Index zuerst - Fallstricke einer Anlage in ETFs

Der börsennotierte Indexfonds mit der niedrigsten Gebühr liefert nicht zwingend die beste Abbildungsqualität

Index zuerst - Fallstricke einer Anlage in ETFs

ETFs, börsengehandelte Indexfonds, werden immer beliebter und haben nach den Profis auch die Privatanleger auf sich aufmerksam gemacht. Allein in Europa verwalten ETFs per Ende 2018 ein Vermögen von 726 Mrd. Dollar, weltweit sind es sogar 4 685 Mrd. Dollar (1). Das Anlageziel eines ETF besteht in der möglichst genauen Abbildung eines Wertpapierindex für Aktien- oder Anleihenmärkte oder von Rohstoffpreisen. Die Berechnung von Indizes erfolgt nach klar definierten Regeln, damit sie nachvollziehbar bleibt.Ursprünglich diente ein Index als Marktbarometer und somit als Messlatte für die Performance des aktiven Fondsmanagers. Als Basiswert eines Finanzproduktes, beispielsweise in Form eines ETFs oder Zertifikats, sorgt ein Index für ausreichende Diversifikation und ermöglicht dem Anleger, mit dem Kauf eines einzigen Finanzinstrumentes in eine Vielzahl von Wertpapieren zu investieren.Bei einer Kapitalanlage ist zunächst die Frage zu klären, in welchen Index man überhaupt investieren möchte. Erst danach wählt man den passenden ETF aus. Am Beispiel einer Anlage in europäische Aktien lässt sich der Auswahlprozess exemplarisch skizzieren. Soll es ein hochliquider Blue Chip-Index wie der Euro Stoxx 50 oder ein sehr breiter Gesamtmarktindex wie der Stoxx Europe 600 sein? Sollen Aktien aus Gesamteuropa inklusive Wechselkursrisiken für Aktien auf Schweizer Franken oder Britische Pfund enthalten sein, oder will man sich auf Aktien innerhalb der Eurozone oder gar nur aus einem Land wie den Dax Index beschränken? Soll der Index eine Dividendenstrategie oder quantitative Faktorstrategien abbilden? Sollen nachhaltige Kriterien bei der Auswahl der Aktien und deren Gewichtung eine Rolle spielen? Geht es um die gezielte Investition in Aktien eines Sektors?Eine häufige Gewichtung der Kurse bei Aktienindizes ist die Free Float Marktkapitalisierung, bei der der Börsenwert der frei handelbaren Aktien unter Ausschluss der Festbesitzanteile gewichtet wird. Die Konzentration zugunsten hochkapitalisierter Unternehmen stellt eine häufige Kritik an dieser Berechnungsmethode dar.Beispielsweise decken beim Stoxx Europe 600 Index bereits 60 Titel 50 % bzw. 300 Titel 88 % der Marktkapitalisierung ab (2). Aus diesem Grund haben sich inzwischen Indizes mit alternativen Gewichtungsschemata wie Gleichgewichtung oder sogenannte Smart Beta Indizes etabliert. Unter den Smart Beta Indizes ermöglichen insbesondere Faktorindizes den Zugang zu Risikoprämien. Risikoarme Aktien werden durch den Faktor Low Volatility identifiziert, wobei die historische Volatilität als Risikomaß dient. Der Faktor Value wählt günstig bewertete Aktien aus. Das Kurs-Gewinn-Verhältnis ist eine der bekanntesten Kennzahlen für die Beurteilung, ob eine Aktie günstig oder hoch bewertet wird. Mit dem Faktor Quality assoziiert man positive Eigenschaften wie Wettbewerbsvorteile oder eine kompetente Unternehmensführung. Momentum ist ein reiner verhaltensorientierter Faktor, der mit der Kurshistorie jeder Aktie berechnet werden kann. In der Praxis haben sich jährliche Renditen als praktikabel erwiesen, um den Faktor Momentum in der Kapitalmarktforschung zu erfassen.Nachhaltiges Investieren gewinnt bei Investoren zunehmend an Bedeutung. Nach diesem Prinzip werden die Unternehmen berücksichtigt, die sich in den Bereichen Umwelt, Soziales und Unternehmensführung als besonders verantwortungsvoll erweisen. Dabei lassen sich nachhaltige Indexkonzepte in unterschiedliche Kategorien einteilen. Häufig werden Unternehmen oder Branchen ausgeschlossen, sofern sie gegen ethische Normen verstoßen. Best-in-Class-Konzepte definieren beispielsweise Positivkriterien zum Umweltschutz, zu Arbeitnehmerrechten oder Bildungschancen in Schwellen- und Entwicklungsländern.Ausgewählt werden die Unternehmen einer Branche, die die relativ höchsten ökologischen oder sozialen Leistungen erbringen und am besten geführt werden. Nachhaltige Themenindizes wie z.B. der von der Pariser Börse Euronext berechnete Low Carbon 100 Europe Index konzentrieren sich auf ein bestimmtes Auswahlkriterium wie den CO2-Fußabdruck sowie den Ausschluss von Unternehmen, deren Tätigkeit unmittelbar mit fossilen Brennstoffen in Zusammenhang steht.Für den Indexinvestor gilt: Wer die Wahl hat, hat die Qual. Der Auswahl eines Index als Basisinstrument eines ETFs kommt große Bedeutung zu, da sich aufgrund unterschiedlicher Konzepte und Regeln signifikante Unterschiede für die Wertentwicklung ergeben können. Nebenstehende Grafik stellt die Wertentwicklung unterschiedlicher europäischer Aktienindizes dar.Während europäische Bankaktien mit – 25,36 % die schlechteste Wertentwicklung 2018 aufwiesen, konnte der Low Vol Europe Index im gleichen Zeitraum durch die Auswahl risikoarmer Aktien als einziger verlustfrei das Jahr beenden. Mit einer nachhaltigen Low-Carbon-Strategie, Quality Aktien oder einer Dividendenstrategie kamen Anleger mit einem blauen Auge, d.h. Verlusten zwischen 4 und 5 % davon, während die breite gesamteuropäische Benchmark, der Stoxx Europe 600 Index, über 10 % einbüßen musste.Neben dem Anlageziel ist die Liquidität der Indexwertpapiere ein weiteres wichtiges Beurteilungskriterium. Bei Large Cap Aktienindizes bieten darauf basierende ETFs auch in schwierigen Marktphasen ausreichend Liquidität, während bei weniger liquiden Small Cap Aktien mit einer Ausweitung der Geld-Brief-Spanne zu rechnen ist. Exchange Traded Funds haben die positive Eigenschaft, dass sie für wenig liquide Indizes wie zum Beispiel High Yield Anleihen eine eigene Liquidität mit attraktiven Handelskosten unter normalen Marktbedingungen bieten. Bei einem Sell-off gilt dann aber, dass ein ETF nur so liquide ist wie die Wertpapiere des replizierten Index.Mit dem zunehmenden Erfolg der ETFs spielen Regelbasierung und Transparenz eine wichtige Rolle. Die Einhaltung eines Indexregelwerkes stellt den Handlungsspielraum für einen Index-Portfoliomanager dar. Subjektive Anlageentscheidungen sind nicht erlaubt. Dadurch ist auch die Abgrenzung von aktiven indexnahen Strategien möglich, umgangssprachlich auch als “Indexschmuser” bezeichnet. Diese berechnen jedoch häufig spürbar höhere Gebühren als ein ETF, ohne einen Mehrwert für den Anleger zu bieten.Hat ein Anleger schließlich den zu seinem Anlageziel passenden Wunschindex identifiziert, geht es um die Suche des Anbieters, der diesen Index in einem ETF am besten abbildet. In Zeiten niedriger Kapitalmarktzinsen stellen die laufenden Gebühren ein wesentliches Auswahlkriterium für ETFs dar. Der Fallstrick besteht darin, dass der ETF mit der niedrigsten Gebühr nicht zwingend die beste Abbildungsqualität liefert. Als Messgröße eignet sich die Tracking Differenz, die als Differenz der Wertentwicklung zwischen ETF und Index berechnet wird. Dies ist neben der Gebühr zu beachten.Professionelle Anleger erwarten häufig einen Track Record von mindestens einem Jahr sowie ein Mindestanlagevolumen von rund 100 Mill. Euro für einen ETF. Schließlich spielt die Replikationsmethode bei der Auswahl eine Rolle. Physische ETFs, die entweder vollständig oder in eine optimierte Teilauswahl des Index investieren, sind beim Anlegerpublikum in der Regel beliebter als synthetische ETFs, die für die Indexabbildung Swapgeschäfte einsetzen. Bei physischen ETFs sollte der Anleger dann aber konsequenterweise die Bonität und Liquidität der hinterlegten Sicherheiten im Falle von Wertpapierleihegeschäften hinterfragen, denn die Risiken sind vergleichbar mit denen im Falle einer synthetischen Indexabbildung. Für den ETF-Anleger lässt sich der Auswahlprozess wie folgt zusammenfassen: Index first – ETF-Kennzahlen second.—-1) Quelle: ETFGI Ltd., Stand 31.12.20182) Quelle: Stoxx Ltd., Stand: 31.12.2018—-Claus Hecher, Leiter ETF & Indexlösungen (D/A/CH), BNP Paribas Asset Management