IM INTERVIEW: FIONA REYNOLDS, PRINCIPLES FOR RESPONSIBLE INVESTMENT (PRI)

Investoren sind nicht aktiv genug

Nachhaltigkeitsaspekte müssen oft hinter schnellen Renditezielen zurückstehen

Investoren sind nicht aktiv genug

Nach der Weltklimakonferenz Cop23 in Bonn erläutert Fiona Reynolds, Managing Director der UN-Nachhaltigkeitsinitiative Principles for Responsible Investment (PRI), im Interview der Börsen-Zeitung die für sie wichtigsten Ergebnisse. Sie erklärt, warum solche Konferenzen auch für Investoren wichtig sind und wie die EU eine führende Rolle beim Thema nachhaltiges Investieren einnehmen kann.- Frau Reynolds, was sind aus Ihrer Sicht die Ergebnisse des Cop23?Für mich sind es drei Punkte: Erstens, es ist allen Beteiligten klar geworden, dass die Dringlichkeit, das Pariser Klimaabkommen umzusetzen, deutlich gestiegen ist. Was von den Staaten bisher unternommen wurde, reicht nicht aus, um das Ziel zu erreichen, die Erderwärmung bis 2020 auf maximal zwei Grad zu begrenzen. Die Maßnahmen zur Minderung von Treibhausgas-Emissionen, die in den nationalen Klimabeiträgen (Nationally Determined Contributions, NDC) geplant sind, sind noch zu gering. Der große Aufschrei ist bei der diesjährigen Konferenz zwar ausgeblieben, jedoch ist jedem klar, dass die Einhaltung der Ziele unsere letzte Chance ist.- Was sind die beiden anderen wichtigen Punkte?Zweitens war es wichtig, dass amerikanische Bürger, Investoren und Nichtregierungsorganisationen trotz des Ausstiegs der US-Regierung aus dem Pariser Klimagipfel in Bonn positive Zeichen gesetzt haben. Es war beeindruckend zu sehen, wie entschlossen sie sich gezeigt haben, dafür einzutreten, dass die USA dennoch die Ziele einhalten werden.Und schließlich ist für mich das unter der Führung von Großbritannien und Kanada geschlossene Bündnis von 19 Ländern für den Kohleausstieg von besonderer Bedeutung. Wir sind sehr enttäuscht, dass Deutschland als einziges der großen EU-Länder dieser Koalition nicht beigetreten ist. Vielleicht gibt es hier aber Bewegung, wenn die neue Regierung gebildet ist.- Welche Rolle spielten Investoren bei der Cop23?Insgesamt waren die Präsenz des privaten Sektors und sein Engagement für die Senkung schädlicher Emissionen und die Entwicklung neuer Technologien beeindruckend. Investoren waren auch vertreten, meiner Ansicht nach hätten es jedoch noch mehr sein können. Bisher sind einige führende Investoren sehr engagiert und investieren Milliardenbeträge in nachhaltige Anlagen. Das ist sehr wichtig, aber nicht genug. Es gibt noch zu viele Investoren, die nicht aktiv genug sind.- Warum haben viele Investoren noch immer Vorbehalte?Investoren sind meist eher konservativ und für neue Entwicklungen nur langsam aufgeschlossen. Außerdem wird oft immer noch sehr kurzfristig gedacht. Es geht um den heutigen Aktienkurs und nicht um den zukünftigen. In Bezug auf die Klimarisiken in den Portfolien ist aber eine langfristige Perspektive unerlässlich. Ich glaube nicht, dass alle Investoren wirklich erkannt haben, welche Chancen nachhaltiges Investieren bietet und welche Möglichkeiten es gibt, zum Beispiel mit Elektromobilität, erneuerbaren Energien und anderen neuen Technologien.- Hat Cop23 einen Einfluss auf Investoren?Solche Konferenzen sind sehr wichtig. Regierungen können als Gruppe starke Akzente setzen und wichtige Botschaften an die Investment Community senden. Die neu gebildete Kohleausstiegsallianz oder die von Großbritannien etablierte Green Finance Task Force, die Rahmenbedingungen für nachhaltiges Investieren setzen soll, sind solche Botschaften. Umgekehrt ist es für Investoren wichtig, auf solchen Konferenzen vertreten zu sein. Damit können sie den Regierungen deutlich machen, dass ihnen dieses Thema wichtig ist, und sie können eine Politik einfordern, die auf langfristiges und nachhaltiges Investieren ausgerichtet ist.- Auch die EU-Kommission sendet inzwischen Botschaften und lässt aktuell von einer Expertengruppe Standards für nachhaltiges Investieren erarbeiten. Wie beurteilen Sie die ersten Vorschläge?Die EU High-Level Expert Group on Sustainable Finance (HLEG) hat bereits sehr gute Empfehlungen abgegeben. Wichtig ist vor allem, dass im Fokus der ersten öffentlichen Konsultationen die Investorenpflichten stehen. Denn zu oft wird immer noch argumentiert, dass das Hauptziel der Vermögensverwalter die Performancemaximierung ist und aus diesem Grund langfristige Aspekte wie Klimaziele nicht berücksichtigt werden können. Es muss aber klar sein, dass vor allem bei langfristigen Anlagen, wie sie zum Beispiel Pensionsfonds verwalten, auch langfristige Risiken einkalkuliert werden müssen. Dazu gehören Nachhaltigkeitsziele.- Gibt es weitere Argumente?Ja, die Investoren verpassen schlicht auch gute Anlagechancen, wenn sie nachhaltiges Investieren außer Acht lassen. Die Arbeit der Expertengruppe ist daher sehr wichtig. Ich hoffe wirklich, dass die Empfehlungen der HLEG von der EU-Kommission aufgenommen werden. Es ist ein langer Weg. Aber ich glaube, wenn die EU hier die Führung übernimmt, werden andere Länder folgen.- PRI selbst arbeitet ebenfalls an neuen Standards. Wie werden diese aussehen?Wir haben uns mit den PRI-Mitgliedern erstmals auf Mindestkriterien geeinigt. Denn bisher gibt es Unterzeichner unserer Standards, die sich diesen nur wenig oder gar nicht verpflichtet fühlen. Jedoch ist es eine Gratwanderung. Denn wir können die Hürden nicht zu hoch legen, um neue Unterzeichner, die sich dem nachhaltigen Investieren verpflichten wollen, nicht abzuschrecken.- Wann gehen Sie damit an die Öffentlichkeit?Die neuen Standards sollen Ende November von unserem Board genehmigt und dann veröffentlicht werden. Aus jetziger Sicht erfüllen 200 der insgesamt 1 800 Unterzeichner die Mindestkriterien nicht. Mit ihnen sind wir in Gesprächen. Sie haben zwei Jahre lang Zeit, die neuen Anforderungen zu erfüllen. Andernfalls müssen sie die Initiative verlassen.—-Das Interview führte Christiane Lang.