In der Krise die Weichen stellen
Gabriela PantringMitglied des Vorstands bei der NRW.BANKGanz langsam versucht sich Deutschland daran, die einschneidenden Coronamaßnahmen wieder zu lockern. Einzelhändler dürfen ihre Läden wieder aufschließen, Frisöre wieder Haare schneiden. Doch trotz Hilfspaketen und Sofortmaßnahmen plagen weiterhin viele Unternehmer Existenzsorgen. Denn auch wer sein Geschäft wieder öffnen kann, dessen Umsätze sind längst nicht wieder auf dem geplanten Niveau. Viele Unternehmen kämpfen mit Liquiditätsengpässen, fragilen Lieferketten und darum, ihr Geschäft zu stabilisieren. Und es ist ungewiss, wann und wie kräftig die Wirtschaft wieder an Fahrt aufnehmen wird. Eine Rückkehr zur Vor-Corona-Normalität ist nicht absehbar, vielmehr mehren sich stattdessen die Anzeichen für eine weltweite Rezession.Noch nie zuvor blickte der Mittelstand so pessimistisch in die Zukunft wie jetzt. Das belegen zahlreiche Studien und Umfragen wie das KfW-Ifo-Mittelstandsbarometer, in dem das Geschäftsklima im April um 26,0 Zähler sank. Da dieser historische Einbruch des Geschäftsklimas den ganz besonderen Umständen der Corona-Pandemie geschuldet ist und nicht etwa von genuin ökonomischen Faktoren getrieben, prognostiziert die KfW jedoch eine Erholung der Stimmung, sobald die Bremsen nicht mehr so fest angezogen werden müssen.Die Vergangenheit hat gezeigt, dass nach einer Krise die Marktanteile neu verteilt werden. Der Wiedereinstieg ist deshalb eine entscheidende Zeit, die eigene Unternehmensstrategie zu überdenken und den Grundstein dafür zu legen, in der Zeit nach der Krise durchzustarten. Dabei ist jedes Unternehmen einzigartig und steht vor ganz individuellen Herausforderungen. An die Finanzkrise vor gut zehn Jahren schlossen sich zwei Jahre an, in denen Nachfrage und Produktpreise niedriger als vorher waren – also auch viele Dienstleistungs- und Materialkosten. Wer dieses “Window of Opportunity”, das Zeitfenster der besonderen Möglichkeiten, für kluge Investitionen nutzt, steht langfristig vielleicht sogar besser da als vorher.Management und Geschäftsführung brauchen einen Plan, wie sich das Unternehmen auf die Zeit nach der Pandemie vorbereiten kann und welche Einzelschritte jetzt erforderlich sind. In etlichen Branchen geht es darum, einstmals gut funktionierende Geschäftsmodelle an neue Rahmenbedingungen anzupassen. Statt Messen in großen Hallen finden diese nun online statt. Herkömmliche Messestände sind zumindest auf absehbare Zeit nicht gefragt, stattdessen müssen sich die Aussteller auf eine völlig neue Art und Weise digital präsentieren. Hier schlägt die vielleicht bereits latent angedachte Digitalisierung plötzlich mit voller Wucht zu – und wer rasch und konsequent agiert, zählt zu den Gewinnern. Jetzt ist die Gelegenheit, Mitarbeiter in Zukunftstechnologien weiterzubilden und so das Fundament für eine breitere Angebotspalette zu legen.Ein gutes Beispiel ist die INperfektion GmbH aus dem vom Coronavirus besonders stark betroffenen nordrhein-westfälischen Kreis Heinsberg. Das innovative, junge Unternehmen, das im April 2017 gegründet wurde und inzwischen 30 Mitarbeiter beschäftigt, hat sich auf die Automatisierung von Prozessen für die Industrie 4.0 spezialisiert. Es gehörte zu den ersten Firmen, die schnell und unbürokratisch finanzielle Hilfe zugesagt bekommen haben. Eine unabhängige Beratung durch die Experten der NRW.BANK bildete die Grundlage, auf der das Geld in enger Kooperation mit Hausbank und Bürgschaftsbank NRW fließen konnte. Denn über Nacht waren INperfektion große Industrieprojekte weggebrochen, während gleichzeitig erhaltene Warenlieferungen finanziert werden mussten. Von der Förderberatung durch die NRW.BANK bis zur Zusage für ein Finanzierungspaket samt Bürgschaft über eine Summe in sechsstelliger Höhe vergingen Ende März gerade einmal acht Werktage.Im Gegensatz dazu gibt es auch Unternehmen, die von der Coronakrise weitgehend verschont wurden. Handwerksbetriebe haben beispielsweise nach wie vor volle Auftragsbücher und arbeiten ohne Unterbrechung. Hier und auch in anderen Branchen zahlt sich zusätzlich aus, wenn die bisherige Investitionsstrategie beispielsweise auf Energieeffizienz und Nachhaltigkeit ausgerichtet war. Denn was zunächst eine Investition bedeutet – beispielsweise in hochmoderne Heizungsanlagen, Automatisierungstechnik oder eine hybride Fahrzeugflotte -, das spart auf lange Sicht. Denn wer niedrige Fixkosten hat, hält in Phasen schwacher Konjunktur länger durch. Weil die Einnahmen wohl noch länger nicht wieder im gewohnten Maße sprudeln werden, während die Ausgaben für Personal und Material jetzt anfallen, sind zusätzliche Finanzierungen vonnöten. Auch die fälligen und sinnvollen Investitionen wollen finanziert werden. Förderbanken bieten unterschiedliche Förderprogramme an, um zukunftsgerichtete Investitionen zu ermöglichen. Seit Krisenbeginn hat die NRW.BANK insgesamt mehr als 1 Mrd. Euro aus Bundesförderprogrammen an betroffene Gründer und KMU in NRW vergeben. Außerdem berät sie intensiv zu den aktuellen Förderangeboten von Bund und Land und hat auch ihr eigenes Angebot in der Krise angepasst. Bei den Programmen im Hausbankenverfahren ermöglicht sie zum Beispiel Tilgungsaussetzungen. In dieser entscheidenden Phase darf es keine Kreditklemme geben. Denn in Nordrhein-Westfalen soll kein gutes Unternehmen an der Finanzierung scheitern.