LEITARTIKEL

In der Fusionsfalle

Der Zusammenschluss der beiden Provinzial-Versicherer in Nordrhein-Westfalen ist überfällig. Zum sage und schreibe fünften Mal gehen die Unternehmen ihre Fusion an. Sie teilen den gleichen Namen, sind als öffentliche Versicherer fest in der...

In der Fusionsfalle

Der Zusammenschluss der beiden Provinzial-Versicherer in Nordrhein-Westfalen ist überfällig. Zum sage und schreibe fünften Mal gehen die Unternehmen ihre Fusion an. Sie teilen den gleichen Namen, sind als öffentliche Versicherer fest in der Sparkassengruppe verwurzelt, und ihre Hauptsitze liegen keine 150 Kilometer auseinander im selben Bundesland. Die Hochzeit scheiterte bisher immer an diversen Befindlichkeiten im Kreis der insgesamt sieben Eigentümer. Bei den Provinzial-Versicherern reden viele mit: die Kommunalpolitik über die Landschaftsverbände im Gesellschafterkreis, die Landespolitik dreier Bundesländer via Staatsvertrag und die Sparkassen. Auch im roten Lager herrschte in der Vergangenheit nicht immer Einigkeit.Die Chancen, dass es diesmal endlich klappt, stehen so gut wie nie. Der Konsolidierungsdruck ist größer denn je. Beide Provinzial-Versicherer zählen zu den mittelgroßen Gesellschaften, für die allein die Regulatorik zunehmend ein Kraftakt ist. Beide haben zudem zuletzt Marktanteile verloren. Landespolitische Querschüsse sind nicht zu erwarten, da der nächste Landtagswahlkampf in Nordrhein-Westfalen noch weit entfernt ist. Und maßgebliche Akteure geben Gas: Für die seit gut einem Jahr amtierende westfälische Sparkassenpräsidentin Liane Buchholz ist die Provinzial-Fusion eines ihrer Prestigeprojekte.Der Zusammenschluss ist auf den Weg gebracht. Der gemeinsam erarbeitete Vorschlag liegt auf dem Tisch, in den kommenden Tagen und Wochen beschäftigen sich Provinzial-Aufsichtsräte und Eigentümer-Gremien mit dem Papier. Ein weiterer Anlass für Optimismus: Bei vielen Knackpunkten haben sich die Anteilseigner bereits geeinigt. Das war beim vergangenen Fusionsversuch vor fünf Jahren nicht der Fall. Damals hatten die Provinzial-Vorstände ein Konzept vorgelegt, das die heiklen Punkte zunächst ausgeklammert hatte. Doch jetzt sind Lösungen für die Themen Rechtsform, künftiges Management und Standorte bereits gefunden.Und schon zeigt sich das Risiko, das dieser hochsensiblen Fusion innewohnt: Die Eigentümer müssen aufpassen, dass sie der neuen Provinzial nicht zu hohe Lasten aufbürden, weil die politische Rücksichtnahme zu ökonomisch unsinnigen Entscheidungen geführt hat. Beispiel gefällig? Die Standortfrage wirkt wie ein halbgarer Kompromiss. Um alle Interessen zu bedienen, sitzt die Holding künftig in Münster, der Schadenversicherer in Düsseldorf und der Lebensversicherer in Kiel. Sinn macht das für das operative Geschäft wenig, die interne Kommunikation wird erschwert, das Reisekostenbudget dürfte sich ausweiten. Denn auch in Zeiten von Videokonferenzen geht oft nichts über den persönlichen Kontakt.Die Eigentümer sitzen in der Falle: Kostensynergien sind ein wichtiger Bestandteil des Zusammenschlusses. Angesichts des hohen Aufwands, den eine Integration zweier Häuser mit sich bringt, müssen die Einsparungen signifikant sein. Auf bis zu 100 Mill. Euro wurden die möglichen Synergien beim vergangenen Versuch, der 2013 scheiterte, beziffert. Gleichzeitig wollen vor allem die Kommunal- und Landespolitiker mit aller Kraft Arbeitsplätze retten. Beides wird nicht gehen, wenn die Provinzial langfristig auf stabile Füße gestellt werden soll.Doch noch ist erst ein Stück des Weges geschafft und die Fusion längst nicht in trockenen Tüchern. Ungeklärt ist das Bewertungsverhältnis. Was bringen die Düsseldorfer und Münsteraner im ertragreichen Sachgeschäft auf die Waage, wie hoch sind die Risiken bei den vom Zinstief geplagten Lebensversicherern? An der Frage des Geldes scheitern viele Ehen. Doch wo ein Wille ist, findet sich auch ein Weg. Und dieser unbedingte Wille sollte endlich einmal da sein. Die Zeit drängt: Das leidige Thema Provinzial-Fusion muss endlich ein für alle Mal vom Tisch – zumal in einer Zeit, in der Versicherungsmanager ihre Kapazitäten eigentlich für andere Aufgaben bräuchten. Das Dauerzinstief hat die Branche nachhaltig erschüttert, die Digitalisierung stellt die Geschäftsmodelle der deutschen Assekuranz in Frage. Die strategischen Grundsatzentscheidungen, die Vorstände heute zu diesen Themen treffen, sind daher von enormer Bedeutung. Hier ist die volle Aufmerksamkeit und Konzentration gefragt. Die Provinzial-Eigner täten also gut daran, zügig zu einer Einigung über die Fusion zu kommen, selbst wenn zum Start die politischen Kompromisse für eine suboptimale Konstruktion des neuen Konzerns sorgen. Mit einem erneuten Aufschieben würden sich die Akteure erstens lächerlich machen und sich zweitens aus der Verantwortung stehlen. —–Von Antje KullrichDie Provinzial-Fusion in NRW ist überfällig, aber längst noch nicht beschlossene Sache. Mit dem Erfolgsdruck steigt die Gefahr fauler Kompromisse.—–