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Italien sagt Steuervermeidern den Kampf an

Von Thesy Kness-Bastaroli, Mailand Börsen-Zeitung, 17.3.2015 Paradise Lost: Italiens Steuerzahler, besser gesagt Steuersünder, haben seit Jahresbeginn ein Steuerparadies nach dem anderen verloren. Es geht dabei keineswegs um das epische Gedicht des...

Italien sagt Steuervermeidern den Kampf an

Von Thesy Kness-Bastaroli, MailandParadise Lost: Italiens Steuerzahler, besser gesagt Steuersünder, haben seit Jahresbeginn ein Steuerparadies nach dem anderen verloren. Es geht dabei keineswegs um das epische Gedicht des britischen Schriftstellers John Milton aus dem 17. Jahrhundert. Sondern es geht um konkrete Paradiese. Im Januar 2015 hat die italienische Regierung begonnen, bilaterale Abkommen mit der Schweiz, mit Liechtenstein und dem Fürstentum Monaco zu schließen. Diese zielen primär darauf ab, die Steuervermeidung und die Fortsetzung der Kapitalflucht der vergangenen Jahrzehnte zu verhindern. Arrivederci, GeheimkontenNun soll auch der Vatikan sein Bankgeheimnis fallen lassen. Für den Kirchenstaat bedeutet das Aufheben des Bankgeheimnisses nicht nur, dass er endgültig von der schwarzen Liste gestrichen wird. Es bedeutet auch das Ende jahrzehntelanger zwiespältiger Beziehungen zwischen Rom und dem Vatikan. Denn bei der Vatikanbank IOR sollen in den vergangenen Jahren nicht nur mächtige Politiker Italiens, sondern auch Mafiabosse und Unternehmer ihre Geheimkonten gehabt haben.Bereits im vergangenen Sommer hatte der ehemalige IOR-Präsident Ernst von Freyberg erklärt, dass sämtliche IOR-Kunden in Zukunft die Steuern in ihren Herkunftsländern bezahlen müssen. Seit gut einem Jahr wurden 18 900 Konten der Vatikanbank von 25 Finanzexperten der US-Unternehmensberatung Promontory durchleuchtet. Sie überprüften, ob die Kontoinhaber tatsächlich die eingetragenen Kleriker, Ordensgemeinschaften oder Vatikan-Bediensteten sind sowie die Finanzbewegungen.3 000 Konten wurden geschlossen, 775 davon gehörten “nichtklerikalen” Kunden. Papst Franziskus macht bei den Vatikan-Finanzen tatsächlich Tabula rasa: “In Italien geht eine Epoche zu Ende”, kommentiert Bankexperte Stefano Caselli von der Mailänder Elite-Universität Bocconi die jüngsten bilateralen Abkommen mit den Ex-Paradiesen. Er betont, dass es sich primär um einen politischen Erfolg der Regierung von Matteo Renzi handle. Die wirtschaftlichen Konsequenzen sollten nicht überbewertet werden.Rom hat der Kapital- und Steuerflucht mit mehreren Maßnahmen den Kampf angesagt. Regierungschef Renzi begnügte sich nicht damit, den Weg in die einstigen Steuerparadiese zu erschweren. Er hat zu Jahresbeginn Bestimmungen erlassen, wonach die Kapitalrückkehr erleichtert wird. Durch das sogenannte “Voluntary Disclosure” werden die Strafen für Kapitalausfuhr halbiert, sollte das einst ausgeführte Kapital zurückgeführt werden. Das Kapital kann auch in Zukunft im Ausland verbleiben, wichtig ist, dass es in Italien ordnungsgemäß registriert wird. Die Erleichterungen gelten bis kommenden September. Danach müssen etwaige Steuersünder auf ihr ausländisches Kapital mit saftigen Geldstrafen und strafrechtlicher Verfolgung rechnen. Steuerkontrollen verschärftAuch wurden die Steuerkontrollen verschärft. Die jüngsten Ermittlungen der Staatsanwaltschaft in Triest wegen des Verdachts der Veruntreuung von Geldern und Geldwäsche beim Traditionshaus Generali sind der beste Beweis dafür. All diese Vergehen sollen unter dem vor drei Jahren gefeuerten Management des Generali-CEO Giovanni Perissinotto und des Ex-Finanzdirektors Amerigo Borrini erfolgt sein.Schätzungen der Zentralbank Banca d’Italia zufolge halten die Italiener rund 300 Mrd. Euro Kapital im Ausland, 80 % davon in der Schweiz. In diesem Betrag soll auch das legalisierte Auslandskapital enthalten sein. Nicht nur die Voluntary Disclosure, sondern auch die Aufwertung des Schweizer Franken gegenüber dem Euro dürfte die Kapitalrückkehr stimulieren. Der Fiskus erwartet von den Maßnahmen im laufenden Jahr Nettoeinnahmen bis zu 5 Mrd. Euro. Finanz- und Steuerexperten sind sich einig, dass das Aus für die Steuerparadiese keine großen Umwälzungen bewirkt. Denn die derzeitige Entwicklung war vorauszusehen. Großunternehmer, Finanzkonzerne und vermögende Italiener hätten längst umdisponiert und ihr Kapital von den europäischen Finanzparadiesen nach Südostasien oder etwa in die Karibik transferiert.Die große Frage ist aber, wie das zurückkehrende Kapital investiert wird. Wird sich nun die Steuermoral ändern? In Italien gilt Steuerevasion in der Regel als ein Kavaliersdelikt und nicht als Betrug. Denn im Grunde genommen hat der Italiener kein Vertrauen in den Staat. Dies mag historisch begründet sein, wirkt sich jedoch heute noch auf die Steuermentalität aus. Nur durch eine Steuerreform ist eine Mentalitätsänderung möglich. Fondssparen profitiertDer Berater der Regierung Renzi, Wirtschaftsprofessor Marco Fortis, bestätigt, dass die ersten Maßnahmen für eine entsprechende Reform bereits ergriffen worden sind – wie etwa die Abschaffung der Unternehmenssteuer IRAP – und die Regierung an einer großangelegten Steuerreform arbeitet. Fortis ist Präsident der renommierten Edison-Stiftung und ein Experte für kleine und mittelständische Industriebetriebe. Das zurückgekehrte Kapital werde auch für eine höhere Kapitalisierung der Unternehmen investiert werden. Primär erwartet sich Fortis jedoch eine kräftige Belebung des seit Jahren kriselnden Immobiliensektors. Auch die Börse werde von der prognostizierten Kapitalrückkehr profitieren. Und da es für die kleinen Sparer und mittelständischen Unternehmen künftig schwieriger sein werde, Kapital ins Ausland zu transferieren, werde auch das Fondssparen von den Maßnahmen profitieren.Fondssparen verzeichnete bereits 2014 einen Boom, der auch zu Jahresbeginn fortgesetzt wurde. Italiens größter Vermögensverwalter Eurizon hat etwa im Vorjahr den Nettogewinn um 41 % erhöht. Fortis verweist auf das hohe Sparpotenzial in Italien. Die privaten Haushalte geben hier jährlich 2 968 Euro für Kapitalsparen aus. Damit steht Italien nach Deutschland an zweiter Stelle im Euroraum. Infolge der Krise sei die Finanzkraft der allgemein nur wenig verschuldeten italienischen Privathaushalte seit 2009 auf der Stelle getreten.”Im Gegensatz zu den Steuernachlässen der vergangenen Jahre, welche zwar eine vorübergehende Kapitalrückkehr bewirkten, aber eher als Geschenk für die Steuersünder denn für den Fiskus galten, hat die Regierung nun eine Vielzahl von effizienten Maßnahmen getroffen.” Stefania Tomasini, Ökonomin beim Wirtschaftsforschungsinstitut Prometeia, ist der Ansicht, dass es vor allem für die kleinen Sparer und mittelständischen Unternehmer in Zukunft schwieriger, wenn nicht gar unmöglich sein wird, ihr Kapital ins Ausland zu transferieren, um damit dem Fiskus ein Schnippchen zu schlagen.