Marc Knothe

Intrum bläst zur Offensive auf dem deutschen Markt

Der Forderungsmanager Intrum will bundesweit unter die Top 3 vorstoßen. Banken bietet er neben dem Transfer fauler Kredite eine Übernahme von Beschäftigten an.

Intrum bläst zur Offensive auf dem deutschen Markt

Von Bernd Neubacher, Frankfurt

Der Forderungsmanager Intrum Justitia bläst zur Offensive auf dem deutschen Markt für faule Kredite. Auf mittlere Sicht will die an der Börse Stockholm notierte Gesellschaft bundesweit unter die ersten drei Spieler vorstoßen, wie Marc Knothe, Chief Executive Officer für Deutschland und Österreich, der Börsen-Zeitung im Gespräch sagt. Derzeit zählt Intrum sich in Deutschland zu den Top 5. Europaweit bescheinigt sich das Unternehmen unterdessen die Marktführerschaft.

In den ersten neun Monaten des laufenden Jahres hat die in 24 EU-Staaten präsente Gesellschaft knapp 13 Mrd. skr (1,29 Mrd. Euro) eingenommen und vor Steuern und Zinsen operativ 4,4 Mrd. skr verdient. Hierzulande ist Intrum mit rund 500 Mitarbeitern an fünf Standorten präsent. Zu ihren Wettbewerbern zählt sie etwa die zur Otto-Gruppe gehörende Eos, aber auch Lowell und Paigo.

Der Markt ist in Bewegung

Die Branche ist in Bewegung. Zum einen wälzt die Digitalisierung auch den Sektor der Forderungsmanager um, zum anderen hat der regulatorische Druck zugenommen. Regelmäßig ändern sich die gesetzlichen Vorschriften, zuletzt hat das Gesetz zur Regelung der Inkassogebühren die Provisionen gedeckelt, was Knothe als großen Einschnitt ins Gebührenmodell wertet. „Der Druck auf dieses Thema wird wachsen“, sagt er. Auch vor dem Hintergrund einer zunehmenden Automatisierung werde es für Unternehmen, denen die erforderliche Finanzkraft fehle, schwer: „Es trennt sich die Spreu vom Weizen. Es wird Konsolidierung geben. Einige Anbieter stehen zum Verkauf.“ Zu den neuen Anbietern, welche das Inkassogeschäft von vorneherein digital angehen, zählt er Gesellschaften wie Pair, Troy oder E-Collect. Auch Intrum, an welcher der Finanzinvestor Nordic Capital 40% hält, bemüht sich, den sogenannten vorderen Teil der Mahnbearbeitung bis zum rechtlichen Inkasso, automatisiert zu bewältigen. Auch hat der Konzern soeben alle 24Länder in der Europäischen Union auf eine einheitliche Plattform migriert, was er sich rund 1 Mrd. skr hat kosten lassen.

Großer Kundenkreis

Zu den Kunden in Deutschland zählen dabei neben Banken und Versicherern Telekommunikationsun­ter­nehmen, Anbieter aus dem Ge­sundheitswesen, dem E-Commerce sowie Versorger. Im Finanzsektor will Knothe dabei vor allem sogenannten Carve-outs punkten, in deren Zuge Intrum etwa mit einer Bank nicht nur den Transfer fauler Kredite oder deren Servicing, sondern auch den Wechsel von Beschäftigten vereinbart. Vor drei Jahren machte Intrum europaweit von sich reden, als die Gesellschaft mit Intesa Sanpaolo die Übertragung eines 11 Mrd. Euro schweren Portfolios fauler Kredite (NPL Non-Performing Loans) in ein gemeinsames Joint Venture unter Führung Knothes vereinbarte.

Bundesweit haben Carve-outs das Wachstum des Unternehmens beflügelt. Derzeit entfalle der Umsatz in Deutschland zur Hälfte auf die Verwertung von Portfolien, der Rest aufs Servicing und auf Carve-outs, wie Knothe berichtet, der für das bundesweite Geschäft darüber hinaus allerdings keine Zahlen nennt.

Das Kalkül ist klar: Forderungsmanagement gehört für Banken nicht zum Kerngeschäft, zudem wollen viele Institute Stellen und Bilanzpositionen abbauen und sind zudem im Back Office ohnehin unterinvestiert.

Intrum sieht ihren Hebel dabei in einer Optimierung der Prozesse. Mit ihrer Infrastruktur, mit Optimierung und Automatisierung erziele die Gesellschaft Margen zwischen 15 und 20%, sagt Knothe. Teils lägen die Bruttospannen auch nördlich von 30%. Dazu zeige man mit Portfolien allerdings auch schon einmal zehn bis 15 Jahre Geduld. Da Intrum erfolgsabhängig vergütet werde, tausche eine Bank letztlich fixe gegen variable Kosten, wirbt Knothe für Übertragungen.

Wie viele Beschäftigte bei Carve-outs den Arbeitgeber wechseln, ist Teil der Verhandlungsmasse. Je länger die Laufzeit einer Vereinbarung, umso eher ist der Forderungsmanager zum Transfer von Personal bereit. In Brandenburg oder Essen hat er deshalb eigens Standorte gegründet. „Grundsätzlich sind wir am Aufbau einer langfristigen Kundenbeziehung interessiert“, sagt Knothe, der zugleich klarstellt: „Es ist nicht mein ultimatives Ziel, möglichst viele Mitarbeiter zu übernehmen.“ Vereinbart wird neben der Übernahme be­stehender Problemkredite und Kennziffern zu deren Qualität oft auch ein Transfer künftig entstehender NPL.

Gerade Carve-outs aber erforderten oft jahrelange Vorbereitungen, wie Knothe sagt. In der Praxis tun sich für das Konzept des Forderungsverwerters, der dank Spezialisierung und Skaleneffekte reüssiert, zumindest im Bankenmarkt ohnehin oft hohe Hürden auf: Zwar bettelt die europäische Bankenaufsicht Finanzinstitute schon seit Jahren förmlich an, den Bestand ihrer faulen Kredite doch bitte über NPL-Marktplätze zu veräußern. Deren Anbieter wie das Frankfurter Fintech Debitos indes haben bislang kaum so recht abgehoben. Denn in der Regel verwerten Finanzdienstleister ihre Problemforderungen lieber abseits öffentlicher Märkte im Stillen.

Für einige namhafte Häuser des Retail-Geschäfts aus dem europäischen In- und Ausland hat Intrum zwar bereits Portfolien abgewickelt, auch in deren Namen. Gerade in Häusern aber, die momentan breiter angelegte Restrukturierungen stemmen, steht die Auslagerung von Krediten beziehungsweise der damit befassten Beschäftigten nicht unbedingt ganz oben auf der Agenda.

Gemischte Teams

Während Leitlinien der Europäischen Zentralbank (EZB) zum Abbau von NPL mit Blick auf etwaige Interessenkonflikte vorsehen, dass faule Forderungen verwertende Beschäftigte nicht identisch sein sollen mit jenen, die diese Kredite einst in die Bilanz holten, vertritt Knothe eine moderatere Position. Natürlich stelle man die Teams aus Mitarbeitern verschiedener Provenienz zusammen. Oft sei es aber sinnvoll, Leute zu haben, die wüssten, wen sie im alten Institut befragen müssten. „Wir würden nie ein ganzes Team so belassen. Der Mix ist wichtig“, betont er jedoch. In Deutschland treibe das Unternehmen jährlich 200 Mill. Euro an Forderungen ein und führe sie auf diese Weise wieder dem Wirtschaftskreislauf zu, sagt der Manager.

Überhaupt fällt auf, wie sich der Auftritt der Branche, wohl auch im Lichte eines verstärkten Augenmerks der Regulierung, wandelt. „Russen-Inkasso“ war gestern; das Konzept der „Customer Journey“ geistert heutzutage selbst durch die Branche der Inkasso-Spezialisten, und der Online-Auftritt von Intrum gemahnt auf den ersten Blick eher an jene eines Therapiezentrums mit niedrigschwelligen Angeboten als an eine Firma, die Schulden eintreiben will.  „Wir helfen Ihnen“, ist auf der Website zu lesen. Und: „Faires Inkasso gilt besonders in Krisenzeiten.“

Psychologen an Bord

Intrum beschäftigt zum Beispiel Psychologen, um Briefe ansprechender zu formulieren, wie Knothe sagt: „Wir sprechen nicht von Schuldnern, sondern von Kunden. Wir haben auch nur Erfolg, wenn wir die Kunden auf gesunde finanzielle Beine zurückbringen. Der überwiegende Teil der Schuldner ist nicht aus eigener Schuld in ihre Situation geraten, sondern infolge Arbeitslosigkeit, Krankheit oder Scheidung.“