Zinswettbewerb

ING sieht Hürden auf dem Weg zu 10 Millionen Kunden

Ob hohe Zinsen der Konkurrenz, Unzufriedenheit mit dem Kundenservice oder das Auslaufen von Krediten: Immer wieder verlassen Kunden die ING, und ein straffer Wachstumskurs sei nicht leicht, räumt Deutschlandchef Nick Jue ein.

ING sieht Hürden auf dem Weg zu 10 Millionen Kunden

"Wir sind noch nicht so digital, wie wir sein wollen"

Deutschlandchef der ING sieht auf dem Weg zu 10 Millionen Kunden viele Hürden – Rückenwind aus Zinswende lässt nach

Ob hohe Zinsen der Konkurrenz, Unzufriedenheit mit dem Kundenservice oder das Auslaufen von Krediten: Immer wieder verlassen Kunden die ING. Ein straffer Wachstumskurs sei daher nicht leicht, sagt Deutschlandchef Nick Jue. Im Wettbewerb mit Fintechs spiele die Bank aber ihre Stärken aus.

jsc Frankfurt

Die ING sieht das Ziel, in Deutschland die Marke von 10 Millionen Kunden zu erreichen, noch nicht in greifbarer Nähe. Als Bankchef habe er den Wert 2017 angepeilt und werde jetzt immer wieder damit konfrontiert, sagte Deutschlandchef Nick Jue am Dienstagabend im Internationalen Club Frankfurter Wirtschaftsjournalisten (ICFW) in Frankfurt. "Die 10 Millionen verfolgen mich seit sechs Jahren." Die Marke sei noch "ein gutes Stück entfernt". Die Bank werde aber ambitionierte Ziele erreichen.

Derzeit zählt die Deutschlandtochter der niederländischen Großbank rund 9,2 Millionen Kunden, nachdem im ersten Halbjahr laut Jue durch eine Bonuszins-Aktion netto 130.000 Kunden hinzukamen. Die Direktbank hatte bereits im Juli 2022 den bis dahin üblichen Negativzinssatz weitgehend aufgehoben und einige Monate später den Zinssatz auf das Tagesgeld erhöht. Mit einem aktuellen Lockzinsangebot auf Tagesgeld in Höhe von 3,5% und einem Basiszins von 1,25% ab November liege die Bank heute im Wettbewerb ungefähr im Mittelfeld. "Bestimmte Kunden verlassen uns, weil sie immer den höchsten Zinssatz wollen."

Wir sind noch nicht so digital, wie wir sein wollen.

Nick Jue, Vorstandsvorsitzender der ING in Deutschland

Auch mit der Betreuung seien Kunden mitunter nicht zufrieden. Nach einer Welle von Kundenanfragen am Telefon sei es zu langen Wartezeiten gekommen. Manche Kunden hätten entnervt aufgelegt. "Wir sind noch nicht so digital, wie wir sein wollen", sagte Jue. Ein kleiner Teil an Kunden sei unzufrieden und wechsele, wenn oft auch nur zeitweilig, zur Konkurrenz. "Das müssen wir ändern", sagte Jue. Auf dem Weg zur 10-Millionen-Marke zähle "jeder Kunde und jede Kundin".

Die Bank arbeite fortlaufend an digitalen Angeboten. So sei es heute möglich, per App die Kreditrate von Konsumdarlehen zu ändern. Auch seien Anrufe aus der App heraus möglich, so dass die zusätzliche Legitimation am Telefon entfalle. Neue Sparangebote für Kleinunternehmer seien in Vorbereitung. Aus der Riege der Konkurrenten falle die Neobank Revolut mit einer einfacheren Kontoeröffnung auf. "Die ist noch ein bisschen einfacher als bei uns, und das stört mich", sagte Jue.

Grundsätzlich gelte: Je mehr Kunden eine Bank bereits zähle, desto höher sei auch der stetige Abgang. Jues Rechnung geht so: Um netto 200.000 Kunden zu gewinnen, muss die Bank etwa 400.000 Menschen an Bord holen, um die Abgänge auszugleichen. Nach den jüngsten Problemen der Postbank, die zu einer Flut an Kundenbeschwerden führten, habe die ING ähnlich wie andere Wettbewerber Kunden gewonnen, deutete der Bankchef an. Zur Anzahl der gewechselten Kunden wolle er sich aber nicht äußern – aus Höflichkeit gegenüber der Konkurrenz.

Als die ING im August 2017 ihr 10-Millionen-Ziel ausrief, zählte sie 8,5 Millionen Kunden. Binnen zwei Jahren wollte sie die Zielmarke erreichen. Im März 2021 kündigte die Bank an, ihr Massengeschäft in Österreich aufzugeben. Wären die rund 550.000 Kunden in Österreich heute noch Teil der deutschen ING, läge die 10-Millionen-Marke in Reichweite, sagte Jue.

"Wir zwingen keine Kunden"

Im Vergleich zu Fintechs seien etablierte Geldhäuser in einer starken Position. Denn eine Bank könne mit einer Vielzahl an Produkten glänzen. Ein breites Angebot, verbunden mit einer möglichst fortgeschrittenen Digitalisierung und einer leichten Bedienbarkeit, sei wesentlich für die Kundenbindung.

Als die ING vor zwei Jahrzehnten in Deutschland auf Kundenfang ging, gab sie wie damals üblich oft lediglich ein Formular und eine TAN-Liste aus. Viele Kunden nutzten auch heute weder das Online-Banking noch die Handy-App, sagte Jue.

Wir sind noch jung, aber trotzdem ein bisschen alt.

Nick Jue, Vorstandsvorsitzender der ING in Deutschland

Es sei nicht einfach, diese Menschen in digitale Angebote zu lotsen. "Wir zwingen keine Kunden." Die Bank führe daher verschiedene Systeme fort. "Wir sind noch jung, aber trotzdem ein bisschen alt." Allerdings habe die Pandemie die Digitalisierung beschleunigt. "Deutschland ist ein bisschen holländischer geworden, weil es ist jetzt digitaler", so der Niederländer.

EZB-Mindestreserve kommt teuer

Die Zinswende der EZB habe das Ergebnis der Bank gestärkt. Doch der Rückenwind lasse nach. Der Wettbewerb um höhere Sparzinsen sei in "vollem Gange", zugleich werde die EZB die Leitsätze nur noch moderat anheben. Eine Zinserhöhung diesen Donnerstag erwarte er nicht, sagte Jue.

Eine Erhöhung der unverzinsten Mindestreserve, die derzeit von der EZB erwogen wird, wäre in der Gewinn-und-Verlust-Rechnung der ING spürbar. Banken müssen derzeit eine Reserve von 1% bezogen auf die Einlagen bei der EZB hinterlegen. Weil das Geld dort nicht verzinst wird, ist das bereits heute eine Belastung für die Institute. Die Branche kritisiert eine etwaige Erhöhung daher mit scharfen Worten. Noch ist unklar, ob und wie hoch die Mindestreserve steigen wird.

Weniger ins Gewicht fiele derweil, wenn die EU Vertriebsprovisionen für Investmentfonds im beratungsfreien Geschäft verbieten sollte, wie Jue ausführte. Die Einnahmen aus Rückvergütungen aus Fonds, die Anleger in ihren Wertpapierdepots halten, seien in der Ergebnisrechnung der Bank nicht wesentlich.

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