Illiquide Assets dienen als Renditebooster
Gastbeitrag
Illiquide Assets dienen als Renditebooster
Von Immo Querner, Vorsitzender der Geschäftsführung, Athora Deutschland
2023 gab es 80,7 Millionen Lebensversicherungsverträge in Deutschland. Über 96% aller Deutschen haben eine Lebensversicherung. Dieser Markt wird von Gesellschaften mit einer großen Zahl an Teilbeständen und teils sehr alten und heterogenen IT-Landschaften bedient. Zudem verzeichnen diese insbesondere Garantie-lastige Bestände, die Kapital binden und erhebliche Kapitalmarktrisiken induzieren.
Professionelles Run-Off
Seit zehn Jahren hat sich auch in Deutschland ein professioneller Run-Off-Markt entwickelt. Es gibt eine Reihe von Vorteilen für Lebensversicherungen und Pensionsfonds, Portfolios an sogenannte „Bestandsverwalter“ – Versicherer, die sich auf Abwicklung spezialisieren – abzugeben. Der Verkauf oder das Auslagern von Beständen hilft, sich auf Kernkompetenzen zu konzentrieren, finanzielle wie operative Risiken zu minimieren und damit Finanz- und Humankapital für neues Geschäft freizusetzen. All dies treibt Run-off-Transaktionen voran.
Zwar ist mit der (erfreulichen) Zinswende ein wesentliches Finanzrisiko für alte Bestände gesunken, was zu einer besseren Solvenzsituation beigetragen hat. Aber auch das neue Zinsumfeld hat seine Herausforderungen: Stornorisiken nehmen zu, und aus stillen Reserven in den Anlagen werden vielfach stille Lasten. Die Ergebnisgestaltungsspielräume und verfügbare Neuanlagevolumina bleiben jedoch spürbar belastet.
Verkäufe entlasten Bilanzen
Ein weiterer Treiber des Run-Off-Marktes sind mögliche Effizienzsteigerungen durch verbesserte IT-Prozesse und Skalenerträge bzw. die Minimierung von IT-Risiken und die damit verbundenen Kostenrisiken.
Bestandsverkäufe entlasten so die Bilanzen, senken Kosten und ermöglichen Anpassungen an neue Marktbedingungen – zum Nutzen für die Kunden sowie die abgebenden Versicherungen! Der Run-off-Markt ist längst keine Nischenlösung mehr, sondern ein etabliertes Instrument. Flexibilität und Innovation sind dabei genauso entscheidend, wie die Erfüllung der aufsichtlichen Anforderungen.
Die Basis für einen dauerhaften Erfolg von Bestandsabwicklern ist eine langfristige Anlagestrategie mit einem breit diversifizierten Portfolio, das Risiken effektiv steuert und attraktive Erträge erzielt. Die meisten Bestandsversicherer setzen deshalb bewusst auf solche höher-rentierlichen Anlagen, die über sogenannte Illiquiditätsprämien nicht öffentlich gehandelter Private Assets nachhaltige und überdurchschnittliche Renditen erzielen. Sie stellen einen wertvollen Beitrag zur Ertragssteigerung dar, da gerade gereifte Bestände ein gut kalkulierbares Auszahlungsprofil aufweisen.
Durationslücke schließen
Für ein effektives Risikomanagement ist zunächst die Durationslücke zwischen Aktiv- und Passivseite zu schließen. Dieses „Duration Matching“ sichert die Verbindlichkeiten ab und schafft Freiräume für ertragreiche Investments, z.B. in nicht gelistete und damit illiquidere Anleihen/ Kredite, sogenannte „private credits“.
Vorteile von Private Credits
Private Credits sind im Kern „nur“ nicht börsennotierte Darlehen, es sind vor allem keine „junk credits“. Im Gegenteil, Private Credits können sogar vorteilhaftere Kreditcharakteristika aufweisen und damit das Rendite-Risiko-Profil verbessern. Entscheidend ist hier die Fähigkeit, durch ein aktives Risikomanagement die Risiken bei der Darlehensvergabe zu kontrollieren. Sie optimieren so das Portfolioergebnis und gewährleisten langfristige Stabilität.
Neben den Herausforderungen der Zinswende sehen sich Lebensversicherer mit neuen Regulierungsauflagen konfrontiert. Der jüngste Solvency II-Review stellt weitere Anforderungen an den „Zinsstress“. Wesentliche den Zins betreffende sog. Übergangsmaßnahmen, die das Leben der Versicherer erleichtert haben, sind seit dem Sommer von der BaFin ausgesetzt. Die wohl zeitnah bevorstehende Ableitung der Zinskurve aus der Euro Short-Term Rate (€STR), erfordern ebenfalls ein sorgfältiges Management. Zusammengefasst bleibt das „regulatorische Änderungsrisiko“ gerade für Garantiebestände hoch.
Eigene Aktien „low beta“
Auch eine andere Herausforderung zeigt sich: Börsennotierte Versicherer ohne proprietäre Vorteile beim Zugang zu bestimmten Anlageinstrumenten, wie insbesondere illiquiditätstragenden Assets, streben aus guten Gründen häufig an, ihre eigenen Aktien als „low beta stocks“ zu positionieren. Damit wollen sie Investoren eine stabile und vom Kapitalmarkt unabhängige Wertentwicklung bieten. Die Abgabe von Altbeständen unterstützt dieses Ziel gerade nach der Zinswende. Abgebende Versicherer können so Kapital für die Entwicklung des Schaden- /Unfall-Geschäftes, weniger kapitalintensivere Lebensversicherungsprodukte oder den Ausbau neuer Geschäftsfelder wie die Vermögensverwaltung für Dritte mobilisieren. Die letztgenannte Strategie stößt allerdings selbst bei großen Versicherern zunehmend an die Grenzen möglicher Skaleneffekte.
Vertrauen und Sicherheit
Für die Lebensversicherer steht das Vertrauen und langfristige Sicherheitsbedürfnis ihrer Kunden im Mittelpunkt. Gleichzeitig ist das Erzielen von attraktiven Renditen essenziell. Run-off Gesellschaften beweisen gerade hier ihre Leistungsstärke. Neben einer skalierbaren, effizienten und zukunftssicheren IT sind ein kluges und diversifiziertes Aktiv-Passiv-Management ein entscheidender Wettbewerbsfaktor. Denn nur so können stabile, nachhaltige und attraktive Erträge erwirtschaftet werden, die den Erwartungen der Kunden und Aktionäre entsprechen.
Im Markt für Bestandsversicherungen werden sich die Lebensversicherer durchsetzen, die diese Balance zwischen Kunden- und Aktionärsorientierung meistern, das entsprechende Durchhaltevermögen wie die operative Erfahrung haben und von langfristigen und zuverlässigen Anteilseignern nachhaltig getragen werden.