Insurtechs lassen deutsche Versicherer kalt

ZEB rügt Passivität - Venture Capital investiert

Insurtechs lassen deutsche Versicherer kalt

Von Bernd Neubacher, FrankfurtAlle Welt schaut auf Start-ups im Versicherersektor (Insurtechs) – nur nicht die deutsche Assekuranz. Diesen Schluss legen Daten von Barkow Consulting sowie des Beratungshauses ZEB nahe. Barkow zählt dabei 25 deutsche Insurtech-Start-ups, ZEB über 50 – nur eine Handvoll davon ist den Versicherern bekannt, wie es zugleich einschränkend heißt.Das ist im Venture-Capital-Sektor anders. Barkow zufolge hat sich das Insurtechs zufließende Venture Capital 2015 binnen Jahresfrist bundes- sowie weltweit auf 27 Mill. Euro bzw. 2,7 Mrd. Dollar mehr als verdreifacht. Von den 25 deutschen Insurtech-Start-ups auf dem Radar von Barkow haben zehn insgesamt 33 Wagniskapitalgeber akquiriert. Start-ups wie Simplesurance und Moneymeets haben bereits vier Finanzierungsrunden hinter sich.Zugleich aber sind gerade einmal drei deutsche Versicherer im Fintech-Sektor engagiert – weil Deutschlands Assekuranz zu sehr mit sich selbst beschäftigt ist, wie ZEB diagnostiziert. Deutsche Versicherer fokussierten zu stark auf interne Themen wie Infrastrukturen und Prozesse, meint das Beratungshaus. Gehe es darum, Innovationen zu entwickeln, zeigten sie sich dagegen zögerlich. Damit drohten sie zunehmend den Anschluss an neue Insurtech-Trends zu verlieren.Dies kann kaum im Interesse der Versicherer liegen, drohen die Start-ups ihnen doch nicht nur Erträge streitig zu machen. Vielmehr nährt die Digitalisierung der Branche auch Hoffnung auf mehr operative Effizienz sowie neue Ertragsfelder. “Die Branche muss lernen, wesentlich schneller und konsequenter auf die Bedürfnisse ihrer digital verwöhnten Kunden einzugehen”, erklärt ZEB-Partner Matthias Uebing.An der Studie von ZEB beteiligten sich den Angaben zufolge über 120 Vorstände, Führungskräfte und Experten aus der Versicherungsbranche, womit die Untersuchung gemessen am Beitragsvolumen mehr als vier Fünftel des deutschen Versicherungsmarkts abdeckt. Wie berichtet wird, erkennt die Branche zwar an, dass Insurtechs “große Chancen bieten”. So bewerten drei von vier Befragten den Insurtech-Trend als relevant bzw. sehr relevant, und 73 % der Teilnehmer leiten daraus die Erwartung ab, dass sich durch die Geschäftsmodelle der Insurtechs Chancen für die etablierte Branche ergeben.Überraschenderweise bekunden zugleich aber gerade einmal 52 % der befragten Versicherer, dass sie den Insurtech-Markt genauer beobachten. Man kenne nur das, was “in der Zeitung steht”, heißt es. Vergleichsportale und digitale Makler seien bekannt, andere Geschäftsmodelle wie White-Label-Apps für Vermittler, Instrumente zur Unterstützung von Prozessen oder Schadenmanagement fristeten dagegen ein Schattendasein, beklagt ZEB.Nur die wenigsten Gesellschaften haben denn auch bereits Prozesse und Maßnahmen angestoßen, um neue digitale Produkte und Dienstleistungen am Versicherungsmarkt durchzusetzen. 19 % der Befragten geben an, Ideen von Insurtechs adaptiert zu haben, 17 % kooperieren mit ihnen, und 3 % haben Abwehrmaßnahmen umgesetzt. Uebing: “Bis auf sehr wenige, große Versicherungskonzerne ist die Branche passiv und abwartend.”Im Zuge der Erhebung erklärten 91 % der Versicherer, auf ihre bestehenden Geschäftsmodelle zu vertrauen und Innovationen nur zu übernehmen, wenn diese sich am Markt durchgesetzt haben. Damit überlasse die Assekuranz “die Verbesserung des Kundenerlebnisses” fast kampflos den Insurtechs, bemängelt ZEB.