Im Fokus - Mitteilungspflichten durch Aktionärsvereinbarungen

Urteile des VG Frankfurt am Main ein richtiger Schritt hin zu einem vernünftigen Informationsregime

Im Fokus - Mitteilungspflichten durch Aktionärsvereinbarungen

Von Martin HitzerPartner Gleiss Lutz Düsseldorf und Dr. Hilmar HüttenAssociate Gleiss Lutz DüsseldorfEinzelne Aktionäre haben in der Regel wenig Einfluss auf größere börsennotierte Unternehmen. Echte Stimmrechtsmacht folgt nur aus wesentlichen Beteiligungen ab 25 % aller Stimmrechte. Ein häufig genutztes Instrument, um Stimmrechte zu bündeln, Interessen zu koordinieren und damit Einfluss auf das Unternehmen zu gewinnen, sind Aktionärs-, Pool- oder auch Stimmbindungsvereinbarungen. Der Inhalt von Aktionärsvereinbarungen folgt den individuellen Bedürfnissen und Zielen der Aktionäre. In der Praxis finden sich dazu zahllose Gestaltungsdetails und diverse Bezeichnungen. Im Kern drehen sich die Vereinbarungen aber fast immer um die Ausübung von Stimmrechtsmacht, also konkret um das Stimmverhalten in der Hauptversammlung. Typischerweise verpflichten sich die Aktionäre, ihre Stimmrechte nach vorheriger interner Abstimmung einheitlich auszuüben. Dies kann durchaus auch im Interesse des Unternehmens sein. Eine Stimmbindung führt in der Regel zu einer nach außen einheitlich auftretenden, stabilen und verlässlichen Aktionärsgruppe, die sich wie ein Ankeraktionär verhält und eine nachhaltige Entwicklung des Unternehmens fördert.Stimmbindungsvereinbarungen werden oftmals durch Regelungen zur Übertragung der Aktien flankiert. Um den Verlust von Stimmrechtsmacht zu verhindern, dürfen die Aktien nicht auf außenstehende Dritte, sondern nur im Kreis der verbundenen Aktionäre übertragen werden. Wie das Übertragungsverfahren genau ausgestaltet ist, hängt sehr stark vom Einzelfall ab. Zu finden sind Vorkaufs- oder Vorerwerbsrechte, Rechte des ersten Zugriffs, Andienungspflichten oder bloße Einladungen zur Abgabe von Erwerbsangeboten (invitatio ad offerendum).Aufgrund des Einflussgewinns der verbundenen Aktionäre hat das betroffene Unternehmen wie auch der Kapitalmarkt ein Interesse an der Offenlegung von Stimmbindungsvereinbarungen. Nach dem Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) ist mitteilungspflichtig, wer durch Erwerb oder Veräußerung von Aktien bestimmte Schwellen von Stimmrechten zwischen 3 und 75 % erreicht, über- oder unterschreitet. Dabei werden nicht nur eigens gehaltene Stimmrechte berücksichtigt, sondern auch Stimmrechte aus Aktien Dritter zugerechnet, auf die der Mitteilungspflichtige Einfluss nehmen kann. Das in der Praxis entscheidende Beispiel ist die Zurechnung von Stimmrechten eines Dritten, mit dem der Meldepflichtige sein Verhalten in Bezug auf ein notiertes Unternehmen abstimmt (sogenanntes acting in concert). Sofern Aktionärsvereinbarungen eine Stimmbindung enthalten, sind die Stimmrechte aller beteiligten Aktionäre deshalb gegenseitig zuzurechnen und mitzuteilen. Der Kapitalmarkt wird darüber informiert, dass der Einzelne zwar einen geringen, im Zusammenwirken mit anderen aber einen erheblichen Einfluss hat. Ob daneben auch Vorkaufsrechte oder ähnliche Übertragungsregelungen in Aktionärsvereinbarungen mitteilungspflichtig sind, war unter der noch bis vor kurzem geltenden Rechtslage sehr umstritten. Die von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) vertretene Auffassung, solche Übertragungsregelungen seien sonstige (Finanz-)Instrumente im Sinne des WpHG und würden daher “ohne Weiteres” Mitteilungs- und Veröffentlichungspflichten auslösen, wurde jüngst erstmals gerichtlich “getestet” und vom Verwaltungsgericht Frankfurt am Main in drei noch unveröffentlichten Urteilen zu Recht verworfen. Die undifferenzierte Betrachtungsweise der BaFin, die alle Übertragungsregelungen in Aktionärsvereinbarungen über einen Kamm schert, macht es sich zu leicht. Deutlicher als unter der alten Fassung des WpHG wird dies nach der nun in Kraft getretenen Gesetzesänderung, mit der europäische Richtlinienvorgaben umgesetzt werden. Auch diese zum Zeitpunkt der Entscheidung noch zukünftige Entwicklung hat das Verwaltungsgericht in seine Erwägungen bereits mit einbezogen.Ein kurzer Rückblick: Im Jahr 2007 wurde erstmals eine Mitteilungspflicht für Finanzinstrumente geschaffen, die ihrem Inhaber das unbedingte Recht verleihen, zu einem späteren Zeitpunkt Stimmrechtsaktien zu erwerben. Dazu zählen etwa Call-Optionen auf physische Aktienlieferung. Da Übertragungsregelungen in Aktionärsvereinbarungen regelmäßig davon abhängen, dass sich ein Aktionär erst zur Veräußerung entscheidet, unterlagen sie nach damaligem Stand keiner Mitteilungspflicht. Die Diskussion entstand erst im Jahr 2012 mit der Erweiterung der Mitteilungspflicht auf sonstige (Finanz-)Instrumente. Die Beteiligung von Schaeffler an Continental und die letztlich gescheiterte Übernahme von Volkswagen durch Porsche hatte im Jahr 2008 Lücken in der bis dato bestehenden Beteiligungstransparenz offenbart. Schaeffler und Porsche hatten sich durch sogenannte Cash Settled Equity Swaps die Möglichkeit verschafft, Aktien des Zielunternehmens erwerben zu können, ohne dass dies dem Markt oder der BaFin mitzuteilen war. Dies nahm der Gesetzgeber 2012 zum Anlass, die Mitteilungspflichten nach dem WpHG auf (Finanz-)Instrumente auszuweiten, die es ihrem Inhaber aufgrund ihrer Ausgestaltung “ermöglichen”, Stimmrechtsaktien zu erwerben. Ausdrücklich beabsichtigt war, einen weiten Auffangtatbestand zu schaffen, um künftige Umgehungen der Beteiligungstransparenz und das “Anschleichen” an börsennotierte Unternehmen zu verhindern.Die BaFin nahm die offene Formulierung des Gesetzes zum Anlass, die Mitteilungspflicht sehr weit auszulegen. “Bezieht sich die Gesellschaftervereinbarung auf den Bezug von Aktien, so stellt (…) [sie] ohne Weiteres ein (Finanz-)Instrument dar.” (Emittentenleitfaden, S. 142). Bei Kapitalmarktteilnehmern wie auch beim weit überwiegenden Teil der rechtlichen Literatur stößt diese Pauschalisierung zu Recht auf großes Unverständnis. Wie dargestellt, dienen Aktionärsvereinbarungen meist der Bündelung bereits vorhandener Einflussmacht. Sie sollen den Status quo sichern und gerade nicht den unbemerkten Hinzuerwerb von Stimmrechten in der Person eines einzelnen Aktionärs ermöglichen.Weit überwiegend weisen Aktionärsvereinbarungen auch keinerlei Ähnlichkeit zu Call-Optionen oder Cash Settled Equity Swaps auf. Dem Gesetzgeber kam es aber gerade auf solche oder vergleichbare Instrumente an. Nach der Gesetzesbegründung weist ein Instrument nur dann den notwendigen Bezug zu Aktien auf, wenn es eine von der Kursentwicklung der Aktie abhängige Renditechance oder ein entsprechendes Renditerisiko vermittelt. Ihm muss also ein spekulatives Element zugrunde liegen. Denn nur dann besteht auch ein wirtschaftlicher Anreiz für die Parteien des Instruments, Stimmrechtsaktien zu übertragen. Nur wenn das Instrument seinem Inhaber erlaubt, Aktien günstiger als auf dem Markt zu erwerben oder teurer zu verkaufen, wird er es dazu auch einsetzen. Solange Aktionärsvereinbarungen derart ausgestaltet sind, dass sie weder einen rechtlichen Anspruch auf die Übertragung von Stimmrechtsaktien einräumen noch einen vergleichbaren wirtschaftlichen Anreiz vermitteln, eine solche Übertragung vorzunehmen, sind sie nicht mitteilungspflichtig. Die jüngst geänderte Fassung der relevanten Vorschriften des WpHG bestätigt dies: Mitteilungspflichtig sind demnach nur solche Instrumente, die ihrem Inhaber entweder ein unbedingtes Recht auf Erwerb von Stimmrechtsaktien verleihen oder “eine vergleichbare wirtschaftliche Wirkung” wie solche Rechte haben. Auch das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main hat sich dem angeschlossen. Transparenz sei kein Selbstzweck; gerade Auffangregelungen mit offenem Tatbestand seien nicht nur anhand ihres Wortlauts, sondern auch eng anhand des gesetzgeberischen Willens und ihres Sinn und Zwecks auszulegen. Mit den noch unveröffentlichten Urteilen ist ein längst überfälliger Schritt weg von einer stetig zunehmenden und für die Marktteilnehmer kaum noch nachvollziehbaren Informationsflut hin zu einem ausgewogenen Informationsregime getan. Das letzte Wort ist aber möglicherweise noch nicht gesprochen. Das Gericht hat eine Berufung gegen die Urteile zugelassen.