LEITARTIKEL

Im Schraubstock

Der Regierungswechsel war für Italiens Banken ein Segen. Ihre Fundingkosten sind seither um die Hälfte gesunken. Die Refinanzierung, die vorher für manche Institute problematisch war, ist deutlich leichter geworden. Der niedrigere Spread beschert...

Im Schraubstock

Der Regierungswechsel war für Italiens Banken ein Segen. Ihre Fundingkosten sind seither um die Hälfte gesunken. Die Refinanzierung, die vorher für manche Institute problematisch war, ist deutlich leichter geworden. Der niedrigere Spread beschert den auf riesigen Beständen von Staatsanleihen sitzenden Instituten 2019 brutto einen unverhofften “Sondergewinn” von brutto etwa 2 Mrd. Euro.Das ist aber nur eine Atempause. Zwar haben die Banken des Landes ihre Hausaufgaben gemacht und mehr als 90 % ihrer faulen Kredite abgebaut. Doch Niedrigzinsen, hohe Regulierungs- und Fixkosten sowie Investitionen in die Digitalisierung haben eine Konsolidierungswelle ausgelöst.Es gab eine regelrechte Tabula rasa. Die Sparkassen im Land lassen sich inzwischen fast an den Fingern einer Hand abzählen. Auch viele Volksbanken haben sich zusammengeschlossen oder sind – oft stark geschwächt bzw. sogar pleite – aufgekauft worden, etwa von Intesa Sanpaolo oder Crédit Agricole. Und die Genossenschaftsbanken haben sich unter dem Dach großer Holdings zusammengeschlossen.Diese Entwicklung setzt sich fort. Die Anzeichen, dass sich die Banken Ubi Banca und BPM beziehungsweise BPER zu einer im wirtschaftlich starken Norden schlagkräftigen Großbank zusammenschließen, verdichten sich. Und im Süden bereitet sich eine staatliche Rettungsaktion zugunsten der hoch verschuldeten Volksbank von Bari vor, die Nukleus einer süditalienischen Großbank werden soll. Die Genueser Carige ist gerade von den Privatbanken “gerettet” worden und soll Teil einer Gruppe um die Trientiner Genossenschaftsholding CCB werden.Doch “big” heißt nicht unbedingt “beautiful”. Die Schwächen der neu entstehenden Institute sind evident. Ohne Kapitalerhöhungen, die nur schwer zu realisieren sind, wird es nicht gehen. Die Institute haben strukturelle Probleme, viel zu viel Personal und Filialen und oft gibt es Überschneidungen. Einige wie Carige, Volksbank von Bari oder Monte dei Paschi (MPS), die 2017 nur mit einer Milliardenspritze vom Staat vor dem Konkurs “gerettet” wurde, sitzen auf vielen faulen Krediten. Die von der EU verlangte Privatisierung der zu 68 % staatlichen MPS birgt Sprengpotenzial. Die Europäische Zentralbank (EZB) hat jetzt eingegriffen und die Übernahme der kleinen Sparkasse von Cento durch die Volksbank von Sondrio verhindert. Die EZB will verhindern, dass neue kapitalschwache Zombies entstehen, die Rom zu weiteren Rettungsaktionen veranlassen. Das ist ein Warnschuss der EZB.Zwar zählen Unicredit, Intesa Sanpaolo und die Investmentbank Mediobanca zu den ertragsstärksten europäischen Instituten. Aber selbst die sehr stabil scheinende Unicredit ist nicht unverletzlich. Als erstes italienisches Institut will Unicredit für sehr hohe Einlagen ab 1 Mill. Euro Negativzinsen verlangen. CEO Jean Pierre Mustier hat fast alle nichtstrategischen Beteiligungen verkauft sowie faule Kredite und Personal stark abgebaut. Dass nun vorsorglich die Ausgliederung der ausländischen Bankaktivitäten vorbereitet wird, lässt tief blicken – sowohl was mögliche Entwicklungen in Italien als auch was die Entwicklung des Bankensystems und speziell von Unicredit betrifft. Viele Beobachter glauben, dass das Institut allein zu schwach aufgestellt ist und zu einem Bündnis auf internationaler Ebene gezwungen sein könnte. Als möglicher Partner wird neben Société Générale die Commerzbank genannt.Selbst bei der sehr stabilen und ertragsstarken Mediobanca ist Unfrieden eingekehrt, seit EssilorLuxottica-Großaktionär Leonardo Del Vecchio eine Beteiligung erworben hat, die er aufstocken will. Er kritisiert CEO Alberto Nagel für dessen Diversifizierungspolitik, aber auch dafür, die rentable Generali-Beteiligung nicht zu verkaufen. Konsolidierungspartner könnte die von Ex-Regierungschef Silvio Berlusconi kontrollierte Bank Mediolanum sein.Auch die Digitalisierung treibt Veränderungen voran. Neben Tech-Unternehmen wie Amazon oder Retail-Konzernen drängt etwa die Digitalbank Illimity in den Markt. Mit deutlich niedrigeren Kosten setzt sie auf attraktive Nischen und kann Konditionen anbieten, von denen Universalbanken nur träumen können.Ob der Trend zur Größe für die stark mittelständisch geprägte Wirtschaftsstruktur des Landes ein Segen ist, das muss sich erst zeigen. Die Konsolidierung könnte unerwünschte Nebenwirkungen haben.——Von Gerhard BläskeBig heißt für Italiens Banken nicht unbedingt beautiful. Ohne Kapitalerhöhungen, die nur schwer zu realisieren sind, wird es nicht gehen.——