IM BLICKFELD

Im Retail-Börsenhandel werden Marktanteile umverteilt

Von Christopher Kalbhenn, Frankfurt Börsen-Zeitung, 14.6.2018 Nach einem nicht gerade berauschenden Jahr 2017 erleben die Börsenbetreiber im laufenden Jahr ein Comeback. Waren die wertmäßigen Handelsumsätze und die Zahl der Transaktionen im...

Im Retail-Börsenhandel werden Marktanteile umverteilt

Von Christopher Kalbhenn, FrankfurtNach einem nicht gerade berauschenden Jahr 2017 erleben die Börsenbetreiber im laufenden Jahr ein Comeback. Waren die wertmäßigen Handelsumsätze und die Zahl der Transaktionen im zurückliegenden Jahr nach Angaben der World Federation of Exchanges um 2,6 % und 5,1 % gesunken, ziehen die Aktivitäten im laufenden Turnus wieder an, getrieben unter anderem von deutlich höheren Marktschwankungen.Im Inland werden jedoch nicht alle Boote von der steigenden Flut gehoben. Vielmehr zeigen die Handelsaktivitäten der vier größten deutschen Wertpapierhandelsplattformen deutlich von einander abweichende Trends. In den ersten fünf Monaten des Jahres ist der Umsatz der mit Abstand größten deutschen, von institutionellen Marktteilnehmern bestimmten Plattform Xetra der Deutschen Börse, um nahezu 27 % gestiegen. Unter den Retail-Börsenplattformen ragt die Tradegate Exchange mit einem um rund 29 % höheren Umsatz heraus. Dagegen müssen die Börse Stuttgart und die Börse Frankfurt mit Rückgängen um 12,5 und 6,7 % im bisherigen Jahresverlauf Federn lassen.Mehrere Faktoren haben zu dieser divergierenden Entwicklung der Marktplätze beigetragen, durch die sich nennenswerte Marktanteilsveränderungen im Retail-Börsenhandel (ohne Xetra-Handel der Deutschen Börse) ergeben. Bei der Börse Stuttgart haben vor allem zwei Entwicklungen negativ eingeschlagen. So ist ihr Umsatz im Rentenhandel in den ersten fünf Monaten um nahezu 38 % auf 4,8 Mrd. Euro eingebrochen. Zwar haben auch die anderen Retail-Plattformen in dem Geschäft Einbußen erlitten. Jedoch hat es bei ihnen ein wesentlich kleineres Gewicht: An der Börse Frankfurt und der Tradegate Exchange sind die Anleiheumsätze um 18,9 % und 17,4 % auf 1,74 Mrd. und 350 Mill. Euro gesunken. Ferner stagniert das für die Börse Stuttgart entscheidende Retail-Derivate-Geschäft. Zwar hat hier die erhöhte Volatilität die Hebelprodukte mit einem Umsatzanstieg um 24,5 % auf 8,5 Mrd. Euro in Schwung gebracht. Dafür ist aber das Volumen der Anlageprodukte um 24 % auf 6,2 Mrd. Euro gesunken, so dass das Gesamtsegment einen Rückgang um 2 % auf 14,4 Mrd. Euro erlitt. Zudem hat die Börse Stuttgart im Aktienhandel (-5,9 % auf 7,3 Mrd. Euro) an Boden verloren. Treiber Best ExecutionZur Umverteilung der Marktanteile unter den deutschen Retail-Börsen trägt darüber hinaus die Regulierung, d. h. Mifid II, bei. Viele Banken haben zum Jahreswechsel ihre Best Execution Policy unter Berücksichtigung der Mifid-II-Kriterien neu angepasst. Im Ergebnis entwickeln immer mehr Häuser eine Best Execution Policy, die zugunsten der Preisführerbörsen, d. h. der Marktplätze, die wie etwa die Tradegate Exchange oder die Quotrix-Plattform der Börse Düsseldorf keine Börsengebühren erheben, wirkt. Benachteiligt sind traditionelle Plattformen wie die Börse Stuttgart oder die Börse Frankfurt, die Gebühren erheben. Bei Letzterer beträgt sie ca. 8 Basispunkte des Transaktionsvolumens.Das Problem wird sich für die traditionellen Handelsplätze noch verschärfen. Bis zur Jahresmitte muss jede Börse ihre Qualitätskriterien publizieren, und die Handelsteilnehmer bzw. Intermediäre müssen ihre Best Execution Policy unter Einbeziehung dieser Kriterien anpassen. Wesentliche Kriterien für die Banken bei der Orderausführung sind unter den neuen regulatorischen Bedingungen neben einigen weichen Faktoren der beste Ausführungspreis und die Kosten, d. h. die Börsengebühren. Sie kommen an den Preisführerbörsen kaum noch vorbei. Generell wird in der Branche erwartet, dass sich der Trend auch aufgrund der sich verändernden Endkundenpräferenzen weiter verstärken wird. Letztlich interessieren sich gerade jüngere Anleger nicht mehr dafür, wo ihre Order ausgeführt wird, sondern erwarten, dass ihre Bank – wie regulatorisch vorgeschrieben – ihre Order vollautomatisch dahin lenkt, wo sie am günstigsten ausgeführt werden kann. Der Anteil der direktionalen Orders, bei denen der Kunde explizit seinen Intermediär anweist, seine Order an an einen bestimmten Marktplatz wie etwa die Börse Frankfurt zu leiten, wird voraussichtlich weiter zurückgehen. Ein Brancheninsider vermutet, dass der direktionale Orderflow einen wesentlichen Anteil an den Umsätzen der traditionellen Börsen hat, ihrer Handelsaktivität aber auch einen Sockel einzieht. Darauf will man sich in Frankfurt aber nicht verlassen. Der Börsenrat der Frankfurter Wertpapierbörse hat eine erneute Initiative gestartet, um den Rückgang der Handelsumsätze zu stoppen und nach Möglichkeit umzukehren. Erreicht werden soll das durch noch engere Geld/Brief-Spannen. Gegenmaßnahmen sind dringend geboten. Denn der Umsatz des Marktplatzes, der 2016 ein Tief von 43,9 Mrd. erreicht und sich im zurückliegenden Jahr mit 46,7 Mrd. Euro erholt hat, droht einen neuen Tiefststand zu erreichen.Trotz des tendenziell den Preisführerbörsen in die Hände spielenden Wandels hat unter ihnen in diesem Jahr allerdings nur die Tradegate Exchange profitiert. Die im Vorjahr sehr stark zulegende Quotrix ist wieder zurückgefallen, behauptet aber ihren Platz als fünftgrößte deutsche Handelsplattform. Ursache des Rückgangs ist die Entscheidung der DWP Bank zur Jahreswende, ihren Aktien-Orderflow, den sie zuvor sowohl an Quotrix als auch an Tradegate geleitet hatte, nur noch an Tradegate zu leiten. Quotrix wurde von der DWP Bank für die weniger Volumen generierenden Schuldtitel und börsengehandelten ETP-Produkte zum “bestmöglichen Ausführungsplatz” erklärt. Im Ergebnis haben der Best-Execution-Trend in Kombination mit der Entscheidung der DWP Bank zu einer deutlichen Erhöhung des Marktanteils der Tradegate Exchange im börslichen Retail-Handel geführt und damit ihre führende Stellung in dem Geschäft verstärkt. Nach 57,5 % im Januar 2017 und rund 60 % im zurückliegenden Dezember erhöhte sich ihr Marktanteil im börslichen Retail-Aktienhandel (d. h. ohne Xetra-Handel) im Januar auf 66 %.