Italiens Großbank gibt den Vorreiter
Von Bernd Neubacher, FrankfurtJean Pierre Mustier pflegt seinen Ruf als knallharter Sanierer. Mit der Ankündigung, nochmals 8 000 Stellen abzubauen, gibt der Unicredit-Chef ein Signal, dass der Stellenabbau in der Branche auf breiter Front weitergehen wird, nachdem die Banken ihre momentanen Kostenprogramme abgearbeitet haben werden. Allein unter der Ägide des 2016 angetretenen Mannes, der meint, dass die Zeiten, in denen man im Banking reich werden konnte, schlicht vorbei sind, und die Kosten entsprechend drückt, hat der Konzern die Zahl seiner Stellen um rund 40 % reduziert. Im Vergleich zu 2009 hat sie sich nahezu halbiert. Dabei zeigte Unicredit mit 53,5 % schon per Ende Juni eine Aufwandsquote, von welcher die meisten Banken in Europa, und gerade jene in der Bundesrepublik, vielfach nur träumen können. Dasselbe gilt für die zweistellige materielle Eigenkapitalrendite, welche die italienische Großbank ungeachtet des Umbaus einfährt. Gut 70 000 Stellen gestrichenSo radikal wie das Mailänder Geldhaus geht nicht jeder Wettbewerber vor. Das Bemühen, durch Stellenstreichungen Kosten zu senken und die Ertragskraft zu stärken, ist gleichwohl überall zu beobachten. Wie Bloomberg errechnet hat, summieren sich die von Banken im laufenden Jahr angekündigten Stellenstreichungen inzwischen auf weltweit über 73 000 – 86 % betreffen Kürzungen in Europa. 18 000 gehen dabei alleine auf die Deutsche Bank zurück, die im Sommer eine breit angelegte Restrukturierung angegangen ist, in Sachen Kosteneffizienz allerdings auch wegen der Kosten des Umbaus Unicredit noch für geraume Zeit hinterherhinken wird. Im Neunmonatszeitraum kam die Deutsche Bank auf eine Aufwandsquote von 104,9 %.Ende September teilte zudem die Commerzbank, die bereits in den vergangenen Jahren jede fünfte Vollzeitstelle gestrichen hatte, mit, sie werde 4 300 Stellen ab- und andernorts im Konzern 2 300 aufbauen. Bei HSBC, die nach einem unerwartet schwachen dritten Quartal ihr Renditeziel aufgegeben und eine Beschleunigung des Konzernumbaus angekündigt hat, wird ein Abbau von rund 10 000 Stellen erwartet.Der Plan, durch Stellenabbau die Effizienz zu verbessern, geht allerdings nicht immer auf, wie die Europäische Zentralbank (EZB) in ihrem jüngsten Finanzstabilitätsbericht aufzeigt. Von 24 Banken, die zwischen 2012 und 2015 die Zahl ihrer Arbeitsplätze um zwischen mindestens 10 % und bis zu beinahe 70 % reduzierten, haben in den Jahren 2015 bis 2018 nur fünfzehn eine niedrigere Aufwand-Asset-Ratio verbucht. In neun Fällen lag diese dagegen höher (siehe linke Grafik). Stellenstreichungen hätten einigen, aber nicht allen Banken Effizienzgewinne gebracht, heißt es im Bericht. Tatsächlich verharre die aggregierte Aufwand-Ertrags- sowie Aufwand-Assets-Quote der europäischen Institute nach einem steten Anstieg in den Jahren 2009 bis 2012 seither hartnäckig über ihrem Zehn-Jahres-Mittelwert. Die Cost-Income-Ratio im zweiten Quartal 2019 beziffern die Bankenaufseher dabei mit 66 %, der langfristige Durchschnitt liegt bei 64 %. US-Banken kommen auf 57 %.Die zwischen 2012 und 2018 erhobenen Zahlen lassen dabei laut EZB darauf schließen, dass Einsparungen infolge Stellenabbau und Filialschließungen zunichtegemacht worden sind durch Restrukturierungskosten sowie die Notwendigkeit, in digitale Plattformen zu investieren.Hinzu kommt ein genereller Anstieg der Kostenbasis. Auf Basis einer Gruppe von 50 Großbanken hat die EZB für die Jahre 2014 bis 2018 IT-Kosten als stärksten Kostentreiber ermittelt, der alleine für zwei Prozentpunkte gut war (siehe rechte Grafik). Zugleich habe das Volumen an IT-Investitionen, gemessen an der jeweils bilanziell aktivierten Software, in den zurückliegenden Jahren stetig zugelegt, heißt es. Habe diese 2012 noch 7 % der operativen Kosten betragen, so seien es 2018 bereits 12 % gewesen. Da aktivierte Software typischerweise in einem Zeitraum von drei bis fünf Jahren abgeschrieben werde, trügen höhere IT-Investitionen auf Sicht in Form erhöhter Abschreibungen zu den künftigen operativen Kosten der Banken bei, gibt die EZB zu bedenken. Gleichzeitig biete die vermehrte Digitalisierung Raum für weitere Effizienzgewinne sowie für die Nutzung neuer Geschäftschancen.Was das bislang vergebliche Warten auf eine Verbesserung der Kosteneffizienz europäischer Banken angeht, so vermuten die Bankenaufseher einen Zusammenhang mit “strukturellen Hindernissen”. Tatsächlich spreche einiges im europäischen Bankenmarkt dafür, dass es Überkapazitäten in Form einer zu hohen Dichte im Filialnetz sowie einer übergroßen Zahl an Wettbewerbern gebe, heißt es. Strukturelle FaktorenZugleich entschieden strukturelle Faktoren aber auch über die Fähigkeit der Banken, ihre Kosten zu senken, heißt es unter Verweis auf das jeweilige Arbeitsrecht in den Staaten Eurolands, die Bevölkerungsdichte sowie den Digitalisierungsgrad der jeweiligen Volkswirtschaft. Vor diesem Hintergrund könnten Zusammenschlüsse von Banken in einigen, nicht aber in allen Fällen das strukturelle Profitabilitätsproblem der Banken in Euroland lösen, meint die EZB.Die Stabilitätswächter stellen indes selbst fest, dass der Markt für Fusionen und Übernahmen in Europas Bankensektor seit der Finanzkrise beinahe zum Erliegen gekommen ist. Das hat Gründe: In Deutschland etwa dürfte schon die Realität des Drei-Säulen-Systems die Zahl der Kombinationsmöglichkeiten deutlich begrenzen. Und was grenzüberschreitende Zusammenschlüsse angeht, bringt es die Regulierung sowie die aufsichtliche Praxis auf nationaler Ebene allzu oft mit sich, dass die Rechnung nicht aufzugehen scheint. Schon dem Angebot von Finanzdienstleistungen über Grenzen hinweg sind Schranken gesetzt, wie Finanzstaatssekretär Jörg Kukies jüngst auf einer Konferenz bemängelte: Wenn ein europäischer Bankenchef ihm sage, dass die Aufschläge auf Kapital- und Liquiditätsvorgaben im Falle einer Expansion in ein anderes Land der Bankenunion höher seien als im Falle eines Markteintritts in Asien, “dann wissen Sie, dass etwas schiefläuft beim Streben nach einem Binnenmarkt für Finanzdienstleistungen”.Einstweilen werden Europas Banken weiter darauf setzen, ihre Wettbewerbsfähigkeit durch Kostensenkungen und Stellenabbau zu verbessern. Und Unicredit-Chef Mustier dürfte weiter die Richtung vorgeben.