Integration von ESG für höhere Erträge

Die Berücksichtigung solcher Kriterien folgt ökonomischem Kalkül und hat ihre Basis im Geschäftsmodell einer Versicherung - Durchweg positive Erfahrungen

Integration von ESG für höhere Erträge

Die Integration von ESG-Nachhaltigkeitskriterien im Kapitalanlagemanagement von Versicherungen hat Tradition, auch wenn vor Jahrzehnten der Begriff ESG noch unbekannt war. Versicherungen müssen ihre eingegangenen Zahlungsversprechen erfüllen, und dazu gehört, dass sie die Versicherungsprämien so anlegen, dass sie im vertraglich vorgesehenen Versicherungsfall auch zur Verfügung stehen. Die Kapitalanlagepolitik von Versicherungen war deswegen schon immer geprägt von Sorgfalt, Umsicht und Weitsicht, kurzum: auf Nachhaltigkeit ausgelegt. Was verbirgt sich hinter ESG?Die Berücksichtigung von ESG (abgekürzt für die drei englischen Begriffe Environment – Social – Governance) erfordert zunächst eine Konkretisierung: Die relevanten Kriterien müssen hinreichend exakt definiert sein, um eine Kapitalanlage entsprechend überprüfen und ausrichten zu können; tatsächlich können ESG-Kriterien für jeden Sektor oder auch für jedes Unternehmen unterschiedliche Bedeutung und unterschiedliche Ausprägungen haben. Sie dürfen auch nicht rein statisch sein, sondern müssen aktuelle Entwicklungen aus dem Blickwinkel eines Investors berücksichtigen. ESG-Kriterien bilden idealerweise alle relevanten Risikoaspekte ab. Dabei ist es wichtig zu erkennen, ob und wie weit Unternehmen Maßnahmen gegen negative Auswirkungen aus Risiken einer ESG-Analyse getroffen haben.Für eine ganzheitliche Vorgehensweise mit ESG-Faktoren eignet sich gut der PRI-Ansatz (Principles of Responsible Investment) der Vereinten Nationen. Dieser erfordert, Investitionen über alle Assetklassen und Standorte einer erweiterten Risikobetrachtung zu unterziehen. Mit der Unterzeichnung der PRI ist die Teilnahme an einer umfassenden, jährlichen Befragung verbunden, die wiederum die Teilnehmer einem Assessment unterwirft und die eigenen Grundsätze im Vergleich zu den übrigen Teilnehmern in Beziehung setzt. Die Besonderheit an dem Assessment: Die Ansprüche steigen von Jahr zu Jahr. Im aktuellen PRI-Assessment für das Jahr 2018 erreichte Munich Re im Modul “Strategy and Governance” die Bestnote “A+”. Das “A+”-Rating erhielten 30 % der insgesamt 340 “Asset Owner” weltweit, welche die PRI-Prinzipien unterzeichnet haben. Innerhalb der relevanten Vergleichsgruppe der “Asset Owner” liegt der Median bei “A”.ESG-Kriterien werden je nach Assetklasse unterschiedlich im Prüfprozess umgesetzt. Investitionen in illiquide Anlageformen mit langer Laufzeit erfordern eingehendere Risikoanalysen, bei denen ESG-Kriterien eine hohe Bedeutung haben, um einen nachträglichen Verkauf bei Erkennen eines unerwarteten ESG-Risikos zu verhindern. Bei Eigenkapitalinvestitionen kann man das Anreizsystem des Managements vielleicht noch ändern, um den ESG-Aspekten besser gerecht zu werden – bei der Kreditvergabe hingegen muss der Investor seine Hausaufgaben früher machen. Über alle AssetklassenNachhaltigkeit ist nicht nur für liquide und relativ schnell veräußerliche Anleihen und Aktien wichtig, sondern besitzt gerade auch bei Immobilien eine große Bedeutung. Beim Kauf, Bau oder bei der Renovierung kommen Nachhaltigkeitskriterien zur Anwendung, wie zum Beispiel Energieeffizienz oder Baumaterialien. Die jahrzehntelange Haltedauer von Immobilien erfordert ein nachhaltiges Management, um einen sehr langen Lebenszyklus des Objekts zu gewährleisten.Auch in der Assetklasse Agrar-/Forstwirtschaft führt die Einrichtung eines Investmentprozesses unter Berücksichtigung von ESG-Kriterien zu Mehrwert. Darüber hinaus leistet die CO2-Absorption von Wald einen positiven Beitrag zum Klimaschutz. Ein Beispiel aus der Anlagepraxis sind die von Munich Re im Jahr 2018 erworbenen 91 000 Hektar Forstflächen in Texas und Louisiana, die in etwa der Größe des Bundeslandes Berlin entsprechen.Bei Private-Equity-Investments wird im Rahmen der Due-Diligence-Prüfung untersucht, ob bei den Zielfonds ESG-Kriterien erfüllt sind oder eine geeignete Responsible-Investment-Guideline zur Anwendung kommt. Oft muss der Anbieter hierfür zusätzliche Transparenz schaffen, wie ESG-Kriterien im Entscheidungs- und Managementprozess berücksichtigt werden.Eine besondere Rolle in der nachhaltigen Anlage nehmen Investitionen in Infrastrukturprojekte mit dem Fokus auf erneuerbare Energien ein. Durch diese entsteht eine doppelte Hebelwirkung, indem nicht nur durch Investitionen, sondern auch durch zukunftsweisende Deckungskonzepte in der Versicherung neue Technologien gefördert werden.Da auch erneuerbare Energien und Infrastruktur eine sehr lange Investitionsdauer haben, werden alle mit diesen Investments zusammenhängenden Risiken besonders sorgfältig geprüft. In die Risikoanalyse fließen unter anderem meteorologische und klimabedingte Faktoren ein, zum Beispiel Sonneneinstrahlung bei Solaranlagen und Windstärken bei Onshore-Windanlagen.Ein Beispiel aus der Anlagepraxis ist der Kauf eines Solarparks in Südspanien mit einer Gesamtleistung von 175 Megawatt im vierten Quartal 2018. Er ist einer der größten von staatlichen Subventionen unabhängigen Solarparks in Europa. Mit den so erzeugten 300 Gigawattstunden können pro Jahr rund 93 000 Haushalte mit Strom versorgt werden. KaufverboteEin einfacher Weg zur Erfüllung von Nachhaltigkeitskriterien ist der Ausschluss “nicht nachhaltiger” Investments. In der Praxis bedeutet der harte Ausschluss anhand fixer Kriterien allerdings auch, dass keine anderen Aspekte zugelassen werden, die die Ausschlussgründe relativieren könnten. So wichtig eine analytische Strenge und ein über alle Assetklassen konsistenter Auswahlprozess sind, so wichtig ist auch deren konstruktive und pragmatische Anwendung. Eine zu starke Einschränkung des Investmentuniversums reduziert zwangsläufig die Diversifizierung und führt zu hohen Risikokonzentrationen.Sehr schwierig sind insbesondere Ausschlüsse, die sich auf ganze Branchen oder Segmente beziehen. Der Ausschluss einer kompletten Branche kann das gesamte Risiko-Rendite-Profil des Portfolios verschieben. Absolute Investitionsverbote wie Ausschlüsse führen oft zu schmerzhaften Einbußen bei der Rendite oder zu einer Erhöhung des Risikos.Eine umfassende Anwendung von ESG-Kriterien setzt den Gedanken eines holistischen Ansatzes im Risikomanagement um, Risiken multidimensional zu berücksichtigen und starke Risikokonzentrationen in einem integrierten Ansatz zu diskriminieren. Dieser Aspekt ist auch im Zusammenhang mit der Diskussion um den CO2-Fußabdruck eines Portfolios zu beachten. Die aktuelle Diskussion der Kohleverbote darf nicht dazu führen, nur Zielen der Dekarbonisierung zu dienen; es ist in erster Linie die Aufgabe der Politik, hier eine geeignete Balance zu finden. Als Treuhänder für unsere Mandanten müssen wir Risiken umfassend betrachten und dürfen sie nicht ausschließlich einem einzigen Ziel unterwerfen.In der Umsetzung von ESG-Kriterien stellt sich die praktische Frage, die Kriterien selbst zu entwickeln und sie selbst anzuwenden oder einen etablierten Anbieter zu beauftragen. Inzwischen ist die Arbeitsteilung und Spezialisierung in der Branche so weit fortgeschritten, dass es genügend Anbieter mit guter Reputation und entsprechender Kompetenz gibt, die eine fundierte Analyse eines globalen Anlageuniversums nach ESG-Kriterien leisten können, so dass eine Beauftragung eines Anbieters mit gutem Gewissen erfolgen kann.Seit Juni 2017 kooperiert die Meag mit MSCI ESG-Research, einem führenden Anbieter von Nachhaltigkeitsanalysen und -ratings im Bereich Umwelt, Soziales und Unternehmensführung (ESG). Durch die Nutzung von MSCI ESG-Research und MSCI ESG-Ratings wird der Nachhaltigkeitsinvestmentansatz der Meag weiter verfeinert und perfektioniert. Mit der hohen globalen Abdeckung in den wichtigsten Anlageklassen unterstützt MSCI die Meag in der Bestimmung eines nachhaltigen Anlageuniversums sowie bei der Auswahl nachhaltiger Einzelwerte. Lohnt sich ESG?ESG ist vorausschauendes Risikomanagement. Empirische Untersuchungen zeigen, dass dadurch die Rendite verbessert werden kann.Fazit – Die Berücksichtigung von ESG-Kriterien folgt ökonomischem Kalkül und hat ihr Fundament im Geschäftsmodell einer Versicherung: die dauerhafte und nachhaltige Absicherung der Leistungsversprechen einer Versicherung. Entsprechend ist ESG ein Teil der DNA unserer Versicherungsgruppe. ESG-Kriterien sind – wenn auch nicht in der heutigen Ausprägung – seit Gründung von Munich Re fester Bestandteil der Kapitalanlagepolitik.Die professionelle und systematische Umsetzung sowie die kontinuierliche Weiterentwicklung von ESG-Kriterien folgen ebenfalls ökonomischem Kalkül. Es geht um die Optimierung des Rendite-Risiko-Verhältnisses. Unser Nachhaltigkeitsinvestmentansatz der ESG-Integration wird durch Kaufverbote ergänzt. Wir haben diese Kriterien Schritt für Schritt entwickelt und setzen ESG-Integration im Investmentprozess um. Unsere Erfahrungen mit ESG-Kriterien sind dabei durchweg positiv.—-Thomas Kurtz, Geschäftsführer der Meag