LEITARTIKEL

Im Aushilfsmodus

Der Bundesverband deutscher Banken (BdB) hatte sich für dieses Jahr ziemlich viel vorgenommen. Vor allem die deutsche EU-Ratspräsidentschaft in der zweiten Jahreshälfte schien den Verband zum Jahresauftakt zu elektrisieren, als die...

Im Aushilfsmodus

Der Bundesverband deutscher Banken (BdB) hatte sich für dieses Jahr ziemlich viel vorgenommen. Vor allem die deutsche EU-Ratspräsidentschaft in der zweiten Jahreshälfte schien den Verband zum Jahresauftakt zu elektrisieren, als die Hauptgeschäftsführer Andreas Krautscheid und Christian Ossig Mitte Januar nach vorn blickten. Ob europäische Bankenunion, die EU-Taxonomie zu Green Finance oder die Umsetzung von Basel IV – den deutschen Ratsvorsitz sah der Verband als eine Chance, um auf all diesen Feldern ein entscheidendes Stück voranzukommen und die Wettbewerbsbedingungen für europäische Banken zu verbessern. “Was Europa braucht, ist Führung”, erklärte der Bankenverband damals selbstbewusst.Als die deutsche EU-Ratspräsidentschaft dann endlich startete, war es allerdings der BdB, der plötzlich eine neue Führung brauchte. Denn Commerzbank-Chef Martin Zielke, der erst im April an die Spitze des Verbandes gewählt wurde, kündigte Anfang Juli überraschend seinen Rücktritt als CEO des zweitgrößten privaten deutschen Bank an. Zuvor hatte der US-Aktivist Cerberus wiederholt ziemlich schonungslos Kritik am Management der Bank geübt und auch der Bund als Ankeraktionär keine Rückendeckung gegeben. Spätestens zum Jahresende will Zielke für einen Nachfolger oder eine Nachfolgerin bei der Commerzbank Platz machen. Nach den Statuten des BdB kann er dann auch kein Mitglied im Verbandsvorstand mehr sein und muss sein Amt als Präsident niederlegen.Die Suche nach einem Nachfolger für das höchste Ehrenamt der deutschen Bankwirtschaft gestaltete sich schwierig, weil Christian Sewing, Chef der Deutschen Bank und damit so etwas wie der logische Nachfolger an der Spitze des Bankenverbandes, früh abwinkte, da er sich auf die Aufräumarbeiten im eigenen Haus konzentrieren will. Mit dem Chef der größten deutschen Bank im Aufräummodus und dem Chef der zweitgrößten privaten Bank am Finanzplatz Deutschland im Abflugmodus fiel die Wahl des Bankenverbandes auf den Sprecher der persönlich haftenden Gesellschafter der Privatbank Berenberg, Hans-Walter Peters, der das Präsidentenamt erst im Frühjahr an Zielke übergab und jetzt trotzdem bereit ist, bis zum nächsten Frühjahr als eine Art Interimspräsident auszuhelfen.Das ehrt den Hamburger Privatbankier, dem spätestens seit der Durchsuchung von Räumlichkeiten des BdB in Berlin und Frankfurt im Zusammenhang mit dem Cum-ex-Skandal in der vergangenen Woche klar sein dürfte, dass in seiner zweiten Amtszeit als BdB-Präsident wenig Prestige zu gewinnen sein wird. Die Razzia, an der Ermittler der Staatsanwaltschaft Köln, Steuerfahnder aus Nordrhein-Westfalen und Ermittler gleich mehrerer Landeskriminalämter beteiligt waren, zielte nicht auf Verantwortliche oder Mitarbeiter des Verbandes, wie die Kölner Staatsanwaltschaft betonte und auch der BdB mit Nachdruck verbreitete. Die Angelegenheit ist für den Verband trotzdem nicht schmeichelhaft.Es geht den Ermittlern wohl um den Einfluss des BdB auf den Umgang des Gesetzgebers mit vermeintlichen Steuerschlupflöchern, die Banken und andere Finanzdienstleister genutzt haben, so dass dem Fiskus seit 2001 ein Schaden von mehr als 30 Mrd. Euro entstanden sein könnte. Ein Untersuchungsausschuss des Bundestages zum Cum-ex-Skandal hatte die Rolle des Bankenverbandes schon im Sommer 2016 zu klären versucht, konnte dabei aber nicht alle internen Dokumente einsehen, wie die Initiatoren des Untersuchungsausschusses monierten. Präsident des Bankenverbandes war schon damals Hans-Walter Peters, der im Frühjahr 2016 für vier Jahre gewählt wurde.Mit der neuerlichen Wahl des Berenberg-Chefs zum Präsidenten, dieses Mal wohl nur für wenige Monate, ist es dem BdB jetzt gelungen, die unglückliche Optik mit einem Bankenverbandspräsidenten ohne Bank rasch zu korrigieren. Gleichzeitig gibt der Verband hinter gar nicht so weit vorgehaltener Hand schon jetzt der Hoffnung Ausdruck, den Aushilfsmodus im Frühjahr beenden und Deutsche-Bank-Chef Christian Sewing doch noch für das Amt gewinnen zu können. Ein Präsident wie Michael Diederich, Chef der HypoVereinsbank, eine Tochter der italienischen Unicredit, der zuletzt ebenfalls als Kandidat gehandelt wurde, würde dem Verband gerade vor dem Hintergrund seiner europäischen Agenda ebenfalls gut zu Gesicht stehen. Bis die Frage entschieden ist, wird die deutsche EU-Ratspräsidentschaft aber in jedem Fall wieder vorbei sein.——Von Stefan ParaviciniMit dem Chef der Deutschen Bank im Aufräummodus und einem anderen CEO im Abflugmodus findet der Bankenverband einen neuen Präsidenten.——