Investmentpausen schützen vor Verlusten
Von Armin SchmitzNach der kräftigen Erholung an den Aktienmärkten stehen diese im Mai vor der Phase der traditionell schwierigen Sommermonate. Viele Anleger fragen sich, ob sie sich über den Sommer nicht lieber von ihren Aktien trennen sollten. Auch Analysten warnen vor einer nahenden Korrekturphase nach der Dividendensaison. Die Sommermonate gelten als die statistisch meist schwächsten Börsenmonate. “Sell in May and go away” oder auch “Halloween-Effekt” genannt gilt zwar mittlerweile als Binsenweisheit. Aber kaum jemand weiß, dass es sich nicht um eine Aussage des Börsenaltmeisters André Kostolany handelt, sondern dass sie ein wiederkehrendes Phänomen ist, das in älteren Börsenberichten aus dem 19. Jahrhundert erwähnt wird. Tatsächlich wird das Ereignis “Sell in May and go away; don’t come back till St. Leger Day” genannt. Wobei Saint Ledger Day ein Pferderennen war, das immer am 9. September stattfand. Zahlreiche Untersuchungen über verschiedene Länder hinweg belegen, dass die Börsengewinne in den Monaten von November bis April in unterschiedlicher Ausprägung deutlich über denen der Phase Mai bis Oktober liegen. Eine Untersuchung des US-Aktienmarktes im Zeitraum von 1926 bis 2005 von Ben Jacobsen von der Massey-Universität von Auckland, Neuseeland, demonstriert, dass die amerikanischen Aktien im Zeitraum von November bis April um durchschnittlich 6,8 % zulegten, in den Sommermonaten aber lediglich um 2,9 %. Sven Bouman und Ben Jacobsen konnten in ihrer Studie zeigen, dass mit Ausnahme von Neuseeland in 37 untersuchten Ländern überdurchschnittliche Renditen in den Wintermonaten erzielt werden konnten. Ähnliche saisonale Schwankungen sind auch am deutschen Aktienmarkt zu beobachten. Hubert Dichtl und Wolfgang Drobetz vom Hamburg Financial Research Center wiesen den Effekt in einer jüngeren Arbeit von 2014 auch für verschiedene Märkte nach. Für den Zeitraum von 1966 bis 2012 ermittelten sie für eine Buy-and-Hold-Strategie eine Rendite von 6,8 % jährlich. Hielt der Anleger im Zeitraum von Mai bis Oktober eine Investmentpause ein, konnte er eine Rendite von 8,5 % p.a. erzielen. Die Sharpe Ratio, also die Überrendite im Verhältnis zum eingegangenen Risiko gegenüber einer sogenannten risikolosen Geldanlage, betrug für die Buy-and-Hold-Strategie 0,29, das “Sell-in-May”-Konzept kam auf 0,56. Niedrigere Schwankungen Die Untersuchung des Hamburg Financial Research Centers konnte auch zeigen, dass die Volatilität bei der jährlichen Investmentpause deutlich niedriger lag als bei der kontinuierlichen Anlage. Auf 23,5 % jährlich kam die Dax-Anlage, die Anlagestrategie ergab eine Volatilität von nur 15,3 %. Dichtl und Drobetz kommen zu dem Schluss, dass die “Sell-in-May-” bzw. “Halloween”-Strategie bessere Renditen und geringere Risiken bietet als die klassische Buy-and-Hold-Strategie. Saisonale Effekte treten überdurchschnittlich häufig auf, aber nicht immer. Besonderheiten wie beispielsweise politische Effekte oder das Eingreifen der Notenbanken können die Regeln aussetzen. Beispielsweise war es in den Jahren 2011 und 2012 ein Fehler, während der Sommermonate eine Investmentpause einzulegen. Anleger können theoretisch selbst Ende Mai ihre Portfoliobestände verkaufen und dann im Herbst wieder zurückkaufen. Das sorgt einerseits allerdings für Transaktionskosten, die den Ertrag schmälern können. Auf der anderen Seite tritt der Halloween-Effekt nicht in jedem Jahr auf. Anleger finden stattdessen am Zertifikatemarkt Strategie-Produkte, die in diesen statistisch kritischen Marktphasen eine Investmentpause eingehen. Das bekannteste Produkt ist vielleicht das DaxPlus-Seasonal-Strategy-Indexzertifikat der BNP Paribas (NL0000196301). Bei diesem von der Deutschen Börse berechneten Index wird die Dax-Notierung Ende Juli ausgesetzt. Der Index macht dann im August und September eine zweimonatige Investmentpause. Vom ersten Handelstag im Oktober an wird er dann wieder berechnet. Langfristig überzeugend Mit dem Zertifikat konnten Anleger in den zurückliegenden drei Jahren eine Rendite von 46,6 % erzielen. Das Produkt schlug damit den Dax deutlich, der im vergleichbaren Zeitraum nur 30,9 % zulegte. Beeindruckender ist die Entwicklung im Fünfjahreszeitraum. Das Produkt erzielte einen Gewinn von mehr als 90,2 %. Der Dax kam auf einen Zuwachs von lediglich etwas mehr als 39,9 %. Eine ähnliche Strategie verfolgt das Dax-Best-Season-Zertifikat der RBS (DE0005592828). Es startet die Messung der Dax-Performance am letzten Handelstag im Oktober. Vom letzten Handelstag im Juli an pausiert es drei Monate. Das Produkt kam in den vergangenen drei Jahren auf ein Plus von 33,1 % und schlug damit knapp den Dax. Seit Auflage im Juni 2005 erzielte das Produkt eine Rendite von 134,5 %. Bei dieser Strategie wurden die turbulenten Monate im Jahr 2008 nicht mitgemacht. Daher entwickelte es sich auch über den sehr langen Zeitraum besser als der Dax. Leider wurde dieses Produkt mit Wirkung zum 20. März 2017 gekündigt.