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Immobilien - verzweifelt gesucht, aber kaum gefunden

Von Thomas List, Frankfurt Börsen-Zeitung, 1.9.2016 Fast jeder möchte sie haben. Aber es gibt einfach nicht genug. Gemeint sind Gewerbeimmobilien und Wohnportfolien. Und gemeint sind Top-Immobilien, Core genannt, in erster Linie in den deutschen...

Immobilien - verzweifelt gesucht, aber kaum gefunden

Von Thomas List, FrankfurtFast jeder möchte sie haben. Aber es gibt einfach nicht genug. Gemeint sind Gewerbeimmobilien und Wohnportfolien. Und gemeint sind Top-Immobilien, Core genannt, in erster Linie in den deutschen Metropolen von Hamburg über Berlin, Köln/Düsseldorf, Frankfurt und Stuttgart bis München. Kräftiges MinusIm ersten Halbjahr gingen die Transaktionen mit deutschen Gewerbeimmobilien und Wohnportfolien im Vergleich zum ersten Halbjahr 2015 um satte 45 % auf 22,7 Mrd. Euro zurück (s. Grafik). Am größten waren die Rückgänge bei den Portfoliodeals, vor allem Wohnen, aber auch Gewerbe. Um deutlich weniger, aber immer noch um rund ein Viertel auf rund 18 Mrd. Euro sackten die Umsätze mit Gewerbeimmobilien hierzulande ab. Auffällig waren Frankfurt mit einem Minus von fast 50 % und Berlin mit minus einem Drittel. Das Führungstrio nach Umsätzen bilden nach wie vor die Bundeshauptstadt, Hamburg und München mit jeweils rund 2 Mrd. Euro Transaktionsvolumen.Nachgefragt werden unverändert die risikoarmen Core-Objekte, angesichts der politischen Krisen (Brexit, Türkei, Terroranschläge) mehr denn je. Bei den Bestandshaltern ist die Bereitschaft aber nach wie vor nicht groß, sich von diesen Ertragsperlen zu verabschieden. Gerade Versicherer, Pensionskassen und Versorgungswerke sind auf verlässliche Cash-flows angewiesen. Im Niedrigzinsumfeld ließen sich ähnlich ertragsstarke Investitionsobjekte nur zu deutlich erhöhten Risiken finden. Ein Verkauf der guten Immobilien kommt daher nur für die Wenigsten infrage.Was können Investoren also tun, wenn sie ihre Immobilienquote (weiter) erhöhen wollen? An einem höheren Risiko und einer Verbreiterung der möglichen Zielobjekte sowohl geografisch als auch nach Nutzungsarten führt kein Weg vorbei. Der Immobiliendienstleister Savills kündigt für das zweite Halbjahr eine “leichte” Angebotserhöhung an. Ein Großteil des Angebots werde sich aber auch weiterhin auf das Non-Core-Segment konzentrieren, heißt es dort weiter. Mehr Zweit- und DrittlagenGanz klar in diese Richtung zeigt eine Auswertung von JLL. Danach hat die Bedeutung von Zweit- und Drittlagen beim Transaktionsvolumen von Büroimmobilien in den sieben großen Metropolen Deutschlands in den vergangenen Jahren kontinuierlich zugenommen. Entfielen 2013 noch 46 % auf Top-Lagen, waren es von Januar bis Juni dieses Jahres nur noch 30 %. Gleichzeitig schoss der Anteil der Zweitlagen von 46 % auf 58 % nach oben. Helge Scheunemann, Head of Research JLL Germany, schließt daraus: “Es muss also nicht immer die Top-Lage sein, aber das Objekt an sich sollte gewisse Bedingungen erfüllen – langlaufende Mietverträge etwa, Top-Qualität oder Mieterbonität.”Zu berücksichtigen ist dabei auch, dass nicht alle Unternehmen eine Top-Adresse benötigen. Dazu zählen nach Angaben von JLL in erster Linie Telekommunikationsunternehmen, IT- oder Industrieunternehmen, also Branchen, denen eine niedrigere Miete wichtiger ist als eine zentrale Lage. Für Scheunemann zeigt sich das Ergebnis dieser (Um-)Orientierung der Investoren in der Wertentwicklung. So hätten sich die Kapitalwerte von Top-Büroimmobilien in Zweitlagen seit dem Tiefpunkt zum Halbjahr 2009 um fast 50 % erhöht und verglichen mit der Wertentwicklung der Top-Lagen in den letzten beiden Jahren überproportional zugelegt. Bevorzugtes ZielKlar ist aber auf jeden Fall: Deutschland bleibt bei Investoren ein bevorzugtes Investitionsziel. Das gilt sowohl für nationale als auch für internationale Investoren. Knapp zwei Drittel des Investmentumsatzes entfielen im ersten Halbjahr auf deutsche Adressen, heißt es bei BNP Paribas Real Estate. Ausländische Investoren sind etwas schwächer als im Vorjahr vertreten, was in erster Linie an dem deutlich geringeren Transaktionsvolumen bei Portfolien liegt. Dort lag der Ausländeranteil im ersten Halbjahr bei fast 58 %, bei Einzelobjekten waren es nur knapp 27 %. Deutlich höhere VoluminaDas zweite Halbjahr dürfte wieder deutlich anziehende Transaktionsvolumina verzeichnen. Das gilt insbesondere für Portfolien. So wurde dieser Tage von einem Interesse des Finanzinvestors Blackstone an den Bestandsimmobilien von Officefirst (ehemals IVG) berichtet (vgl. BZ vom 31. August). Der Nettoinventarwert der 97 Bürogebäude wie “The Squaire” am Frankfurter Flughafen wird auf 1,2 bis 1,3 Mrd. Euro geschätzt.Auf jeden Fall werden die Renditen weiter sinken. Bei Büros liegt die Netto-Anfangsrendite in Berlin, München, Hamburg und Frankfurt knapp unter oder um die 4 %, je nach Quelle. Bei Logistik gibt’s mit rund 5 % deutlich mehr, das Risiko ist aber auch höher. Für das Gesamtjahr 2016 ist bei Gewerbeimmobilien ein Transaktionsumsatz von bis zu 50 Mrd. Euro möglich. Auswirkungen des Brexit, sprich Umzüge in größerem Ausmaß insbesondere nach Frankfurt, sind dabei noch gar nicht berücksichtigt. 2015 wurden mit 55 Mrd. Euro alle Rekorde gebrochen.