IBM drängt in den deutschen Markt
Mit dem Angebot hybrider Cloud-Dienste drängt IBM in den deutschen Bankenmarkt. Während Großbanken in den USA und im europäischen Ausland umfangreiche Aufträge an Big Blue vergeben haben, ist die Bundesrepublik schwieriges Terrain. Mit der Aareal Bank hat IBM nun einen Referenzkunden akquiriert.Von Bernd Neubacher, FrankfurtIBM drängt mit ihren Cloud-Dienstleistungen mit Macht in den deutschen Bankenmarkt. Dabei ist das US-Unternehmen bestrebt, sich als Anbieter vor allem von hybriden Leistungen, also mit einer Mischung aus privaten und öffentlichen Rechnerkapazitäten, von den Konkurrenten Amazon, Google und Microsoft abzugrenzen. “Wir glauben, dass der Weg nach vorne hybrid ist, also auf eine Nutzung sowohl der IBM-Cloud als auch von eigenen Kapazitäten der Bank, je nach Bedarf, hinausläuft”, erklärt Frank Theisen, Vice President für das IBM-Cloud-Geschäft im deutschsprachigen Raum.Das Kalkül: Auf diese Weise lässt sich das Vertrauen ins Outsourcing erhöhen und Banken lassen sich eher von Cloud-Dienstleistungen überzeugen. Einen Erfolg im Bankenmarkt hierzulande hat das Unternehmen bereits mit einem Mandat der Aareal Bank an Land gezogen. Der Wiesbadener Immobilienfinanzierer hat sein Geschäftsprozessmanagement und seine Datenbankservices in die IBM-Cloud gegeben: “Das ist der erste mir bekannte Fall in Deutschland einer in Produktion befindlichen Cloud-Lösung für als wesentlich eingestufte Bankprozesse”, sagt Andreas Wodtke, bei Big Blue Vice President Banking und Financial Markets im deutschsprachigen Raum. In GesprächenWie Wodtke erklärt, führt das US-Unternehmen derzeit mit weiteren Banken Gespräche. Die Anbindung werde dann leichter fallen, weil IBM bereits entsprechende Projekterfahrung habe und weil die Prozesstechnologie aus der IBM-Cloud schon laufe. Sein Argument für die hybride IBM-Cloud: Banken können in einer solchen Struktur kritische Daten in einer privaten Cloud halten, ihre Entwicklungsumgebung zugleich aber in eine öffentliche Cloud geben, welche ihnen Skalierbarkeit bringe. Wodtke: “Das ist ein Treiber für die Banken. Große Monolithen können nicht einfach migriert werden.”Theisen sekundiert: “Das Thema Anwendungsmodernisierung ist ein absolutes Top-Thema, nicht nur bei Banken”, sagt er. Institute müssen ihre Kernbankenanwendungen erneuern: “Wir erleichtern dies den Banken.” Viele kämpften mit alten Systemen, mit denen sie nicht in der Lage seien, schnell genug auf die Anforderungen des Marktes zu reagieren. Große TicketsSo deutlich die beiden Manager die Vorzüge der hybriden Cloud herausstellen, so wortkarg werden sie, wenn es um operative Eckdaten von IBM Deutschland geht. Auch ihren Umsatz im europäischen Bankensektor gibt die Technologiegesellschaft nicht preis. Anhaltspunkte für die großen Summen, um die es im Cloud-Geschäft geht, können allein Angaben von Kunden liefern. So hat Santander im Februar angekündigt, im Zuge eines Vertrags mit IBM in den kommenden fünf Jahren 700 Mill. Euro in ihre hybride Cloud-Strategie zu investieren. Der Zehnjahresvertrag über Cloud-Dienste mit der Lloyds Banking Group, über den IBM 2017 informierte, hat ein Volumen von 1,3 Mrd. Pfund. Im Januar hat IBM die Zusammenarbeit mit BNP Paribas um acht Jahre verlängert, ohne eine Summe zu nennen.Global ist IBM eigenen Angaben zufolge ohnehin stark vertreten. In der Sparte Cloud & Cognitive Software setzte das Unternehmen im dritten Quartal mit 5,3 Mrd. Dollar 6,4 % mehr um als im Vorjahreszeitraum. Das Geschäft mit Cloud und Daten-Plattformen zog dabei um 17 % auf 2,3 Mrd. Dollar an.Von den 20 größten Banken im Fortune 500 griffen 19 auf Big Blue als Cloud-Anbieter zurück, wie Theisen sagt. Deutschland hingegen bleibt für Big Blue ein schwieriger Markt. In Europa investierten auch Institute wie Barclays derzeit massiv in die Modernisierung ihrer Systeme und deren Übergang in die Cloud. “Das sehe ich eben hier im Markt überhaupt nicht”, sagt Wodtke. Das hat seine Gründe: Zum einen bleibt IBM der Zugang zu rund drei Viertel des Marktes schon deshalb versperrt, da dieser auf Sparkassen und Genossenschaftsbanken entfällt, die mit Finanz Informatik sowie Fiducia & GAD IT über eigene IT-Infrastrukturdienstleister verfügen – in deren Systeme freilich auch IBM-Technologie eingeflossen ist, die aber nicht als Cloud-Umsatz gemessen wird, wie Wodtke betont. Zum Zweiten haben die übrigen Banken darüber hinaus infolge Restrukturierung derzeit andere Sorgen oder sind schlicht zu ertragsschwach, um Aufträge in zehnstelligem Umfang zu vergeben. Und zum Dritten gibt es neben strammen Outsourcing-Anforderungen der deutschen Finanzaufsicht auch ein gerüttelt Maß an Zurückhaltung gegenüber Big Tech und dessen Übermacht. Die manifestierte sich etwa im Oktober in einer Initiative der Commerzbank für einen Schulterschluss unter europäischen Banken, um den vier großen Cloud-Anbietern – neben IBM sind dies Amazon, Microsoft und Google – gemeinsame Standards für Cloud-Dienste vorgeben zu können. Wodtke will sich zu diesem Vorstoß nicht äußern.In der Debatte um Cloud-Dienste und Datensicherheit bringt sich IBM generell als vertrauenswürdiger Dienstleister in Position. So habe das Unternehmen zum 1. Oktober umzusetzende Anforderungen der European Banking Authority (EBA) aufgegriffen und in ihren allgemeinen Geschäftsbedingungen komplett gespiegelt, erklärt Wodkte: “Wir beschäftigen uns mit den Compliance- und Security-Anforderungen und bilden diese im Vorfeld in der Cloud ab. So helfen wir den Finanzdienstleistern, die hohen Anforderungen bezüglich Regulierung, Compliance und Datenschutz zu erfüllen.” Kunden erhielten ein “EBA Cloud Compliance Certificate”, das ihnen bescheinige, dass sie den Vorschriften der Compliance genügten, solange sie den betreffenden Dienst nutzten. In den Verträgen herrsche komplette Transparenz.Wie Theisen erläutert, unterhält IBM in Frankfurt eine EU-Cloud, die es Kunden je nach Präferenz ermöglicht, ausschließlich von EU-Personal betreut zu werden. Kunden könnten nicht nur eigene Verschlüsselung mitbringen (Bring your own key), sondern dieses Wissen auch exklusiv haben (Keep your own key). Premiere mit Bank of AmericaDer Manager verweist auf die Techniker Krankenkasse, die ihre elektronische Gesundheitsakte mit IBM gestartet habe. Im Gesundheitssektor sei die Regulierung noch stärker, Daten dürften Deutschland nicht verlassen, führt er ins Feld. Zugriff auf die Daten habe einzig der Patient, nicht die Krankenkasse und auch nicht IBM: “Das zeigt, dass wir höchsten Anforderungen genügen.” Wodkte gibt, offenbar in Abgrenzung etwa zu Google, zudem zu bedenken: “Unser Geschäftsmodell sieht nicht vor, dass wir mit Daten unserer Kunden eine Monetarisierung vornehmen.” Aufforderungen aus den USA, Daten freizugeben, würde man nicht nachgeben, selbst wenn dies möglich wäre. Dessen ungeachtet gibt es im deutschen Markt Stimmen von IT-Experten, die schlicht in Abrede stellen, dass Banken es überhaupt bemerken würden, wenn Cloud-Anbieter Daten absaugen sollten. In den USA hat IBM Anfang November unterdessen die eigenen Angaben zufolge erste öffentliche Cloud für den Finanzsektor gestartet, entwickelt in Zusammenarbeit mit Bank of America, die auch ihr erster Nutzer ist: “In der Cloud bündeln und berücksichtigen wir für Bank of America alle Themen der Regulierung sowie der Wertpapieraufsicht in den USA, wo es in dieser Hinsicht noch mehr Anforderungen gibt als in Europa.”