IM GESPRÄCH: JAKOB MÄHREN UND FRANK WOJTALEWICZ

Investoren halten sich bei deutschen Wohnimmobilien zurück

Kurzfristig belasten Coronakrise und Regulierung - Langfristig sind Chefs der Mähren AG und der Deutsche Invest Immobilien aber optimistisch

Investoren halten sich bei deutschen Wohnimmobilien zurück

Von Thomas List, FrankfurtGewohnt werden muss immer. Auch zu Zeiten von Corona, da sogar noch mehr als sonst, wenn man sich in Heimquarantäne befindet und im Homeoffice arbeitet. Und was heißt das nun für die Assetklasse Wohnen? Erstmal: Das Arbeiten von zu Hause klappt bei den knapp 60 Mitarbeitern der Mähren AG, einer Unternehmensgruppe mit 2 000 Wohnungen in Berlin, anderen ostdeutschen und einigen westdeutschen Städten ebenso wie bei den 180 Mitarbeitern der d.i.i. Deutsche Invest Immobilien, einem Wohnimmobilienspezialisten mit 8 500 Objekten von Hamburg bis zum Bodensee. Spürbare AuswirkungenBeim Geschäft selbst sind die Auswirkungen aber deutlich spürbar. “Wir sind akut getroffen”, sagt Jakob Mähren, Gründer und CEO der Mähren AG. “Die Zahl der Angebote, die wir von Maklern täglich auf den Tisch bekommen, liegt bei 10 % des Vor-Corona-Niveaus, an denen wir zwischen 50 und 100 Angebote erhielten.” Einige Mitarbeiter sind in Kurzarbeit, weil sie nicht (richtig) arbeiten können. “Die gesamte Handlungskette in unserem Geschäft ist gestört. Zu attraktiven Angeboten können wir nicht fahren, weil viele Menschen keinen Kontakt möchten.” Teilweise arbeiteten Notare nicht und Ämter seien nicht besetzt.Bei der d.i.i. Deutsche Invest Immobilien GmbH arbeiten die Mitarbeiter seit mehr als vier Wochen im Homeoffice. Nach Beobachtung von d.i.i.-Geschäftsführer Frank Wojtalewicz werden die Investoren, das sind bei d.i.i. überwiegend deutsche Institutionelle und Family Offices, vorsichtiger. “Das dürfte in diesem und dem kommenden Monat so bleiben.” Diese Zurückhaltung werde den Verkauf von Wohnungen und Mehrfamilienhäusern im zweiten und dritten Quartal beruhigen. Da im Zuge der Krise weniger Leute umziehen, wird der Mietanstieg geringer ausfallen, erwartet Wojtalewicz. D.i.i. entwickelt gebrauchte Immobilien, baut aber auch neue.Den Berliner Markt, auf dem die Mähren AG ihr Geschäft vor 18 Jahren begann, hält Jakob Mähren grundsätzlich für “kerngesund”. Berlin sei auf dem Weg zur Weltmetropole, der Zuzug halte an. “Deshalb sind die Preise langfristig stabil und werden sogar steigen.” Kurzfristig sieht das Bild allerdings anders aus. Der Wohnboom in Berlin sei in den vergangenen zwei Jahren abgeflaut. Die umfangreichen Regulierungen und die anstehende deutliche Erschwerung der Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen habe den Markt, so Mähren, massiv unter Druck gesetzt und zu Preisrückgängen von bis zu 30 % geführt. “Durch Corona kommen weitere 10 % dazu.” Deshalb bezeichnet er die Pandemie als “Verzerrungsbooster”. Ein normales Miethaus mit einer Miete von 8 bis 9 Euro pro Quadratmeter würden Investoren im Moment kaum nachfragen. Berliner Gewerbe im VisierMähren setzt deshalb verstärkt auf den Berliner Gewerbemarkt, der (bisher) unreguliert ist und starke Preissteigerungen aufweist. Allerdings werde der Markt wegen Corona unter Druck geraten, nicht zuletzt, weil viele Projektentwickler spekulativ, also ohne Vorvermietungen, gebaut hätten. “Ich rechne mit Pleiten, abgebrochenen Projekten und mit einem Austrocknen der Liquidität in Teilbereichen.” Das sei schon jetzt zu beobachten. Denn in vielen gewerblichen Großprojekten steckten nicht nur Bankkredite, sondern auch noch weitere Finanzierungen wie (teures) Mezzaninekapital, das nicht bedient werden könne.Auch Wojtalewicz hat beobachtet, dass große Bestandshalter ihre Berliner Neubauprojekte gestoppt haben. Das beeinflusst unmittelbar die Baupreise. “Bei unserem eigenen Projekt sind sie jetzt deutlich geringer als noch vor einem halben Jahr.” Alle Projekte, neben Berlin baut d.i.i. noch in Hamburg, liefen, berichtet er. Zu einem sehr geringen Teil allerdings nicht vollumfänglich, weil ausländische Handwerker fehlen.Mähren hat das Neugeschäft seit der Krise heruntergefahren, prüft zwar weiterhin Angebote, schließt aber keine Verträge ab. “Wir arbeiten unsere Projekte ab, mussten aber auch größere Bauprojekte auf Eis legen, weil ausländische Firmen nicht mehr nach Deutschland kommen.” Nach der Krise will man bereit sein, Chancen zum Beispiel durch Firesales wahrzunehmen. In drei oder vier Monaten, wenn Gewerbemieter ihre Miete nicht zahlen und dadurch die Immobilieneigentümer ihre Darlehen nicht bedienen könnten, werde der Druck wachsen. “Dann wollen wir zugreifen.” Wohnen könnte nach der Krise noch wichtiger werden als vorher. “Unsere Kriegskasse für den Ankauf ist voll”, so Mähren.Die Gesellschaft hat schon vor zwei Jahren begonnen, gut laufende Bestände in Form größerer Portfolien zu verkaufen, “weil wir schwarze Wolken am Immobilienhorizont haben kommen sehen”. 2018 war Mährens bestes Jahr mit einem Transaktionsvolumen von knapp 450 Mill. Euro, 2019 waren es 150 bis 200 Mill. Euro, und für 2020 sind ursprünglich 100 bis 200 Mill. Euro geplant.Und was machen die Geldgeber? Fragt Wojtalewicz bei seinen Investoren nach, so sagen ihm viele, dass die erneute Krise dem Thema Wohnen in Deutschland sehr in die Karten spiele. Grundsätzlich wollen sie zwar weiter Eigenkapital zeichnen. Manche hätten schon unterschrieben, wollten aber noch ein paar Wochen bis zum Absenden der Unterlagen warten. “In den nächsten vier bis sechs Wochen werden wir deutlich weniger Eigenkapital einsammeln.” Im Juli und August erwartet er eine Normalisierung der Lage.Vor Beginn der Coronakrise hatte sich d.i.i. für 2020 vorgenommen, 300 bis 400 (i.V. 350) Mill. Euro Eigenkapital einzuwerben. Es sollten 500 bis 600 (450) Mill. Euro in Wohnobjekte investiert werden. Die Gesellschaft hat bisher 15 geschlossene Spezial-AIF (1,5 Mrd. Euro Assets under Management) aufgelegt und sechs offene Spezial-AIF (1 Mrd. Euro Assets under Management) sowie zwei geschlossene Publikums-AIF (60 Mill. Euro Assets under Management). Fokus auf HilfsprogrammeBei den Banken merken beide Gesellschaften die starke Fokussierung auf die staatlichen Hilfsprogramme. “Bei laufenden Transaktionen hatten wir Schwierigkeiten, die Finanzierung aufzubauen”, berichtet Mähren. Bei einer zweistelligen Millionen-Finanzierung sei dies durch gute Kontakte zu den Banken schließlich gelungen. Einige Banken hätten ihm mitgeteilt, im Moment gar keine Immobilienfinanzierungen abzuschließen. Je nachdem, wie lange die Krise dauere, könnten für einzelne Transaktionen auch nur liquide Mittel eingesetzt werden, sagte Mähren zu den eigenen Plänen.Die d.i.i., die als Lehre aus der Finanzkrise nur über Sparkassen und Volksbanken finanziert, hat bei ihren Objekten für Privatkunden (die für Institutionelle sind meist nicht fremdfinanziert) einen Leverage von maximal 50 bis 60 %. Bei den Objekten, die kürzlich gekauft wurden, sei die Finanzierung “kein Problem” gewesen. “Die Banken sagen uns, das ist auch weiter kein Problem, weil der Staat deutlich früher seinen Rettungsschirm aufgespannt hat.”