Immobilienserie

Im Bankenviertel machen Banker den Beratern Platz

Wer in der Finanzbranche etwas auf sich hält, zeigt Flagge in den Türmen im Frankfurter Bankenviertel. Was jedoch früher selten vorkam, ist längst üblich: Ziehen Banker aus, rücken oft Berater nach.

Im Bankenviertel machen Banker den Beratern Platz

Stellenabbau durch Digitalisierung, Kostendruck und Konsolidierung einerseits, Stellenzuwachs durch Konzentrationsprozesse und Brexitbanker andererseits: Diesen gegenläufigen Prozessen ist das Finanzzentrum Frankfurt ausgesetzt. Bislang kommt unterm Strich in puncto Bankbeschäftigung ein Plus heraus.

Das wird aber nicht so bleiben. Waren im Coronajahr 2020 allein bis Herbst unerwarteterweise noch 800 Stellen in der Finanzindustrie geschaffen worden, etwa weil Banken in der Pandemie Streichungspläne ruhen ließen, so werden es bis Ende 2023 im Vergleich mit Herbst 2020 insgesamt 3300 Mitarbeiter oder 5% weniger sein, rechnet die Landesbank Hessen-Thüringen (He­laba) vor. Alles in allem werden dann rund 62200 Menschen in Kreditinstituten arbeiten, prognostiziert die Landesbank in ihrer Ende Juni veröffentlichten Finanzplatzstudie. Zum Jahresende 2019 waren es noch 64700. Die Helaba berücksichtigt dabei sozialversicherungspflichtig Beschäftigte von Banken, Bundesbank und Börse in der Stadt Frankfurt. Mitarbeiter von EZB, Versicherungen und Fondsgesellschaften werden nicht mitgerechnet.

Ulrike Bischoff, Finanzplatz-Expertin der Helaba, geht davon aus, dass in diesem und im nächsten Jahr in Frankfurt insgesamt rund 1500 Stellen in den Brexitbanken entstehen. Parallel setze sich die Konsolidierung, verstärkt durch Corona, fort. Absehbar sei, dass der Stellenaufbau durch den Brexit den Abbau nicht mehr kompensieren könne. Wie es von 2024 an weitergeht, hängt Bischoff zufolge von der regulatorischen Ausgestaltung der Beziehungen zwischen EU und Großbritannien ab und von möglichen personellen Nachjustierungen der Brexitbanken in der Mainmetropole.

Ende der Sonderentwicklung

Mit der Sonderentwicklung in Frankfurt, wo die Beschäftigungszahlen in der Finanzindustrie entgegen dem bundesweiten Trend seit Jahren noch wachsen, weil in der Finanzmetropole Institute zentrale Funktionen und Jobs zusammenziehen und Brexitbanken Mitarbeiter konzentrieren, wird also bald Schluss sein. Das dürfte sichtbare Spuren am Finanzplatz und seinem Herzstück, dem Bankenviertel, hinterlassen. Wenn allein die Platzhirsche Commerzbank und Deutsche Bank im großen Stil Stellen streichen, fallen in Frankfurt Arbeitsplätze weg, mithin wird die eine oder andere Liegenschaft entbehrlich. Die Commerzbank kürzt deutschlandweit voraussichtlich 9 000 Stellen, darunter bis Ende 2024 netto rund 3200 Vollzeitstellen in Zentralfunktionen, Operations und der Lieferorganisation. Die Deutsche Bank hatte vor zwei Jahren das Ziel ausgegeben, global 18000 Stellen abzubauen.

„Da sich die Arbeitswelt der Banken durch Digitalisierung und Konsolidierung verändert, wird tendenziell etwas weniger Fläche benötigt“, sagt Stephan Bräuning, der als Head of Office Letting Germany die Bürovermietung für Colliers International Deutschland verantwortet. Mit Corona hat es seines Erachtens aber nur bedingt zu tun. „Das gibt es seit gefühlt 15 Jahren.“ Infolge der Aufgabe von Standorten wegen Stellenabbaus oder Umzugs, etwa in die planmäßig bis spätestens Anfang 2025 fertiggestellten Four-Hochhäuser im ehemaligen Deutsche-Bank-Dreieck in der Innenstadt, werde zumindest vorübergehend mit größeren Leerständen andernorts im Bankenviertel zu rechnen sein, glaubt Bräuning. „Solange es verfügbare Flächen beispielsweise im Four gibt, sind die natürlich attraktiver als solche in leer gezogenen, zehn oder 15 Jahre alten Gebäuden. Da kommt einiges an Leerstand auf uns zu.“

Das Gesicht des Finanzplatzes, das Bankenviertel, wird sich ihm zufolge dennoch nicht sonderlich verändern, wie am Stadtbild abzulesen sei: An den Türmen prangen nach wie vor die Logos der Banken. Nationale wie internationale Unternehmen aus der Finanzwirtschaft, gehäuft aber auch aus der Beraterbranche, suchten sich im Bankenviertel ihr Plätzchen. „So wie es jetzt ist, wird das Bankenviertel auf absehbare Zeit bleiben“, sagt Bräuning. Er ist überzeugt: „Die Banken tummeln sich nach wie vor auf diesem kleinen Schachbrett. Das Bankenviertel ist der ,Place to be‘, und dort versucht man auch dringend zu bleiben“, berichtet er. „Nur wenige Institute lassen sich außerhalb nieder. Die haben dann aber meist im Bankenviertel zumindest eine Dependance.“

„Kolossal verändert“

Was sich allerdings geändert habe, sei der Mietermix. „Das Bankenviertel hat sich in den vergangenen zehn, 15 Jahren kolossal verändert. Das liegt daran, dass die Banken seitdem Flächen in Hochhäusern aufgegeben haben, und diese Flächen waren sehr begehrt. Dann konnten auch beispielsweise Anwälte einziehen, für die vorher kein Platz war.“ Was gravierende Veränderungen zur Folge hatte: „Wurden früher im Bankenviertel etwa 80% der Immobilien von der Finanzwirtschaft genutzt und 20% von anderen Dienstleistern, so ist mittlerweile das Verhältnis in etwa ausgeglichen: Banken belegen rund die Hälfte der Gebäude“, weiß der Collier-Manager zu berichten. „In der anderen Hälfte sind vor allem Rechtsanwälte und Personalberater stark vertreten, ebenso Steuerberater.“ Außerdem fänden sich in nahezu allen Hochhäusern Räumlichkeiten von Coworking-Anbietern.

Und immer wieder ziehen ihm zufolge Unternehmen ins Bankenviertel, die ihren Mitarbeitern eine Lage und Gebäudequalität gönnen wollten, die sie vorher nicht hatten. Arbeitgeber aus der Finanzindustrie wie so ziemlich aller Branchen stünden schließlich im starken Wettbewerb um Top-Talente. „Ein wichtiges Entscheidungskriterium ist der Standortfaktor: Steht die Immobilie in einem attraktiven Umfeld und ist gut angebunden? Ist sie CO2-neutral? Wie sieht die Bürolandschaft aus? Insbesondere Uni-Abgänger achten sehr darauf“, weiß Bräuning. Auch die Möglichkeit mobilen Arbeitens stehe bei ihnen sehr hoch im Kurs. Die sich dadurch ergebenden Möglichkeiten, Büroflächen zu beschneiden, erachtet er jedoch als minimal. „Vielleicht lassen sich beim Umzug 5 oder 10% einsparen. Denn für die Mitarbeiter im Büro bedarf es optimal ausgestatteter Räumlichkeiten mit mehr Platz zur Begegnung.“

Auch Beschäftigte von Bundesbank und EZB sind stark präsent im Bankenviertel. Unabhängig davon, dass Angaben von 2017 zufolge 2000 Bundesbanker noch auf Jahre im Frankfurter Büro Center (FBC) in der Innenstadt als Übergangsquartier residieren, bis der Umbau der Zentrale abgeschlossen ist, arbeiten demnach 1000 Mitarbeiter regulär im Trianon und im Skyper sowie weitere in der Hauptverwaltung der Bundesbank in Hessen an der Taunusanlage. In einigen Jahren könnte es zu Bewegung im Trianon und Skyper kommen, sollten auch die dort angesiedelten Mitarbeiter in die Zentrale in die Wilhelm-Epstein-Straße ziehen. Zum Jahresende zählte die Bundesbank alles in allem 10400 Beschäftigte auf Vollzeitbasis.

Hinzu kommt, dass sich die DekaBank aus Trianon und Skyper verabschiedet. Damit einher geht ein Teilrückzug aus dem Bankenviertel. Weit außerhalb, in Niederrad, sollen in einem neuen Gebäude bis zu 3500 Mitarbeiter unterkommen. Die anderen werden in einigen Jahren im Hochhaus Four-T1 Platz finden.

Größere Umzüge wie diese seien aktuell aber die Ausnahme, sagt Bräuning (siehe Grafik). Goldman Sachs verlegte seinen Sitz vom Messeturm in den Marienturm. Morgan Stanley, die nach eigenen Angaben innerhalb der vergangenen drei Jahren die Mitarbeiterzahl auf 360  verdoppelte, zog von der Junghofstraße in den Omniturm. Bräuning führt die Verlegung weniger auf den Brexit als vielmehr auf die davon unabhängige Entscheidung zurück, Geschäft in Frankfurt zu zentralisieren. Die Commerzbank wiederum mietet Morgan Stanleys aufgegebenen Standort in der Junghofstraße für sich. Fakt ist, dass die großen US-Banken, so auch J.P. Morgan, sich nach dem Brexit-Votum in Frankfurt zusätzliche Flächen gesichert haben.

Prestige spielt wichtige Rolle

„Die Brexitbanken sind sehr prominent im Stadtbild Frankfurts vertreten. Die meisten haben Büros in Premiumlagen, im Bankenviertel, angemietet“, sagt Bischoff, die auch Autorin der alljährlichen Helaba-Finanzplatzstudie ist. Etliche hätten sich bewusst für Frankfurt als Standort ihrer EU-Zentrale entschieden. Prestige spiele dabei – für alteingesessene wie für Brexitbanken – eine nicht zu unterschätzende Rolle. „Die Banken wollen ihre wichtigen Kunden schließlich in schicken Büros bei schöner Aussicht empfangen.“ In den Konzernzentralen säßen die Kernteams, an günstigere Standorte seien hingegen häufig Backoffice-Mitarbeiter ausgelagert.

Darüber hinaus bietet nach Bischoffs Erfahrung eine zentrale Lage den Vorteil, den Austausch zu pflegen. Ob repräsentative Zwecke der Konzernzentralen, kurze Wege und persönliche Kontakte oder ein seit Jahren zu beobachtender innerdeutscher Konzentrationsprozess der Bankbeschäftigung in Frankfurt: Die Mainmetropole wird ihrer Einschätzung zufolge Bankenzentrum bleiben. So sei die erneute Filialausdünnung, der Corona zusätzlichen Schub verliehen habe, an Frankfurt weitgehend vorübergegangen. Darüber hinaus wertet sie die EZB als überaus bedeutsamen Standortfaktor. „Viele Finanzinstitute aus dem In- und Ausland schätzen die geringe Distanz zur EZB und wollen in ihrer Nähe angesiedelt sein.“ Und nicht zuletzt hätten sich einige Brexitbanken entschieden, sich nicht nur in Frankfurt anzusiedeln, sondern dort EU-Zentralen aufzubauen.

„Es gibt also einige Faktoren, die dafür sprechen, dass sich dieser Konzentrationstrend der Bankbeschäftigung auf Frankfurt, den wir seit vielen Jahren sehen, in den nächsten Jahren fortsetzen wird“, folgert Bischoff. „Finanzstandorte bleiben von Bedeutung. Nicht trotz, sondern gerade angesichts der zunehmenden Digitalisierung ist der unmittelbare Austausch wichtig. Direkte Gespräche, z.B. auf den Bürofluren oder in der Mittagspause in der Freßgass, schaffen einen Mehrwert. Sich zu sehen, fördert den Austausch.“

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