Impulse für die Kapitalmarktunion
Eine hochrangige Expertengruppe hat der EU-Kommission Vorschläge vorgelegt, wie es mit der Kapitalmarktunion endlich vorangehen könnte. Von einer “neuen Vision” ist die Rede – und zugleich der Hoffnung, dass stärkere europäische Kapitalmärkte auch einen Beitrag zur Überwindung der Coronakrise liefern.ahe Brüssel – Eine Gruppe von 28 hochrangigen Finanzexperten aus der Industrie, Anlegerschutzverbänden und Aufsichtsbehörden haben die EU-Kommission zu einem dringenden Neustart bei der europäischen Kapitalmarktunion aufgefordert. Die heutige Realität sei, dass die fragmentierten und unterentwickelten Kapitalmärkte in der EU und die unzureichende Eigenkapitalfinanzierung die Erholung der Union nach der Krise schwächten und verlangsamten und die EU im Vergleich zu anderen Volkswirtschaften mit besser diversifizierten Finanzierungsstrukturen benachteiligten, hieß es im Abschlussbericht des sogenannten High Level Forum (HLF), das sich seit gut einem halben Jahr mit dem Thema beschäftigt.Das Forum schlägt der EU-Kommission 17 konkrete und miteinander verbundene Maßnahmen vor (siehe hierzu unten stehenden Gastbeitrag), die zu einem “Game Changer” werden sollen. Kommissionsvize Valdis Dombrovskis betonte, die Kapitalmarktunion sei ein wesentliches Element der EU-Strategie zur wirtschaftlichen Erholung nach der Corona-Pandemie. Er kündigte an, die HLF-Empfehlungen gründlich zu prüfen und im Frühherbst einen weiteren Aktionsplan zur Weiterentwicklung der Kapitalmarktunion vorzulegen.Von einzelnen Mitgliedern der Expertengruppe wurde im Zuge der Präsentation des Berichts auf sehr unterschiedliche Punkte verwiesen. So erklärte der Präsident des europäischen Börsenverbands FESE, Petr Koblic, die Empfehlungen sollten als ein Schritt zur stärkeren Unterstützung von Aktieninvestitionen von EU-Bürgern angesehen werden. Der Managing Director der Verbraucherschützer von Better Finance, Guillaume Prache, erklärte dagegen, der wichtigste Schritt, um den Bürgern als Investoren Zugang zu einfachen und kostengünstigen Anlageprodukten zu verschaffen, bestehe in einer fairen Finanzberatung.Für Union-Investment-Vorstand Alexander Schindler waren hingegen vor allem die Vorschläge zur Weiterentwicklung der Altersvorsorge wegweisend. Wenn es gelinge, die wesentlichen Punkte des Berichts umzusetzen, biete sich die einmalige Chance, den Zugang zu den Kapitalmärkten auf breiter Front zu verbessern, zeigte sich Schindler, der ebenfalls dem HLF angehörte, überzeugt.Lob kam vom Kapitalmarktverband AFME: Eine robuste Erholung nach der Pandemie und ein nachhaltiges langfristiges Wachstum könne nicht allein durch staatliche Unterstützungsprogramme und die Bereitstellung von Bankkrediten finanziert werden. Der Fondsverband BVI sieht vor allem die vorgeschlagene Einrichtung einer EU-weiten digitalen Plattform für Unternehmensdaten als hilfreich an und begrüßte auch, dass zum ersten Mal die neue Kategorisierung eines “qualifizierten Anlegers” im Gespräch sei – auch wenn Details dazu noch ausstünden.Nach Ansicht des EU-Abgeordneten Markus Ferber (CSU) kommt der HLF-Bericht genau zur richtigen Zeit, da das Thema Kapitalmarktunion auch vor dem Hintergrund des Brexit eine neue Dynamik gewinne: Europa müsse dringend tragfähige Alternativen entwickeln, um die Finanzierung der Realwirtschaft auf eine breitere Basis zu stellen, betonte er.