Ist das Kapitalanlagegesetzbuch ein gutes Gesetz?

Regelwerk ist aus sich heraus nicht verständlich und in sich nicht geschlossen

Ist das Kapitalanlagegesetzbuch ein gutes Gesetz?

Was ist ein gutes Gesetz? Zweifellos ist das Kapitalanlagegesetzbuch (KAGB) ein Regulierungsmeilenstein, der in Deutschland die Branche der geschlossenen Fonds herkömmlicher Prägung vor völlig neue Herausforderungen gestellt hat, immer noch stellt und auch in der Zukunft weiterhin stellen wird. Zwar waren die Leitlinien der politisch gewollten Anforderungen an die Fondsanbieter (bzw. -Manager) und deren Produkte durch die diversen Entwürfe der Richtlinie über die Verwalter alternativer Investmentfonds (AIFM-Richtlinie) schon frühzeitig bekannt. Leider hat sich aber weder der europäische noch (gezwungenermaßen) der deutsche Gesetzgeber die notwendige Zeit gelassen, ein Regelwerk zu schaffen, das dem durchaus begrüßenswerten Ziel der strengeren Beaufsichtigung der Anbieter und Manager sowie des Vertriebs bislang kaum regulierter Fonds gerecht wird und in der Folge bei den Marktteilnehmern auch auf entsprechende Akzeptanz stoßen würde. Stattdessen wurde mit der heißen Nadel ein Legislativmonster geschaffen, das an Unübersichtlichkeit seinesgleichen sucht und trotz seiner immensen Regelungsdichte für die Praxis wesentliche Fragestellungen unbeantwortet lässt.Wer als Rechtsanwender – also diejenigen Gesellschaften und Personen, auf die das Gesetz Anwendung finden soll – versucht, sich mit dem Regelwerk Klarheit darüber zu verschaffen, wie er sich zu organisieren und zu verhalten bzw. wie er seine Produkte zu gestalten hat, dürfte enttäuscht werden. Das KAGB strotzt nur so vor Kettenverweisungen und zwingt dadurch zum übermäßigen Blättern, das KAGB verweist darüber hinaus auf weitere EU- bzw. deutsche Verordnungen, die zum Teil erst noch erlassen werden müssen, und die AIFMD selbst. Ohne das parallele Lesen und Begreifen all dieser verschiedenen Rechtsakte ist die Anwendung des Kapitalanlagegesetzbuches nicht möglich.Der angloamerikanischen Rechtskultur entlehnt ist zudem der dem deutschen Rechtskreis an sich unbekannte Zwang, dem eigentlichen Regelungswerk Begriffsdefinitionen voranzustellen, mit deren Hilfe vermieden werden soll, im eigentlichen Gesetzestext Fragen über die Bedeutung bestimmter Begriffe aufkommen zu lassen. § 1 KAGB enthält in 19 Absätzen immerhin 56 derartiger Definitionen, wobei schon im Bereich dieser Definitionen von den erwähnten Verweistechniken innerhalb des KAGB und aus diesem hinaus reichlich Gebrauch gemacht wurde.Allerdings war der Gesetzgeber aber bereits mit der Definition dessen, wofür das Gesetz überhaupt gemacht wurde, augenscheinlich überfordert. So wird zwar in § 1 Abs. 1 Satz 1 KAGB der zentrale Begriff des “Investmentvermögens” definiert bzw. umschrieben, und zwar als jeder Organismus für gemeinsame Anlagen, der von einer Anzahl von Anlegern Kapital einsammelt, um es gemäß einer festgelegten Anlagestrategie zum Nutzen dieser Anleger zu investieren, und der kein operativ tätiges Unternehmen außerhalb des Finanzsektors ist. Trotzdem weiß zum Beispiel ein Unternehmen, das die Betriebsführung für Windenergieanlagen übernommen hat, die einem geschlossenen Fonds gehören, nicht, ob es in den Anwendungsbereich des KAGB fällt oder nicht. Sind Gesamthandsgemeinschaften an Immobilien ein Investmentvermögen oder nicht? Wie sieht es aus mit Projektentwicklern: KAGB ja oder nein? Und macht es einen Unterschied, ob die Projektentwicklung in eine Tochtergesellschaft als Zweckgesellschaft ausgelagert wurde? Wie ist es mit dem Betrieb eines Containerschiffs (ein geradezu klassisches Fondsangebot, wenn auch im Moment sicherlich kaum zu platzieren), operativ tätig außerhalb des Finanzsektors oder doch eher regulierungsbedürftig?Es ist unbegreiflich, dass es dem Gesetzgeber schon bei der ersten und entscheidenden Vorschrift des KAGB nicht gelungen ist, einen aus sich heraus verständlichen Satz zu formulieren. Stattdessen sieht sich zunächst die Europäische Wertpapieraufsichtsbehörde ESMA und in ihrem Fahrwasser die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) genötigt, rund vier Wochen nach dem Beschluss des Gesetzes im Bundestag, aber knapp sechs Wochen vor seinem Inkrafttreten ein Auslegungs(!)schreiben zu veröffentlichen, in dem die Aufsichtsbehörden ihr eigenes Verständnis der gesetzlichen Definition darlegen. An dieser Stelle muss nicht erwähnt werden, dass der Inhalt gerade dieses Auslegungsschreibens zu hitzigen Diskussionen der Marktteilnehmer mit der Behörde geführt hat, und zwar noch lange bevor das Gesetz überhaupt in Kraft getreten ist.Erstaunlicherweise vertritt die BaFin hierin zum Beispiel die Auffassung, dass Schiffsfonds in einer sehr weit verbreiteten Struktur, nämlich bei der der Schiffsbetrieb über Zeitcharter erfolgt, operativ tätige Unternehmen und daher nicht vom KAGB erfasst seien. So richtig es sein mag, dass der Schiffsbetrieb auf Basis von Zeitchartern für die Einschiffsgesellschaft eine operative Tätigkeit darstellt (wie es in vielen Verkaufsprospekten auch klar und deutlich ausgedrückt ist), so schwierig wird es den vielen tausend Investoren von Schiffsfonds begreiflich zu machen sein, dass ausgerechnet diese Fonds von der Neuregulierung nun nicht erfasst sein sollen mit der Folge, dass Anbieter strukturell identischer Finanzanlageprodukte ihre Geschäftstätigkeit künftig an zwei völlig unterschiedlichen Aufsichtsregimen ausrichten müssen. Andererseits wird dadurch auch deutlich, dass die Misere der Schiffsfonds tatsächlich im Marktbereich begründet ist und insofern keinen “systemischen Fehler” darstellt, der einer gesonderten Aufsicht unterstellt werden müsste. Vielleicht ist dadurch auch erklärbar, warum der deutsche Gesetzgeber in seiner Gesetzesbegründung als Beispiele für alternative Investmentfonds zwar Immobilienfonds, Hedgefonds und Private-Equity-Fonds aufzählt, nicht aber Schiffsfonds. Wer weiß das schon?Ob die BaFin mit ihrer Auffassung überhaupt richtig liegt, ist natürlich noch nicht entschieden. Denn nicht die BaFin hat die Entscheidungshoheit darüber, wie ein Gesetz richtig anzuwenden ist, sondern die Gerichte. Faktisch ist es leider natürlich so, dass die wenigsten Marktteilnehmer es auf eine gerichtliche Auseinandersetzung mit der BaFin ankommen lassen, weil diese viel zu lange dauert (und zu teuer ist) und damit die Entwicklung des eigenen Geschäfts massiv behindert. Somit bekommen selbst Auslegungsschreiben, die formal natürlich keine Gesetze sind, faktisch Gesetzeskraft.Geradezu in Stein gemeißelt wird eine Auffassung der BaFin (oder auch anderer Behörden) dann, wenn deren Mitarbeiter sich “privat” an Kommentierungen zu einem Gesetz beteiligen und damit suggeriert wird, es habe sich unabhängig von der Behördenmeinung noch eine weitere Literaturmeinung zur Auslegung eines Gesetzes gebildet. Ein Gericht, das über einen streitigen Fall mit der BaFin zu entscheiden hätte, sodann aber zur Rechtsfindung aus diesem Kommentar zitiert, begeht jedoch (möglicherweise unbemerkt) einen schweren Fehler, denn es greift wie bei einem Zirkelschluss zur Entscheidungsfindung auf das Gedankengut zurück, über das es eigentlich entscheiden soll.Es wäre wünschenswert gewesen, wenn der europäische und auch der deutsche Gesetzgeber nicht dem Regulierungswahn verfallen wären und doch mit sehr viel mehr Augenmaß und handwerklichem Geschick ein gutes Gesetzeswerk geschaffen hätten: Ein Gesetz, welches das Wesentliche aus sich heraus verständlich und in sich geschlossen regelt und damit einerseits Rechtssicherheit schafft, andererseits aber ausreichend Raum für eine Selbstregulierung durch die betroffenen Kreise lässt, die die Angelegenheit selbst am besten kennen. Die BaFin könnte sich auf die konkret-individuelle Anwendung im Rahmen der Gesetze beschränken. Dies hätte voraussichtlich zu einer deutlich höheren Akzeptanz bei allen Marktteilnehmern (und deutlich weniger Rekrutierungsbedarf bei der BaFin) geführt. Denn nur eine hohe Akzeptanz eines Gesetzes gewährleistet, dass nicht permanent der Versuch unternommen wird, Lücken zu finden, die eine Anwendung des Gesetzes ausschließen. Das KAGB erfüllt diese Anforderungen nicht.——-Dr. Rolf Kobabe, Partner Banking, Finance & Capital Markets, Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH