ENDE DER GEWISSHEITEN

Im Prinzip braucht man einen Swift-Klon

Unilateralismus der USA schneidet einseitig von den Amerikanern sanktionierte Länder vom globalen Netz ab - Auf der schwierigen Suche nach Alternativen

Im Prinzip braucht man einen Swift-Klon

Von Karin Böhmert, FrankfurtGlobalisierung ist keineswegs ein Phänomen der neueren Zeit. Sie ist so alt, wie es grenzüberschreitenden Handel gibt. Ein prägnantes Beispiel dafür ist die Seidenstraße, auf deren Handelsroute unzählige Länder ihre Waren und damit auch Währungen seit Jahrhunderten austauschen. Ziel ist es seit jeher, die mit dem Handel zusammenhängenden Zahlungen zu vereinfachen. Wunder PunktDas ist genau der wunde Punkt, den sich Mächte wie die USA zunutze machen, indem sie ein Land wie den Iran vom Zahlungsstrom abknipsen, um ihre politischen Vorstellungen durchzusetzen. So hatte Anfang Mai 2018 US-Präsident Donald Trump den Ausstieg aus dem Atom-Deal mit dem Iran angekündigt und bis November alle Sanktionen wieder in Kraft gesetzt, die infolge des Abkommens aufgehoben worden waren. Dasselbe gilt für Drittländer, die Geschäfte mit dem Iran tätigen. Sanktioniert sind bei Geschäften mit dem Iran unter anderem nicht nur die Verwendung des US-Dollar und des amerikanischen Finanzsystems, sondern auch Finanznachrichtendienste wie Swift.Warum ist Swift so bedeutend im internationalen Zahlungsverkehr? Ein Handelsgeschäft erfordert nicht nur Zahlungsströme innerhalb eines Landes oder über dessen Grenzen hinweg, sondern es benötigt auch die mit der Zahlung zusammenhängenden Informationen über das Grundgeschäft, seien es individuelle Instruktionen, Bestätigungen oder Berichte. Bis vor über 40 Jahren wurden diese Informationen in teils ellenlangen, manuell und in allen Sprachen dieser Welt verfassten papierhaften Telexen separat zur Zahlung verschickt. Das war wenig effizient und zudem fehleranfällig. 239 Banken aus 15 Ländern gründeten deshalb 1973 ein Gemeinschaftsunternehmen, die Society for Worldwide Interbank Financial Telecommunication (Swift) mit Sitz in Brüssel. Barrieren überwindenZiel war es, einen weltweiten elektronischen Finanznachrichtendienst aufzubauen. Gemeinsame Standards wurden festgelegt, um Sprachbarrieren und Systemgrenzen zu überwinden und eine nahtlose, automatische Übermittlung sowie den Empfang und die Verarbeitung von Finanznachrichten zwischen den Nutzern zu gewährleisten. Beim Start von Swift im Jahr 1977 waren bereits 518 Finanzinstitute aus 22 Ländern dabei. Schon in den ersten zwölf Monaten nach dem Start liefen 10 Millionen Nachrichten über das Swift-System.Seitdem hat sich Swift rasant weiterentwickelt, neue Dienstleistungen etabliert und Innovationen vorangetrieben. Immer mehr Finanznachrichten laufen über Swift bis in alle Ecken der Welt (siehe Grafik). 2017 waren es weltweit 7,1 Milliarden Messages nach 4,6 Milliarden nur fünf Jahre zuvor. Im Durchschnitt sausen täglich 28 Millionen Nachrichten über das Swift-Netz, Tendenz steigend. Heute sind über 11 000 Banken und Wertpapierdienstleister, Marktinfrastrukturanbieter und Unternehmenskunden in mehr als 200 Ländern weltweit an das Swift-Netz angeschlossen. Wichtig für den AußenhandelDoch das globale Netz bekommt Risse, denn nicht nur Iran fehlt seit Anfang November, auch Forderungen nach neuen Sanktionen gegen Russland werden lauter. Neben dem Ukraine-Konflikt ist den USA der Bau der Gaspipeline Nord Stream 2 durch die Ostsee ein Dorn im Auge. In der Bundesregierung fürchtet man, dass die US-Regierung Sanktionen gegen Firmen verhängen könnte, die am Bau und Betrieb der Pipeline beteiligt sind. Droht auch Russland wieder vom Swift-Netz abgeschaltet zu werden aufgrund unilateraler Sanktionen? Und demnächst China? Man sollte darauf vorbereitet sein, denn auch diese Länder sind für Deutschlands Außenhandel wichtig. Das Kernproblem ist also die Frage, wie man die Souveränität über den eigenen Außenhandel in einer global vernetzten Welt beibehalten kann.Man könnte auch den Spieß umdrehen und die USA vom Swift-Netz abkoppeln. Noch werden rund 60 % des Welthandels in Dollar abgerechnet, doch infolge des US-amerikanischen Unilateralismus, mit dem auch globale Zahlungsdienste wie Swift instrumentalisiert werden, wenden sich immer mehr Länder von den USA, vom Dollar und dem US-Finanzsystem ab. Sie bauen an ihren eigenen Netzwerken, allen voran in Asien. Doch das Problem beginnt schon damit, dass die chinesische Währung Yuan nicht frei konvertierbar ist. Russland hat immerhin bereits ein eigenes Inlandsnetzwerk aufgebaut, das hocheffizient sein soll. Diesen alternativen Netzwerken könnten sich einseitig von den USA sanktionierte Länder theoretisch anschließen. Anonym über BlockchainAls Alternative werden gerne auch auf der Blockchain basierende Lösungen angeführt. Ziel wäre es, dadurch eine Anonymisierung der Teilnehmer zu erreichen. Fraglich ist aber, ob gerade Länder wie der bereits wirtschaftlich stark geschwächte Iran in der Lage wären, eine derartige Hochtechnologie umfassend in kürzester Zeit aufzubauen. Scheitern dürfte ein solches Vorhaben nicht zuletzt an den vorzuhaltenden hohen Rechnerkapazitäten und dem enormen Stromverbrauch, von der Frage, wie in einem solchen Konstrukt Geldwäscheprävention betrieben werden sollte, einmal ganz zu schweigen.Im Prinzip braucht man einen Swift-Klon, doch die gesamte Regulatorik und Technik sowie die Prozesse sind nicht so einfach und nicht so schnell kopierbar. Und der Klon bräuchte einen Sitz in einem Land, das nicht mit den USA politisch oder außenwirtschaftlich verbunden ist. Auch andere Länder bzw. deren Unternehmen und Banken, die ihre Zahlungsnachrichten über den Swift-Klon laufen lassen würden, dürften keine Verbindungen zu den USA haben. Das dürfte schwierig werden und für viele nicht erstrebenswert sein angesichts der Dominanz der USA im Welthandel sowie bei Finanztransaktionen und den dabei zu erzielenden Profiten.