Italiens Kapital flieht in die Schweiz

Mangelndes Vertrauen in die Politik des Landes als Hauptmotiv

Italiens Kapital flieht in die Schweiz

bl Mailand – Der Transfer von italienischem Kapital in die Schweiz ist in den vergangenen Monaten ein großes Thema gewesen. Der Abfluss italienischen Kapitals sei real, sagte Antonello Sanna, CEO des Mailänder Vermögensverwalters Solutions Capital Management SIM S.p.A., im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. “Viele unserer Kunden transferieren einen Teil ihres Kapitals ins Ausland, und wie immer ist die Schweiz einer der bevorzugten Plätze.”Nach Angaben der Basler Bank für Internationalen Zahlungsausgleich aus dem zweiten Quartal 2018 hatten Anleger aus Italien etwa 13,7 (i. V. 13,3) Mrd. Euro in der Schweiz deponiert. Das war aber vor Antritt der derzeitigen Regierung. Seither haben die Transfers nach Aussagen vieler Banker und Vermögensverwalter deutlich zugenommen.Sanna zufolge veranlasst unter anderem die immer wieder aufflammende Diskussion um einen Austritt aus dem Euro die Anleger dazu, Teile ihres Vermögens in die Schweiz zu verlagern – obwohl dieses Szenario aktuell wenig realistisch sei. Als weiteren Grund nannte Sanna den deutlichen Anstieg des Zinsaufschlags für italienische gegenüber deutschen Staatsanleihen seit Antritt der neuen Regierung. Die Zweifel an der Stabilität des italienischen Bankensystems hätten deshalb zugenommen, verunsicherten viele Italiener und ermunterten sie zu “irrationalen Verhaltensweisen”. Angesichts der in der Eidgenossenschaft sehr viel höheren Kosten für die Verwaltung der Vermögen, denen seit dem Ende des Bankengeheimnisses kein echter Vorteil gegenüberstehe, hält Sanna dieses Verhalten für nicht mehr gerechtfertigt. Angst vor höheren Steuern Dass viele Italiener dennoch Vermögen verlagern, wird sicher auch durch regelmäßige Diskussionen innerhalb der Regierung genährt, vermögende Haushalte an der Sanierung des Budgets zu beteiligen. So sollen etwa “goldene Renten” ab 100 000 Euro künftig jährlich deutlich höher besteuert werden. Sonst gibt es bisher aber nur wenig konkrete Schritte in Richtung etwa einer Vermögensteuer. Die Italiener sind jedoch durchschnittlich deutlich vermögender als etwa die Deutschen, während der italienische Staat viel höher verschuldet ist.Anders als früher ist nicht Steuerflucht Hauptgrund für den Transfer von Vermögen. Denn seit es den automatischen Informationsaustausch in Steuersachen gibt, weiß Italiens Fiskus, wo und wie viel Vermögen die Steuerpflichtigen in der Schweiz und anderswo haben. “Bei uns gibt es keine undeklarierten italienischen Gelder mehr”, sagte der Direktor der Tessiner Bankenvereinigung, Franco Citterio.Der Umfang der Kapitaltransfers ist weit davon entfernt, die Verluste des Finanzplatzes Tessin zu kompensieren, der mit dem Ende des Bankengeheimnisses Kapitalabflüsse von 25 bis 30 % verzeichnet hatte. Auch Citterio will nicht von Kapitalflucht sprechen, sondern eher von einem “medialen Phänomen, das ein Klima der Angst erzeugt”. Sanna sieht Anzeichen dafür, dass die italienischen Banken reagieren. “Der Finanzsektor versucht, ein konstruktives und von Vertrauen geprägtes Klima mit seinen Kunden zu pflegen.” Auch die Regierung müsse jedoch dazu beitragen, die Situation zu beruhigen und nicht das Geld der Steuerzahler zur Finanzierung der Schulden aus ihren Wahlversprechen zu verwenden. Vor allem müsse sie das umsetzen, was Italiens Regierungen seit 20 Jahren versprächen: “Gesetze und Regeln vereinfachen, um die Bürokratie auf ein Minimum zu reduzieren.”