Ist Wohnen in Deutschland noch bezahlbar?

Preissteigerung in einem transparenten Markt für alle Mieter kann nur durch ein erweitertes Angebot gebremst werden - Wohnimmobilienmarkt im Vergleich

Ist Wohnen in Deutschland noch bezahlbar?

In der Auseinandersetzung um steigende Preise für Mietwohnungen in deutschen Großstädten hat der Berliner Senat im Juni 2019 eine nächste Eskalationsrunde eingeläutet. Mit dem sogenannten “Mietendeckel” sollen nach dem Willen der Landesregierung weitere Erhöhungen ausgeschlossen werden. Ein weltweit einzigartiger Vorgang. Was sind die Folgen?Unabhängig von der nun erforderlichen Klärung der Zuständigkeit zwischen Landes- und Bundespolitik, vergleichbar der Auseinandersetzung um die Grundsteuer, wird in jedem Fall ein sehr öffentlichkeitswirksames Zeichen mit fragwürdigem Ausgang gesetzt. Entsprechend sind die Kurse der großen börsennotierten Wohnungsgesellschaften in den letzten Wochen stark unter Druck geraten: Kommunalpolitik beeinflusst Prozesse freier kapitalmarktwirtschaftlicher Ordnung.Aber cui bono? Was konkret bringt dieses Gesetz wem? Oder geht es “nur” darum, der Initiative “Deutsche Wohnen und Co enteignen” den Wind aus den Segeln zu nehmen, bevor sich ein politisches Desaster manifestiert?Die so heftig kritisierten privaten Bestandshalter haben den Großteil ihrer Bestände im Zuge der wirtschaftspolitisch motivierten Privatisierungen der 2000er Jahre erworben – die Deutsche Wohnen beispielsweise ging in Berlin aus der ehemals kommunalen GSW und der Gehag hervor, die Vonovia unter anderem aus der früher bundeseigenen Gagfah. Diese Verkäufe durch Kommunen und den Bund gingen ohne Proteste vonstatten. Hinzu kommt: Mit rund 300 000 Wohnungen waren und sind die kommunalen Wohnungsgesellschaften Berlins weiterhin der bei weitem größte Bestandshalter mit rund 20 % Marktanteil – die Deutsche Wohnen als größter privater Bestandshalter besitzt demgegenüber lediglich 110 000 Einheiten.Was in der heutigen Diskussion gerne vergessen wird: Das Land hat für den Verkauf Geld erhalten, Schulden getilgt, soziale Verpflichtungen erfüllt, Schulen saniert. Die Erträge aus den Verkäufen waren sicher deutlich niedriger, als die Bestände heute wert sind. Aber so sind die Gesetze des Marktes. Es hätte auch anders kommen können. Die privaten Investoren waren ins Risiko gegangen, weil sie, im Gegensatz zur Politik, die Urbanisierung als global wirkenden Megatrend früher gesehen hatten. So sind die steigenden Mieten und Preise nicht zuletzt Ausdruck der ungebrochen hohen Attraktivität der Städte und Ballungsräume. Das gilt weltweitDies gilt in der ganzen Welt, und es gilt eben auch in Deutschland: Die Urbanisierung schreitet voran, sei es durch bessere Lebensbedingungen oder mehr Chancen auf einen Arbeitsplatz oder durch den schleichenden Abbau der Infrastruktur auf dem Land. Entsprechend steigt auch die Nachfrage nach städtischen Wohnungen. Bei den Preissteigerungen bleiben im Übrigen auch die deutschen Spitzenreiter München und Berlin weit hinter anderen europäischen Städten wie Amsterdam oder Madrid zurück, um die weiter wesentlich höheren Preise in Paris oder London gar nicht erst zu erwähnen. Wo Arbeitsplätze entstehen, das Bruttoinlandsprodukt (BIP) wächst, steigen auch die Einkommen, und die Immobilienpreise erhöhen sich ebenfalls. Reale, unabänderliche Folgen der Urbanisierung. In Oslo genauso wie in Frankfurt oder Hamburg.Aufgrund der deutschen Mietgesetzgebung, einmalig in Europa, mit den strikten Einschränkungen aus dem BGB und der sogenannten Mietpreisbremse steigen jedoch die Preise für leere Wohnungen erheblich stärker als die Preise für vermietete Wohnungen. Während Neuvertragsmieten in Berlin in den letzten drei Jahren um 34 % expandiert sind, durften sie in einer zur Mietspiegelmiete vermieteten Wohnung um maximal 15 % zulegen (Kappungsgrenze). Noch deutlicher fällt die Preissteigerung für Eigentumswohnungen (ETW) aus: Durchschnittlich 40 % Preissteigerung in drei Jahren. Parallel geht die Fluktuation zurück, und der Verbrauch von Wohnfläche je Kopf steigt.Aufgrund der hohen Nachfrage und des sehr trägen Angebotes müssen Haushaltsgründer, Neuankömmlinge in den Städten sowie Migranten momentan erheblich höhere Preise für Wohnraum bezahlen als Bestandsmieter. Die Bestandsmieter wiederum werden von einem Umzug abgehalten. Entsprechend liegen die Mieterfluktuationen in den deutschen Großstädten auf einem Tiefststand. Waren früher 12 % üblich, so sind es heute 7 bis 8 %. Das Angebot wird weiter verknappt, und Bestandsmieter verbrauchen mehr Wohnraum, als sie benötigen, weil eine kleinere Wohnung für sie teurer wäre. Wird die Steigerung im Bestand nun ausgeschlossen, fällt auch das langsame Preiswachstum weg.Eine weitere Folge eines Mietendeckels: Wenn der Preis als Signal ausgeblendet wird, den alle Mietinteressenten in gleicher Höhe bezahlen müssen, spielen andere Faktoren eine Rolle. Nicht bei den öffentlichen Vermietern und auch nicht bei den großen börsennotierten Gesellschaften, aber bei den Kleinvermietern – und diese sind in Summe die größten Bestandshalter. Hier gibt es schon die ersten Anekdoten von erhöhten Abstandszahlungen für Küchen, Mobiliar, das Einfordern von Gefälligkeiten usw. Hierunter leiden als erste die sozial Schwachen, die sich nicht auskennen, nicht wehren können oder in Not sind: eine Folge der bundesweiten Mietpreisbremse.Es ist wahrscheinlich, dass der Druck auf den Markt für Eigentumswohnungen noch weiter zunehmen wird. Es gibt ja bereits zahlreiche Vorschriften, die ins private Eigentum eingreifen, etwa wenn der Einbau einer Gästetoilette oder eines Balkons als Luxussanierung untersagt wird. Dennoch bietet sich Wohnungssuchenden noch ein vergleichsweise liquider Markt. Damit das so bleibt, muss Grundstückseigentümern und Projektentwicklern der Neubau von Wohnraum ermöglicht werden. Das hängt entscheidend davon ab, wie deren Kalkulation auch von der Politik geprägt wird. Wie lange dauert es bis zur Genehmigung? Welche Rahmenbedingungen – ästhetisch, ökologisch, sozial – erwartet die Kommune? Und: Bringt es einen Vorteil, ins Baurisiko zu gehen, oder verhindern Restriktionen unternehmerisches Engagement?Eine Rekommunalisierung der Bestandswohnungen bringt – gar nichts. Dass der Staat kein besserer Immobilieninvestor ist als die private Wirtschaft, hat er bereits deutlich unter Beweis gestellt. Zum Beispiel in Berlin mit einem Anteil von 20 % am Wohnungsbestand und weitreichenden Möglichkeiten einer Regulierung der Preisbildung. Die Folge? Marktversagen. Durch Rekommunalisierung wird keine einzige neue Wohnung geschaffen, und die Ressourceneffizienz der Privatwirtschaft wird nicht genutzt. Das ist zwar gemütlich und wie im Museum, und manche Bewohner mögen sich so ihre Stadt wünschen – aber in einem solchen Umfeld wird nichts Neues kreiert und Zukunftsfähigkeit aufs Spiel gesetzt. Zukunft unserer GroßstädteStaatliche Intervention: ja. Aber an der richtigen Stelle. Das massive Auslaufen von Wohnungen aus der Sozialbindung ist ein klares Signal dafür, dass hier ein Eingreifen nötig ist. Mit neuen und mehr Wohnungen durch den Staat. Hierbei sollten aber Missstände des alten Systems bereinigt werden – Fehlbelegungsquoten müssen erfasst und eingefordert werden, damit die davon profitieren, die es wirklich brauchen.Auch wenn es nicht revolutionär, sondern ziemlich langweilig klingt: Die Preissteigerung in einem transparenten Markt für alle Mieter kann nur durch Erweiterung des Angebots gebremst werden. Also Neubau massiv beschleunigen, und zwar privaten wie auch öffentlichen, innerstädtische Flächen zügig aktivieren und als langfristige Herausforderung: die Stadt-Umland-Beziehungen verbessern, die Infrastruktur für Schiene, Straße, Luft. Und ja, es wird Bürgerproteste geben von denen, die eine Wohnung haben. So gibt es sie akut von denen, die keine haben. Diese Prozesse müssen dringend und mit höchster Priorität angegangen werden, um den Verteilungskampf zu entschärfen und Wachstum zu ermöglichen. Alles andere lenkt von dieser zentralen Herausforderung für die Zukunft unserer Großstädte ab. Konstantin Kortmann, Head of Residential Investment bei JLL Germany