Im Interview: Gero Bergmann

VDP-Präsident rechnet 2024 mit Bodenbildung

Die deutschen Immobilienfinanzierer ächzen unter den Folgen des Zinsanstiegs. Verbandspräsident Bergmann rechnet Mitte 2024 mit einer Bodenbildung bei den Preisen für Gewerbeimmobilien.

VDP-Präsident rechnet 2024 mit Bodenbildung

Im Interview: Gero Bergmann

"EZB scheint große Amplitude zu bevorzugen"

Pfandbriefbanken-Präsident kritisiert die EZB beim Thema Immobilienbewertung scharf und sieht fatale Aussichten für Projektentwicklungen

Von Wolf Brandes und Detlef Fechtner

Immobilienmärkte und Finanzierer stehen unter Druck. Die Transaktionen kommen nicht in Gang, die Risikovorsorge muss hochgesetzt werden. Jetzt will die EZB die Immobilienbewer- tung unter die Lupe nehmen und hat Gutachter aufgefordert, ihr Vorgehen zu erläutern. Gero Bergmann, Präsident des Verbandes deutscher Pfandbriefbanken und Mitglied des Vorstandes der BayernLB, erwidert die Kritik und gibt einen Ausblick auf Märkte und Regulierung.

Herr Bergmann, beim Thema Immobilienbewertung hieß es von der EZB vor einiger Zeit sogar, die Banken hätten hier einen blinden Fleck. Was sagen Sie dazu?

Wir sehen das völlig anders. Natürlich ist eine Nervosität am Markt da, aber die Bewertungen werden laufend angepasst und fließen in die Berechnung der Kapitalanforderungen ein. Das Thema Bewertung steht bei uns absolut im Fokus. Wir halten nichts von Ideen auf EU-Ebene, eine Angleichung an die angelsächsische Praxis, Werte in Boomphasen sehr schnell und in Downturns zügig herunterzuschreiben, vorzunehmen.

Die Kritik ist für Sie also nicht verständlich?

Gegenfrage: Sollte man wirklich sämtliche Risikofaktoren, die irgendwo gerade auf die Tagesordnung kommen, in eine langfristig vorausschauende Bewertung einfließen lassen? Das würde zu extremen Schwankungen führen. Man sollte vielleicht nicht nur die internationalen Gutachter befragen, sondern auch die deutschen. Denn das deutsche Wertgutachten berücksichtigt natürlich die vorhandenen Risikofaktoren, aber bei uns erfolgt eine Glättung. Damit ist der deutsche Markt seit vielen Jahren gut gefahren, besser als die meisten internationalen Märkte.

Könnten höhere Beleihungsquoten ein Problem für die Banken werden?

Über alles gesehen liegen die Beleihungsquoten weiterhin unter 60 %. Sie verändern sich aber natürlich in Zeiten der Krise. Ist das besorgniserregend? Nein. Die Gaps zwischen Kreditbetrag und Immobilienwert sind nach wie vor komfortabel. Übrigens besteht auch seitens der Regulierung ein Sicherheitsmechanismus: Wenn Markt-werte sinken und somit die LTVs steigen, haben Banken zusätzliches Eigenkapital vorzuhalten. Die Regulierung erfüllt also aus sich heraus ihren Zweck.

Sind fehlende Transaktionen für Ihre Mitgliedsunternehmen keine besondere Herausforderung?

Natürlich sind sie das. Aber die Konsequenz aus wenigen Transaktionen kann doch nicht sein, die Preise möglichst niedrig anzusetzen. Es ist doch nicht der richtige Weg, Risiken zu unterstellen, von denen man gar nicht weiß, ob es sie gibt. Man muss der Trägheit dieses Marktes Rechnung tragen. Eine wichtige Rolle spielen auch die Renditeerwartungen von Investoren, die sich nur langsam anpassen.

Es ist doch aber frappierend, dass in London die Preise für Gewerbeimmobilien um fast 20% gefallen sind und in Frankfurt nicht einmal halb so stark. Wie kann das sein?

Hier möchte ich erneut eine Gegenfrage stellen: Ist es wirklich gut und wird es dem betrachteten Markt gerecht, dass die Preise in London oder anderswo so nach oben schießen und dann wieder stark einbrechen? Ist nicht eine geringere Volatilität besser? Der Immobilienmarkt ist träge, d. h. man muss diesem Markt auch ein bisschen Zeit geben. Die EZB scheint hingegen eine möglichst große Amplitude zu bevorzugen. Aber warum? Manchmal denke ich, die EZB ist regelrecht überrascht, dass der Immobilienmarkt nicht der gleichen Dynamik folgt wie der Kapitalmarkt.

Einer der Kritikpunkte der EZB bezieht sich auf die mangelhafte Rotation der Gutachter und verspätete Bewertungen. Ist das alles ausgedacht?

Wir können das nicht nachvollziehen. Die Gutachter werden selbstverständlich überwacht, es gibt eine nachgewiesene Weiterbildung und die Stabilität in der Bewertung spricht für sich. Das deutsche Bewertungssystem hat uns 2008 geholfen, gut durch die Krise zu kommen. Ich wäre sehr dafür, dass die EZB das ein Stück weit goutiert und sich auch am deutschen System orientiert.

Und dass Bewertungen nicht rechtzeitig erfolgen?

Das trifft auf unsere Mitgliedsinstitute nicht zu. Wir haben vorgeschriebene Prozesse. Einmal im Jahr werden die Gewerbeobjekte überprüft, anlassbezogen auch häufiger, und wenn es Abweichungen gibt, folgt eine Neubewertung. Für Wohnimmobilien erfolgt die Prüfung alle drei Jahre. Auch das wird selbstverständlich eingehalten.

Zu Wohnimmobilien hat die Bundesbank erst kürzlich wieder gesagt, dass viele Häuser und Wohnungen überbewertet sind. Das stimmt also nicht?

Seit Jahren redet die Bundesbank von einer Überbewertung in Höhe von 20–30 %, mal mehr, mal weniger. Gemeint sind aber nicht Marktwerte, sondern das Verhältnis von Preisen zur Miet- und Einkommensentwicklung. Aber ist es zwangsläufig ein Kennzeichen von Überbewertung, wenn sich viele Haushalte kein Wohneigentum mehr leisten können?

Das ist also weniger eine Frage von Marktpreisen?

Der Wohnraum ist knapp und an dieser Stelle muss man an die gesellschaftliche Verantwortung appellieren, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Wenn man sich den Markt anschaut, sieht man jetzt natürlich einen leichten Druck auf die Preise und gleichzeitig steigende Mieten. Damit ist aber klar, dass wir im Wohnsegment keine signifikanten Preisanpassungen nach unten bekommen werden. Im Gegenteil, das Angebot wird sich weiter verknappen, weil ja so gut wie nichts mehr gebaut wird.

Die jüngsten Quartalszahlen von Pfandbriefbanken zeigen eine heraufgesetzte Risikovorsorge. Das hat zum Teil überrascht.

Alle Institute nehmen eine stärkere Risikovorsorge vor, und das ist auch angebracht. Die Geschwindigkeit an den Immobilienmärkten war in diesem Jahr rasant, angefangen mit einem in Stärke und Dynamik historischen Zinsanstieg. Dessen Auswirkungen waren Anfang des Jahres noch nicht vollständig zu überblicken. Die Banken mussten sich ehrlicherweise sehr schnell den neuen Bedingungen anpassen.

Die Frage der Bodenbildung oder Talsohle ist oft gestellt worden. Wie ist Ihre Prognose?

Ich rechne damit, dass wir Mitte 2024 an den Punkt gelangen werden, an dem es nicht weiter runtergehen wird. Und ich glaube, dass wir gegen Ende des zweiten Halbjahres eine erste leichte Zinssenkung sehen. Dann wird der Transaktionsmarkt wieder anlaufen und die Bodenbildung erreicht sein.

Müssten dann Investoren nicht langsam wieder aus den Löchern kommen?

Der Druck für die Investoren wird sicherlich größer. Und ja, irgendwann werden sie handeln und wieder Chancen ergreifen.

Die Belastungen für die Banken ergeben sich nicht nur durch die Märkte, sondern auch durch Kapitalpuffer und Basel III. Gibt es hier etwas Neues?

Wir haben gebetsmühlenartig die kontraproduktiven Auswirkungen der Kapitalpuffer auf die Immobilienfinanzierung erläutert. Es gab sehr viel Zustimmung, doch geändert hat die BaFin bisher nichts. Die Puffer waren schon bei ihrer Einführung nicht gerechtfertigt. Das ist jetzt mehr denn je der Fall. Blicken wir auf die aktuelle Lage an den Immobilienmärkten: Was soll denn noch passieren, damit diese Kapitalpuffer wieder abgeschafft werden?

Ist der Kapitalpuffer wirklich das größte Problem der Regulierung?

Nein. Viel schlimmer wird es bei Projektentwicklungen kommen, von denen einige ja derzeit ohnehin in Schwierigkeiten sind. Wenn Basel III vollständig umgesetzt ist, wird das diesen Markt komplett verändern.

Übertreiben Sie jetzt nicht?

Zukünftig wird eine Projektentwicklung unter Basel III behandelt wie ein ausgefallener Kredit mit 150% Risikoaufschlag. Mit der Folge, dass die Renditeerwartung als finanzierende Bank um ein beträchtliches Maß gesenkt werden müsste oder dass sich der Kredit für eine Projektentwicklung signifikant verteuern würde. Beides ist unrealistisch.

Was passiert dann?

Die Frage der Wirtschaftlichkeit einer Projektentwicklung wird noch schlagender und wird dazu führen, dass alternative Finanzierer in die Lücke stoßen. Das kann nicht im Interesse einer Aufsicht oder des Marktes sein. Im Kreditwesengesetz steht: „Kreditgeschäft ist Bankgeschäft.“ Da kann es nicht Ziel einer Regulierung sein, die Abwanderung dieses klassischen Bankgeschäfts in andere, nicht regulierte Bereiche zu incentivieren.

Das Interview führten Detlef Fechtner und Wolf Brandes.

Zur Person

Gero Bergmann, der im Vorstand der Bayerischen Landesbank (BayernLB) das Geschäftsfeld Immobilien & Sparkassen verantwortet, ist seit Juni 2023 Präsident des Verbands deutscher Pfandbriefbanken (VDP). Der 1970 geborene Bergmann ist seit April 2021 im Vorstand der BayernLB. Nach seiner Ausbildung zum Bankkaufmann bei der Berliner Bank und einem Jurastudium an der FU Berlin war er als Rechtsanwalt tätig. 1999 wechselte er in die Immobilien- und Pfandbriefbank Berlin Hyp. 2011 wurde er dort in den Vorstand berufen. Neben seiner Vorstandstätigkeit bei der BayernLB ist er Aufsichtsratsvorsitzender des Fondsdienstleisters Real IS. Er ist Fellow des Berufsverbands  RICS.

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