BANKEN ZWISCHEN GESUND- UND KAPUTTSPAREN - SERIE KOSTENDRUCK IM FINANZSEKTOR: TEIL 8

IT bietet weiteres Einsparpotenzial

Infrastruktur lässt sich gemeinsam nutzen - Software kann gemietet werden - Weniger individuelle Anpassung, mehr Standard

IT bietet weiteres Einsparpotenzial

Geht es um das Kostensenkungspotenzial von neuen Technologien, wird im Bankgewerbe unweigerlich an die Automatisierung im Geschäft mit dem Verbraucher gedacht – an Geldautomaten, Online-Banking und die dadurch entfallenden Stellen hinter dem Schalter. Dabei lässt sich durch einen effizienteren Einsatz von Informationstechnologie noch weit mehr einsparen.Von Andreas Hippin, LondonBanken haben das Kostensenkungspotenzial, das die Digitalisierung ihrer Geschäftsprozesse bietet, längst nicht ausgeschöpft. “Wir denken, dass da noch eine ganze Menge mehr erreicht werden kann”, sagt Julian Skan, der bei der Beratungsgesellschaft Accenture für das Thema Banking in Europa, Lateinamerika und Afrika zuständig ist. “Die Banken haben noch nicht einmal die Hälfte der Einsparungen realisiert, die sie erzielen könnten.” Auch John Schlesinger, Chief Enterprise Architect beim Softwarehersteller Temenos, sieht noch viele Möglichkeiten.Das Thema ist ein gefundenes Fressen für IT-Firmen und Consultants, denn der Leidensdruck der Kreditinstitute ist groß. Zudem machen ihnen neue Wettbewerber aus dem Internet zu schaffen, die ihnen die Rolle als Finanzintermediäre streitig machen wollen.Zumindest in einer Hinsicht gibt die Analystin Oliwia Berdak vom US-Marktforscher Forrester Research Entwarnung: “Google wird keine Bank werden.” Allerdings wollten die Leute auch keine weitere Bank. Der Internetkonzern könne aber mit Leichtigkeit ein Anlaufpunkt werden, der zwischen Anbietern und Abnehmern von Finanzdienstleistungen vermittle.Die jüngste Verbraucherbefragung, die Accenture in Auftrag gegeben hat, zeigt, dass die Bereitschaft da wäre, bei Nichtbanken ein Girokonto zu eröffnen, wenn es denn angeboten würde. Über ein Konto bei der Ebay-Tochter Paypal würden 21 % zumindest nachdenken, The Post Office – die nach der Privatisierung der Brief- und Paketlogistik im Staatsbesitz verbliebenen Postämter – kommt ebenfalls auf 21 %. Jeweils 15 % könnten sich sogar vorstellen, ihr Geld den Einzelhändlern Tesco oder John Lewis (Waitrose) anzuvertrauen. Mysterium “Digital”Eine allgemeingültige Vorstellung davon, was Digitalisierung für Finanzdienstleister eigentlich bedeutet, gibt es nicht. Accenture-Experte Skan definiert das Schlagwort “Digital”, das in der Londoner City derzeit allerorten zu hören ist, wie folgt: “Keine Niederlassungen, vollständig mobil, eine Nutzererfahrung, die auf keinen anderen Bankvertriebskanal zurückgreift”. Um sich in diese Richtung zu entwickeln, müssten allerdings zunächst einmal die internen Stakeholder überzeugt werden. “Es gab eine sehr hohe Korrelation zwischen dem Gewinn und der Zahl der Filialen”, sagt Skan. “Das hat sich erst in letzter Zeit geändert.” Zwar zeigen die Accenture-Daten, dass die Filiale keineswegs ausgedient hat (siehe Grafik). Allerdings ist der Gang zur Bank in Großbritannien noch erforderlich, wenn man einen Scheck einlösen will. Lässt sich dieser wie in den Vereinigten Staaten mit dem Smartphone abfotografieren und mobil einreichen, könnte das Interesse am Besuch einer Niederlassung schnell nachlassen.Aber auch über die Schließung von Niederlassungen und die weitere Übernahme von Arbeitsschritten durch den Kunden hinaus bietet die IT noch Einsparpotenzial. “Ich glaube, es geht mehr um eine Veränderung der Architektur als der Technologie”, sagt Schlesinger. “Die Technologie gibt es schon eine ganze Weile.” Aber in den Jahren seit Beginn der Finanzkrise wurden langfristige Programme zur Produktivitätssteigerung gebremst, zusammengestrichen oder ganz auf Eis gelegt, weil die dafür vorgesehenen Mittel und Ressourcen an anderer Stelle gebraucht wurden – etwa um neue regulatorische Vorgaben zu erfüllen. Faktor 10 bis 100Schlesinger zufolge arbeiten Banken seit knapp einem Jahrzehnt an Technologien für die gemeinsame interne Nutzung von Infrastruktur. Setze man Technologien zur Virtualisierung auf gemeinsam genutzten Servern ein, lasse sich die Kapazitätsauslastung um bis zu 60 % steigern. Durch “Elastic Provisioning”, die flexible Verteilung von Rechenschritten auf verfügbare Kapazitäten, ließen sich die Kosten um den Faktor 3 senken. Durch den Umstieg von Großrechnern (Mainframes) auf Standard-Hardware könnten die IT-Kosten gar um den Faktor 10 bis 100 geschrumpft werden. Allerdings wäre das nicht möglich, ohne für eine Übergangszeit eine Parallelinfrastruktur aufzubauen, räumt Schlesinger ein – eine Art internen Wettbewerber, in dessen System man danach schlüpfen könne.”Die Banken dachten, ihr Filialbuchhaltungssystem sei ihr größtes Asset”, sagt Schlesinger. “Jetzt ist es ihre größte Bürde.” Die hauseigenen Rechenzentren der Banken könnten mit den großen Anbietern von Rechenleistung wie Amazon oder Google nicht mithalten. Seit Amazon 2005 mit ihrem Angebot an den Start ging, senkte das Unternehmen 42-mal die Preise. Dem britischen Regulierer sei es egal, wer die Rechenzentren für die sogenannten Core-Banking-Anwendungen betreibe, solange bestimmte Standards eingehalten würden, sagt Schlesinger. Der niederländische Regulierer DNB habe einer Bank erlaubt, auf Amazon und Azure zurückzugreifen. Damit könnten Banken in der ganzen EU ähnliche Schritte ergreifen. “Buy, not build”Nachdem man die Infrastruktur als Service zukaufe, könne man auch die Plattform und schließlich auch die Software als Dienstleistungen beziehen. Dieser Prozess werde lange Zeit in Anspruch nehmen, allerdings lockten große Einspareffekte. Insbesondere könnten die Banken im Privatkundengeschäft Front End und Middle trennen, wie es Amazon mit dem Amazon Marketplace gemacht habe. Dann falle ein erheblich geringerer Aufwand für die Anpassung an, wenn Core-Banking-Systeme als Dienstleistung genutzt werden sollen. “Ich habe einmal die IT-Kosten für ein Bankkonto auf rund 10 Dollar pro Monat geschätzt. Wir nehmen von unseren Kunden 1 Dollar im Monat. Nach der Trennung von Front End und Middle könnten es 5 Cent pro Monat werden.”Und bereits auf dem Weg dorthin lässt sich einiges effizienter machen. Zwar wird immer wieder “buy, not build” gepredigt: Die Banken sollen demnach Standardprodukte nutzen, statt sich ihre Anwendungen selbst zusammenzuschustern. Dann aber wird die Software von der Stange doch wieder so individuell angepasst, dass die Komplexität steigt und nicht sinkt. “Standardprodukte sind der richtige Weg”, sagt Skan. “Klassenbester wird, wer drei oder vier verschiedene Oracle-Datenbanken verwendet. Die Letzten haben 90 bis 100.”Der Berater glaubt nicht, dass Neugründungen wie Metro Bank per se besser aufgestellt sind, weil sie keine alten Systeme mit sich herumschleppen wie die etablierten Institute. “Wenn Metro Bank auf die Größe von Lloyds heranwachsen würde, hätte sie in Sachen Komplexität genau die gleichen Probleme.”—-Zuletzt erschienen:- Versicherer suchen Ausweg aus der Kostenfalle (2. September)- Die Fondsbranche mag sich nicht einschränken (27. August)