GASTBEITRAG

Instant Payments: Beginn einer neuen Ära

Börsen-Zeitung, 2.8.2017 Aufsichtsbehörden und Zentralbanken in ganz Europa arbeiten verstärkt darauf hin, in den jeweiligen Märkten die Wettbewerbsbedingungen zu verbessern, Risiken zu minimieren und gleichzeitig das Innovationstempo zu erhöhen....

Instant Payments: Beginn einer neuen Ära

Aufsichtsbehörden und Zentralbanken in ganz Europa arbeiten verstärkt darauf hin, in den jeweiligen Märkten die Wettbewerbsbedingungen zu verbessern, Risiken zu minimieren und gleichzeitig das Innovationstempo zu erhöhen.Ziel der Zahlungsdiensterichtlinie 2 (Payment Services Directive, PSD2) ist die Öffnung des Marktes für Finanz- und Zahlungsdienstleistungen in Europa sowie die Stärkung des Verbraucherschutzes unter Berücksichtigung des technologischen Fortschritts. Zahlungsdienstleister müssen regulierten externen Organisationen über Programmierschnittstellen (Application Programming Interfaces/APIs) Zugang zu ihrem zentralen Zahlungssystem gewähren.Das ist ein grundlegender Wandel mit Auswirkungen auf die Zahlungswertschöpfungskette. Damit wird eine Linie gezogen zwischen der Verwaltung eines Kontos einerseits und Zahlungen und Informationsservices andererseits. Das Kräfteverhältnis zwischen Banken und innovativen Nichtbanken wird sich zunehmend verschieben. Finanzinstitute werden sich der Notwendigkeit bewusst, dass sie auf die fortwährenden Veränderungen reagieren müssen, die dazu führen, dass Zahlungen als Chance für Mehrwertdienstleistungen gesehen werden. Viele Fintech-Unternehmen erobern den Markt für Zahlungsdienstleistungen mit ihrer genuinen Flexibilität und Schnelligkeit und klarer Kundenorientierung. Allerdings werden nicht alle Fintech-Unternehmen überleben – viele sind schon von vorneherein zum Scheitern verurteilt, weil ihnen das nötige Vertrauen am Markt fehlt oder weil sie nicht stabil und sicher genug sind, um steigende Volumina zu bewältigen. Die Erträge sind bedrohtDes Weiteren müssen sich Banken in Europa mit dem Umsatzrückgang bei Zahlungsdienstleistungen auseinandersetzen. Laut einer Studie von Deloitte könnten Banken im Vergleich zu 2015 bis 2020 29,5 % ihrer Erträge einbüßen.Sowohl Banken als auch Fintech-Unternehmen sollten eine Lösung finden, die Erfolg garantiert – und nicht nur das Überleben sichert. In einem neuen Interaktionsmodell liegen große Chancen. Partnerschaften sind inzwischen immer üblicher und schaffen Win-win-Situationen: Banken können dabei ihr wichtigstes Kapital einbringen – das Vertrauen, das sie am Markt genießen – und Fintech-Unternehmen ihre Innovationskraft.Die PSD2 wird die Zukunft des Bankgeschäfts prägen und dabei auch den neu entstehenden Bereich der Instant Payments beeinflussen. Wie in Großbritannien, wo das Faster-Payment-System bereits seit fast zehn Jahren existiert, hat auch die Eurozone in die Entwicklung von Echtzeitzahlungen investiert. Am 21. November 2017 wird der erste Instant-Payment-Vorgang in Euro über die von SIA entwickelte gesamteuropäische Infrastruktur von EBA Clearing abgewickelt werden.Die Entwicklung von Instant Payments wurde bislang vorwiegend von zentralen Organen des europäischen Bankensektors, etwa dem Europäischen Zahlungsverkehrsausschuss (European Payments Council), vorangetrieben, und es lässt sich nur schwer vorhersagen, wie schnell diese neue Zahlungsform in Europa in den nächsten Jahren und darüber hinaus angenommen wird.Die Akteure sind sich noch nicht wirklich des Potenzials bewusst. Unserer Ansicht nach aber werden die Verbreitung von über Handy verfügbaren Overlay-Services, die Frage der Sicherheit, die Benutzerfreundlichkeit und die Kompatibilität über den Erfolg beim Endnutzer entscheiden. Wichtige Beispiele für Echtzeitzahlungsinitiativen gibt es in Europa bereits, etwa Jiffy von SIA für die Übertragung von auf Euro lautenden Geldbeträgen über das Smartphone mit über vier Millionen Nutzern in Italien. Ein weiteres Beispiel ist der Swish-Service in Schweden.Darüber hinaus können Instant Payments die Umsetzung innovativer Lösungen erleichtern, wie etwa Kurzzeitkredite (Payday Loans) oder Zahlungen in Zusammenhang mit der Share Economy für “Mobility on Demand”-Dienste.So besteht im Mobilitätssektor im Rahmen der Urbanisierung Bedarf an flexiblen und multimodalen Konzepten. Das Kundenverhalten verändert sich, Nutzen ist das neue Haben, und die Kundenpräferenz verschiebt sich hin zu Angeboten, die das Leben angenehmer machen und neue Möglichkeiten schaffen. Bezahlt wird jeweils für die Nutzung einer Dienstleistung statt für den Kauf eines Produkts. Daraus wird sich ein exponentieller Anstieg an Transaktionen ergeben, die sofort erfolgen müssen.”In-App-Zahlungen” sind die Zukunft, und die feste Einbindung von Zahlungsfunktionalitäten in Apps scheint unausweichlich. Zahlungen sollen unsichtbar werden – das ist es, was Nutzer wirklich wollen. Bessere KundenbeziehungenVerschiedene Interessengruppen können Instant Payments zu ihrem Vorteil nutzen, von Finanzinstituten bis hin zu Unternehmen, von Händlern bis hin zu Privatpersonen. Euro-Transaktionen zwischen Zahlungskonten werden in weniger als 10 Sekunden abgewickelt, und das rund um die Uhr, an 365 Tagen im Jahr.Der Käufer hat sofort Zugriff auf die von ihm gewünschten Dienste, so wie dies bei Mobilitätsdiensten der Fall ist. Der Verkäufer wiederum profitiert von einer Zahlungsgarantie, der direkten Verfügbarkeit des Geldes, geringem Risiko sowie einem besseren Liquiditätsmanagement. Generell können Instant Payments das BIP jedes Landes steigern und so positive Effekte für die Allgemeinheit haben.Für Zahlungsdienstleister, insbesondere Banken, ergibt sich der Nutzen aus der Sicherung und Erhöhung von Cross Selling-Chancen sowie der steigenden Attraktivität für neue Kunden im Hinblick auf deren tägliches Management von Zahlungen über geringe Beträge. De facto liegt der Wert in den mit den Zahlungstransaktionen verbundenen Daten.So können sie einen neuen Markt für elektronisches Geld erschließen und bekommen damit gleichzeitig Daten zum Konsumverhalten ihrer Kunden geliefert, die als Grundlage für gezielte Werbekampagnen verwendet werden und so Umsatzsteigerungen bringen können.Eine weitere Chance für Banken ergibt sich aus der für Instant Payments erforderlichen IBAN (International Bank Account Number). IBANs sind lang und nicht leicht zu verwalten, Banken könnten also Dienstleistungen auf der Basis einer Verknüpfung der IBAN mit anderen Identifikationsnummern entwickeln, die leichter zu merken und einfacher zu verwalten sind, beispielsweise Handynummern. Banken könnten unter Nutzung des Vertrauens, das sie am Markt genießen, IBANs als großes Kapital betrachten, das sich rund um das Thema Identifizierung in Dienstleistungen ummünzen lässt. Vor diesem Hintergrund müssen sie ihre Kundenorientierung verstärken. Banken sollten neue Overlay-Services definieren, während die Verarbeitung und rein technologische Aktivitäten an spezialisierte und zuverlässige Unternehmen ausgelagert werden sollten.Der Bereich Zahlungsdienstleistungen ist wie der Kartenmarkt ein volumenabhängiges Geschäft. Mit Instant Payments werden Kundentransaktionen sehr rasch zunehmen und immer komplexer werden. Gleichzeitig erwarten Kunden einfachere Prozesse. Daher sind Skaleneffekte sowie die Strukturen eines Hightech-Unternehmens nötig, um rund um die Uhr höchste Qualitätsstandards, Sicherheit und kontinuierliche technologische Innovation zu gewährleisten.Das Sepa-Verfahren war ein wichtiger Meilenstein im Integrationsprozess des europäischen Zahlungsdienstleistungssektors. Die derzeitige Fragmentierung des Clearing- und Abwicklungsmarktes und die Fokussierung jeder Bank auf die Entwicklung ihres eigenen Systems könnten jedoch zu erheblichen Kosten führen. Wir sollten uns in Richtung einer “gemeinsamen Verarbeitungsplattform” bewegen, auf der Banken von ihren Volumina profitieren und gleichzeitig ihre Kosten senken können. Die Instant-Payments-Ära hat gerade erst begonnen.—-Cristina Astore, International Division Director SIA Gruppe