Insurtechs sammeln viel Kapital ein

Zum Halbjahr schon das Gesamtjahr 2018 übertroffen - Blockchain soll Prozesse standardisieren

Insurtechs sammeln viel Kapital ein

Deutsche Insurtechs konnten im ersten Halbjahr deutlich mehr Kapital einwerben als im gesamten Vorjahr. Die Versicherungs-Start-ups sind vor allem in der Sachversicherung unterwegs. Die Blockchain-Technologie soll helfen, die Prozesse in der Assekuranz zu standardisieren. Sie steht aber noch am Anfang.Von Thomas List, FrankfurtDie Zahl der Neugründungen von Insurtechs ist in Deutschland leicht rückläufig. Allerdings hat das Gesamtvolumen der Kapitaltransaktionen im bisherigen Jahresverlauf kräftig zugelegt und sogar schon das Volumen des gesamten Jahres 2018 übertroffen. Bis Jahresmitte stellten Investoren deutschen Insurtechs, also Versicherungsdiensten, die mit digitalen Technologien arbeiten, Eigen- und Fremdmittel von mehr als 270 Mill. Dollar zur Verfügung. Im Gesamtjahr 2018 waren es 153 Mill. Dollar, geht aus dem Accenture Insurtech Watchtower 2018 hervor. Keine Versicherungslizenz”Neu hinzugekommene Start-ups, die neue Dienstleistungen und/oder Geschäftsmodelle im Versicherungsbereich anbieten, sind aktuell oftmals sogenannte Managing General Agents (MGAs), vergleichbar deutschen Assekuradeuren, verfügen also über keine eigene Versicherungslizenz, bieten aber alle anderen Bausteine eines Versicherers an”, sagt Christian Richter, Insurtech-Experte bei der Unternehmensberatung Accenture, im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. “Diesen Insurtechs sind die Gründungskosten eines Vollversicherers zu hoch. Die Versicherungskapazitäten werden von bestehenden Erst- oder Rückversicherern bereitgestellt.” Neue Insurtechs mit reinen Maklermodellen seien hingegen aktuell nicht mehr zu beobachten.Insurtechs sind in erster Linie in der Sachversicherung aktiv und setzen nach Beobachtung Richters vor allem auf Kooperationen mit Erst- und Rückversicherern. “Diese etablierten Marktteilnehmer sind an einer solchen Zusammenarbeit sehr interessiert. Das zeigt sich nicht zuletzt auch an weiteren Kapitalzugaben, zum Beispiel der Baloise an ihren Digitalversicherer Friday.” 114 Mill. Euro für FridayFriday hat im März dieses Jahres 114 Mill. Euro (etwa 127 Mill. Dollar) erhalten – neben der Baloise (75 Mill. Euro) von Seven Ventures und German Media Pool (39 Mill. Euro als Media-for-Equity-Investment, vgl. BZ vom 8. März). Das Unternehmen ist bisher nur als Autoversicherer unterwegs und will nach jüngsten Plänen in die Haushaltsversicherung vorstoßen. Das aufgenommene Kapital soll in erster Linie über Seven Ventures, den Media-Investor der ProSiebenSat.1 Group, in TV-, Radio-, Print- und Plakatwerbung fließen.Ebenfalls im März erhielt die Berliner Wefox eine Series-B-Finanzierung über 125 Mill. Dollar. Hauptinvestor war Mubadala Investment Company, der Staatsfonds von Abu Dhabi. Daneben kamen Goldman Sachs, das chinesische Finanzunternehmen Creditease und sechs Bestandsinvestoren zum Zug (vgl. BZ vom 7. März). Wefox bietet Versicherungsmaklern eine Plattform, über welche sie die Policen ihrer Kunden digital managen können. Die Kunden wiederum verwalten ihre Policen über die Wefox-App und können so Schadenfälle melden oder Fragen klären. Zu Wefox gehört der Versicherer One.Weitere Fintech-Transaktionen waren in diesem Jahr Getsafe (15 Mill. Euro u. a. vom Venture-Capital-Geber Earlybird und von Commerz Ventures) sowie Seed-Investments in unbekannter Höhe für den Schadenmanager Motionscloud und Handex, einen Exportkredit-Vermittler. “Börsengänge von Insurtechs haben wir aber bisher nicht beobachtet, sehen wir von dem der Deutschen Familienversicherung ab. Das ist aber bisher noch ein Einzelfall und kein Muster”, sagt Richter. Blockchain setzt StandardDie Blockchain-Technologie soll der Standardisierung des Datenaustauschs in der Versicherungsbranche dienen. Denn die Assekuranz ist nach den Worten Richters eine der letzten Industrien ohne solche Standards. “Im Kern geht es darum, Prozesskosten zu reduzieren. Dazu haben sich im Wesentlichen zwei Konsortien aus Erstversicherern, Rückversicherern und Maklern gebildet: B3i mit 17 Versicherern, darunter Munich Re, Swiss Re, Hannover Re, Allianz und Axa und in den USA Risk Stream Collaborative mit mehr als 50 Risikomanagern und Versicherern wie Chubb, Marsh, Munich Reinsurance America, und Travelers.”In diesem Jahr sollen bei diesen Konsortien erste kleinere Nutzanwendungen demonstrieren, dass die Zusammenarbeit im Back Office und bei Rückversicherungsprozessen funktionieren kann”, sagt Richter. Wenn dies gelinge, müsse investiert werden, um die Prozesse skalierbar zu machen. “Bisher haben sich die beiden Initiativen nahezu ausschließlich über ihre Teilnehmer finanziert. Ob für die größeren Investitionen dann Geldgeber von außen zum Beispiel in Form von Private Equity angenommen werden, ist bisher offen.”