungen ist. “Es gibt so viele Leute in der Abwicklungskette, das dauert Tage”, sagte Thompson.Tom Casteleyn, Head of Product Management for Custody, Cash and Foreign Exchange bei BNY Mellon, sagte, es sei das Beste, “genau abgegrenzte” Anwendungen zu prüfen, wie etwa im Markt für besicherte Kredite, im Goldmarkt oder in der Handelsfinanzierung. Daraus könnten Anwendungen womöglich in den Anleihen- und Aktienmarkt ausgeweitet werden. Die Industrie werde durch die DLT “aus dem Inneren” verändert, und nicht durch Externe, die zur Disintermediation führen. Die DLT-basierte Zahlungslösung Utility Settlement Coin, der sich mehrere Großbanken angeschlossen haben, sei eine Initiative, die Fortschritte macht, Zentralbankbargeld auf die Blockchain zu bringen, sagte Casteleyn. “Ich bin aber nicht sicher, ob wir nicht über die Zeit bei Zentralbanken überholt werden, die das direkt anbieten.” Welche Art von Geld?Dirk Bullmann, Berater bei der EZB, sagte dazu, es gehe hier um die Frage, wie Bargeld sicher und effizient auf die Distributed-Ledger-Technologie gebracht werden könne. Dazu könne entweder das EZB-System auf DLT gebracht werden oder eine Interoperabilität mit DLT-Systemen hergestellt werden. Die Utility Settlement Coin sei zwar durch Zentralbankgeld gedeckt, aber aus Sicht der EZB handle es sich nicht um eigentliches Zentralbankgeld. Dies wäre digitales Geld, das Bargeld – also Münzen und Noten – ersetzen würde. Ob die EZB dies tun will, ist derzeit nicht bekannt. Die schwedische Riksbank prüft die Einführung von digitalem Zentralbankgeld als Ersatz für das in Schweden immer mehr verschwindende Bargeld.Vermehrt gefordert wurde auf der Sibos, Regulatoren sollten sich der Blockchain annehmen. Ein Ansatz sei die Delaware Blockchain Initiative, sagte Casteleyn. Die erlaubt Aktienemissionen und -transfers über die DLT. Dazu ist das Delaware Public Archive auf DLT überführt worden. In einem nächsten Schritt sollen Besitzansprüche über sogenannte smarte Kreditorenformulare papierlos abgewickelt werden können.