Italienische Regierung will "Fehler" der EZB korrigieren
Rom schröpft Banken mit Übergewinnsteuer
Überraschende Maßnahme kurz vor der Sommerpause – Einnahmen in Milliardenhöhe erwartet – Aktienkurse im freien Fall
Mit einer Sondersteuer auf „Übergewinne“ der Banken will Italiens Regierung haushaltspolitischen Spielraum für Steuersenkungen gewinnen. Rom erhofft sich Mehreinnahmen in Milliardenhöhe. Die Bankenkurse brachen nach der völlig überraschenden Ankündigung ein. Die Institute äußerten sich nicht.
bl Mailand
Mit einem massiven Kurseinbruch haben die Aktien der italienischen Banken auf die Ankündigung der italienischen Regierung reagiert, eine Sondersteuer auf „Übergewinne“ der Institute einzuführen, die auch rückwirkend gilt. Vizepremier und Verkehrsminister Matteo Salvini kündigte die völlig überraschende Maßnahme unmittelbar nach der letzten Kabinettssitzung vor der Sommerpause an.
Zur Begründung wird die Notwendigkeit „sozialer Fairness“ angeführt. Salvini erwartet sich Einnahmen von „einigen Mrd. Euro“. Verlässliche Berechnungen gibt es noch nicht. Medien gehen von Mehreinnahmen von bis zu 4 Mrd. Euro aus. Damit sollen Salvini zufolge einkommensschwache Familien unterstützt werden, die aufgrund des Zinsanstiegs bei Krediten mit variablen Zinssätzen Schwierigkeiten haben, die Raten ihrer Immobiliendarlehen zu bedienen.
Banken-Steuer ist Teil eines größeren Maßnahmenpakets des Kabinetts
Außerdem soll damit ein Teil der geplanten Steuersenkungen finanziert werden. Angesichts der steigenden Zinsen, die den Schuldendienst des hoch verschuldeten Landes deutlich erhöhen, und der konjunkturellen Abkühlung braucht Rom dringend Mittel, um den ersten Schritt für die im Wahlkampf versprochene Einführung der Flat Tax bis 2027 umsetzen zu können.
Die Übergewinnsteuer ist Teil eines vom Kabinett beschlossenen neuen Pakets, das auch eine Erhöhung der Zahl der Taxilizenzen, Maßnahmen zur Begrenzung der Flugtarife, eine Verlängerung der sehr großzügigen Hilfen für die ökologische Sanierung von Gebäuden sowie eine weitere Ausweitung der Golden-Power-Regelungen gegen die ausländische Übernahme von „strategischen“ Unternehmen vorsieht. Mit großer Aufmerksamkeit wurde in Italien registriert, dass Wirtschafts- und Finanzminister Giancarlo Giorgetti bei der Ankündigung fehlte. Der Parteikollege Salvinis in der rechtsnationalen Lega hatte eine Übergewinnsteuer noch vor zwei Monaten ausgeschlossen.
Giorgetti und andere Regierungsvertreter dringen seit längerer Zeit erfolglos darauf, dass die Banken die Guthabenzinsen erhöhen. Die Institute hatten gleichzeitig für das erste Halbjahr vor allem dank deutlich höherer Zinsüberschüsse Rekordgewinne ausgewiesen: Allein bei den sechs größten Banken des Landes stieg der Nettogewinn um 60% auf 11 Mrd. Euro. Die Aktionäre werden mit Rekordausschüttungen in Form höherer Dividenden und Aktienrückkaufprogrammen beglückt.
Komplexe Berechnung der Übergewinnsteuer
Der Mechanismus für die Übergewinnsteuer, die nachträglich auch für 2022 fällig wird, ist nicht ganz einfach. Der Steuersatz von 40% bezieht sich nämlich nicht auf den Gewinnzuwachs, sondern auf den Anstieg des Zinsüberschusses 2022 gegenüber 2021. Die Übergewinnsteuer wird erhoben auf den Teil des Zinsüberschusses, der einen Anstieg von 5% gegenüber dem Vorjahr übersteigt. Die Institute wiesen für 2021 einen Zinsüberschuss von 38,4 Mrd. Euro aus. Die Vergleichszahl für 2022 liegt bei 45,4 Mrd. Euro. Es würde eine Übergewinnsteuer von 40% fällig auf einen Betrag von etwa 5,1 Mrd. Euro, was etwa 2 Mrd. Euro entspräche.
Für 2023 wird ein weiterer Anstieg des Zinsüberschusses erwartet. Die Übergewinnsteuer soll dann auf den Teil des Zinsüberschusses entfallen, der um 10% über dem Wert von 2022 liegt. Experten rechnen mit einer Schmälerung der Nettogewinne um durchschnittlich etwa 10%. Die Steuer darf 25% des Nettovermögens einer Bank des Jahres 2021 nicht überschreiten.
Draghi hatte Übergewinnsteuer für Energieunternehmen erhoben
Außenminister Antonio Tajani von der Zentrumspartei Forza Italia begründete die Maßnahme damit, „die Fehler der Europäischen Zentralbank“ ausgleichen zu müssen. Die Banken äußerten sich offiziell nicht. Während Intesa-Sanpaolo-CEO Carlo Messina sich vor einiger Zeit offen für eine solche Maßnahme gezeigt hatte, lehnten sie Mediobanca-CEO Alberto Nagel und Unicredit-CEO Andrea Orcel ab.
Premierminister Mario Draghi hatte 2021 eine Übergewinnsteuer für Energieunternehmen eingeführt. Doch statt 10 bis 11 Mrd. Euro flossen nur 1 Mrd. Euro in die Staatskassen: Viele Unternehmen zahlten nicht und klagten. Die Banken dürften versuchen, ihre bilanztechnischen Handlungsspielräume auszuschöpfen, um die Steuerlast zu senken.