Internationalisierung ist ohne Alternative
Angesichts der europäischen Staatsschuldenkrise wächst in einigen Unternehmen der Zweifel, ob sie ihre auf einer weiteren Internationalisierung aufbauende Wachstumsstrategie nicht revidieren müssen. Haben viele europäische Märkte nicht deutlich an Attraktivität verloren? Und kann Fernost noch eine Alternative sein, wo doch die Dynamik Chinas stark nachgelassen hat?All dies ist sicher richtig. Aber es ändert nichts an der Tatsache, dass eine Teilhabe an prosperierenden Märkten nur über die Internationalisierung des Geschäfts erreichbar ist – allerdings eine wohl überlegte, gezielte und individuell auf das eigene Unternehmen abgestimmte Internationalisierung. Denn Ausland ist nicht gleich Ausland, wie ein Blick in die Außenhandelsstatistik zeigt. Folge liegt klar auf der HandVon Januar bis November 2012 stiegen die deutschen Ausfuhren insgesamt um 4,3 % gegenüber dem gleichen Vorjahreszeitraum – verglichen mit dem Plus des realen Bruttoinlandsprodukts in Deutschland von 0,7 % schon ein klares Signal. Schaut man sich dann einzelne Länder und Regionen genauer an, bestätigen sich zwar die Bedenken angesichts der Verfassung der Märkte im Süden Europas: Die Exporte nach Griechenland nahmen um 7,8 % ab, bei Italien betrug das Minus 9,8 %, bei Spanien 10,5 % und bei Portugal sogar 11,7 %. Insgesamt verbuchten die Ausfuhren in die EU-Länder – dank der Stärke des Warenaustauschs mit Frankreich, den Niederlanden und insbesondere mit Großbritannien – immerhin noch einen kleinen Zuwachs von 0,2 %.Die Konsequenz daraus liegt für mich klar auf der Hand: Auslandsgeschäft im Euroraum ist zwar dank der einheitlichen Währung in der Abwicklung am einfachsten, doch bieten die meisten Märkte nicht das Potenzial für entscheidende Wachstumsimpulse.Blickt man nicht nach Süden, sondern nach Osten, zeigt sich ein ganz anderes Bild: Exporte nach Bulgarien stiegen um 16,8 %, nach Rumänien um 5,2 %, nach Ungarn um 4,2 % und nach Russland sogar um 12,1 %. Und in Asien? Das Exportwachstum nach China fiel mit 4,3 % vergleichsweise bescheiden aus. Dagegen setzen neben Japan (plus 15,1 %) vor allem die Asean-Länder mit einem Zuwachs um 15,9 % ein deutliches Ausrufezeichen. Ihre Attraktivität beruht nicht zuletzt darauf, dass für den innerasiatischen Handel Steuern und Zölle dank des Freihandelsabkommens zwischen den Asean-Staaten und China eine immer geringere Rolle spielen. Zudem ist 2010 das Asean-China-Freihandelsabkommen in Kraft getreten. Die Zölle auf 90 % der Waren im gegenseitigen Handel zwischen China und Brunei, Indonesien, Malaysia, den Philippinen, Singapur und Thailand fielen bereits 2010 weg, bis 2015 folgen Kambodscha, Laos, Myanmar und Vietnam.An chancenreichen Märkten für den Außenhandel mangelt es also nicht, ebenso wenig wie an Instrumenten für ihre Erschließung. Es geht vor allem darum, Export- oder Importgeschäfte zu finanzieren und zuverlässig abzuwickeln sowie Fremdwährungspositionen zu managen. Gefragt ist hier seitens der Bankpartner eine umfassende Leistungspalette im dokumentären Geschäft inklusive Garantien wie auch ein flexibles Angebot an Exportfinanzierungslösungen unter Nutzung von Finanzkreditgarantien staatlicher und privater Exportkreditversicherer, wie beispielsweise Euler Hermes. Zweiter Schritt muss folgenAber reicht diese Beschränkung auf den Warenaustausch aus, um das Standbein Internationalisierung dauerhaft zu sichern? Noch einmal der Blick auf China: Die Steigerung unserer Exporte weist lediglich ein Plus von 4,3 % auf, während das Bruttoinlandsprodukt um 7,9 % wuchs. Für 2013 rechnet der Internationale Währungsfonds (IWF) mit einem Wachstum von 8,2 % und für 2014 mit 8,5 %. Ich sehe darin ein klares Indiz, dass eine echte Partizipation an der Dynamik dieses Marktes nur möglich ist, wenn Unternehmen vor Ort sind. Es reicht nicht mehr aus, sich weltweit Märkte für Produkte zu suchen, die in Deutschland ursprünglich für deutsche Kunden und nach deutschem Geschmack entwickelt worden sind.Die wachsende Mittelschicht in China braucht ganz andere Größen und bevorzugt andere Farben sowie Funktionen. Das können Unternehmen aus dem Westen nur dann bieten, wenn sie Asiaten als Ingenieure, Produktentwickler und Designer beschäftigen. Es muss im und für den dortigen Markt produziert werden – nicht mehr nur in Deutschland für den Export.Das Kundenpotenzial ist jedenfalls da: Heute gehören bereits 200 Millionen Menschen in China der Mittelschicht an. Schätzungen gehen dahin, dass es bis zum Jahr 2020 rund 680 Millionen Chinesen sein werden. Diese Entwicklung basiert nicht zuletzt auf rapide steigenden Löhnen im verarbeitenden Gewerbe, die eine weitere Stärkung der Kaufkraft und ein größeres Interesse an westlichen Konsumgütern zur Folge haben.Auf die erste Phase der reinen Außenhandelstätigkeit folgt also fast zwangsläufig der Aufbau von Joint Ventures mit ausländischen Unternehmen bzw. die Gründung einer eigenen Niederlassung im Ausland. Mir ist bewusst, dass dies weitere Herausforderungen mit sich bringt: Kulturelle Unterschiede und Sprachbarrieren müssen überwunden und die jeweiligen rechtlichen Rahmenbedingungen berücksichtigt werden. Die grenzüberschreitende Liquiditätsplanung erhält noch mehr Gewicht. Im Mittelpunkt stehen die optimale Finanzierung und die Überwachung der Zahlungsströme. Deutsche Qualität gefragtBei meinem letzten Besuch in China sprach ich in Tianjin und Peking mit vielen deutschen Unternehmen, die diesen Schritt gewagt und erfolgreich bewältigt haben. Alle haben übereinstimmend betont, dass einheimische Unternehmen zusehends stärker werden. Konkurrenten sind nicht mehr nur die großen international agierenden Konzerne mit ihren asiatischen Dependancen, sondern zunehmend stark expandierende chinesische Unternehmen. Bei den Preisen sind sie kaum zu schlagen, auch technologisch holen sie mit großen Schritten auf – und trotzdem: Deutsche Qualität ist ein überzeugendes Verkaufsargument. Der Leiter des China-Geschäfts eines deutschen Haustechnik-Herstellers sagte mir in diesem Zusammenhang, dass sich Eigenschaften wie saubere Schweißnahtführung oder hohe Materialqualität nicht einfach kopieren lassen, und das wissen die Kunden zunehmend zu schätzen.Bei vielen chinesischen Unternehmen setzt sich die Erkenntnis durch, dass sie die Qualität ihrer Produkte und die Effizienz sowie die Sicherheit ihrer Herstellungsverfahren verbessern müssen – und sie erkennen, dass sie dies nicht aus eigener Kraft schaffen, sondern nur mit westlicher Technologie und dem entsprechenden Know-how. Mit ihnen wächst eine neue bedeutende Zielgruppe beispielsweise für den deutschen Maschinen- und Anlagenbau heran. Die Chancen, die sich durch die Modernisierung der chinesischen Wirtschaft und den Ausbau der Infrastruktur eröffnen, nutzen wir Deutschen noch viel zu wenig. Unser Marktanteil im Maschinenbau beträgt in den Asean-Ländern nicht einmal die Hälfte dessen, was wir im weltweiten Durchschnitt erreichen. In der PflichtAn diesem Punkt sehen auch wir uns als Commerzbank in der Pflicht. Unsere Mittelstandsbank unterstützt den Mittelstand nicht nur beim Außenhandel – keine andere Bank hat laut SWIFT-Watch 2012 mehr im Ausland zugunsten deutscher Unternehmen eröffnete Akkreditive abgewickelt als die Commerzbank -, sondern wir begleiten ihn durch unsere Präsenz vor Ort in mehr als 50 Ländern mit einem einheitlichen Betreuungsmodell. In allen unseren Auslandsfilialen stehen dazu German Desks bereit, die das vertraute Produktangebot in den Auslandsfilialen bereithalten und in enger Abstimmung mit den deutschen Kollegen “aus einem Guss” beraten. Außerdem erweitern wir unser Netzwerk durch Partnerschaften wie beispielsweise zur Kasikornbank in Thailand. Damit können Unternehmen, die in Thailand investieren, ein flächendeckendes Filialnetz in diesem Land nutzen und dabei auf hohe Qualitätsstandards vertrauen.Der deutsche Mittelstand kann sich auf effiziente Unterstützung bei seinem internationalen Geschäft verlassen – denn zur Internationalisierung gibt es aus meiner Sicht für viele Unternehmen kaum eine Alternative.