Im Investment Banking steht ein Aderlass bevor

Roland-Berger-Studie identifiziert Stellschrauben auf der Kostenseite - Bis zu 20 Prozent Überkapazitäten: 40 000 Jobs in Gefahr

Im Investment Banking steht ein Aderlass bevor

Stimmen die Stellgrößen einer Studie von Roland Berger, dann muss sich das Investment Banking auf einen harten Ausleseprozess einstellen. 40 000 Stellen drohen global wegzufallen.bg München – Auch wenn es in diesem Jahr aufwärts geht für die Investmentbanken, so stehen die Institute doch mittelfristig vor weiteren harten Anpassungen. Das ist das Fazit einer Studie der Unternehmensberatung Roland Berger, die den Abbau weiterer 40 000 Arbeitsplätze weltweit über das bisherige Maß hinaus prophezeit. Seit Mitte 2011 hat die Branche 15 000 Stellen abgebaut, angekündigt sind zusätzliche 25 000.Damit verschärft sich der Ausleseprozess im globalen Investment Banking, zu dem Roland Berger bislang 14 Institute zählt. Innerhalb von drei bis fünf Jahren bleiben vielleicht nur noch fünf Adressen mit dem Anspruch eines voll skalierten Geschäftsmodells über alle Produktebenen und Regionen übrig, so die Consultants. Eine solche These ist nicht neu, Roland Berger setzt bei ihren Handlungsempfehlungen vor allem auf der Kostenseite an. Denn Ausgangspunkt der Analyse ist, dass sich die operativen Erträge der Branche seit Anfang 2010 bei rund 60 Mrd. Euro pro Quartal einzupendeln scheinen – dies könne bei aller Volatilität “die neue Realität” darstellen. In guten Jahren kommt die Branche bislang auf operative Erträge von mehr als 300 Mrd. Euro im Jahr.Im laufenden Geschäftsjahr stehen die Zeichen jedenfalls auf Erholung, die operativen Erträge sollten zumindest um 10 % auf rund 250 Mrd. Euro zulegen, die Eigenkapitalrendite (ROE) nach Steuern sollte mit 11 % (i.V. 7 bis 8 %) wieder im zweistelligen Bereich landen – ohne Berücksichtigung der Basel-III-Regeln, denn unter diesem Regime würden nur 8 % (5 %) Rendite bleiben (siehe Grafik). Und dabei haben die Banken bereits kräftig Risikoaktiva (RWA) abgebaut sowie Kosten gesenkt. Wobei die europäischen Banken viel kräftiger Risikoaktiva abbauen als ihre US-Konkurrenz, die es nicht so eilig hat, die Basel-III-Regeln zu erfüllen – wenn überhaupt, möchte man angesichts der jüngsten Entwicklungen anfügen.Alle Bemühungen auf der Kostenseite werden von den strengeren Kapitalregeln aber überkompensiert, befürchten die Autoren der Studie. Die bisherigen Maßnahmen inklusive des Abbaus von 25 000 Stellen dürften die Kosten der Industrie kumuliert um 6 bis 7 Mrd. Euro entlasten, der Abbau von Riskoaktiva verlangsame sich aber. Die Folge: Mittelfristig ist nur ein ROE von 9 % möglich, sollten die operativen Erträge auf dem Niveau von 60 Mrd. Euro pro Quartal verharren. Damit täte sich ein beträchtliches “Profit Gap” zu den ROE-Zielen der Branche von 12 bis 15 % (siehe Grafik) auf.Drei Stellschrauben hat Roland Berger identifiziert, um die Renditelücke zu schließen. Erstens könnten die Risikoaktiva um weitere 20 % reduziert werden, was allerdings zulasten der operativen Erträge (weniger zinstragende Vermögenswerte) geschähe bzw. zu einer Verlagerung von Risiken in den Bereich der sogenannten Schattenbanken führe – im Sinne der Finanzstabilität wurde dies zuletzt sehr kritisch diskutiert.Zweitens könnte die Kostenbasis um weitere 15 % gekappt werden. Selbst wenn die Boni begrenzt würden, müssten besagte 40 000 Stellen wegfallen, hieß es. Ausgangswert sind 500 000 Stellen im weltweiten Investment Banking Mitte 2011. Nun gehe es um strukturelle Kosten, sodass wirklich Kapazitäten aus dem Markt genommen würden. Es müsste beispielsweise ein stärkeres Pooling von Teams über Regionen und Sektoren stattfinden. Führende Adressen wie Goldman Sachs, J.P. Morgan und Deutsche Bank hätten bereits Schritte in diese Richtung unternommen. Insgesamt müsse die Branche eine stärker industrialisierte Herangehensweise über Produktlinien und regionale Plattformen hinweg entwickeln, um Synergien zu schaffen, schreibt Roland Berger ihr ins Stammbuch. Zudem sei der Generationswechsel von (mit höheren Fixgehältern ausgestatteten) älteren Angestellten hin zum (geringer entlohnten) Nachwuchs zu beschleunigen, so eine Empfehlung.Drittens schlagen die Berater Preiserhöhungen von rund 10 % vor. Auf diese Weise würden die Klienten daran beteiligt, Basel-III-Effekte abzufedern. Dies dürfte wiederum stark vom künftigen Wettbewerbsumfeld abhängen – wobei Roland Berger davon ausgeht, dass im Konsolidierungsprozess 15 bis 20 % der Kapazitäten verschwinden werden. Dies wiederum würde den verbleibenden Marktteilnehmern, ob global oder in der Nische, Wachstumsmöglichkeiten und damit Skaleneffekte verschaffen. Manche operative Funktion könnte auch in separate Einheiten ausgelagert werden, bei anderen Aufgaben könnten Partnerschaften einen Ausweg bieten.Die Chefs der globalen Investmentbanken stehen jedenfalls vor “harten Entscheidungen”, so der Titel des abschließenden Kapitels sowie der gesamten Studie mit dem Titel “Tough Choices”. Die Herausforderung bestehe darin, die kurzfristige Performance in Einklang zu bringen mit der mittelfristigen Gesundung des gesamten Sektors unter der Prämisse mehr oder weniger stagnierender operativer Erträge.—– Wertberichtigt Seite 8