Italiens Kapitalanleger flüchten

Ausländische Investoren und Privatanleger suchen Alternativen - Banken stabil

Italiens Kapitalanleger flüchten

bl Mailand – Die von der italienischen Versicherungsaufsicht Ivass verlangte Kapitalerhöhung von 500 Mill. Euro bei der sehr stark in italienischen Staatsanleihen investierten Versicherung Cattolica hat Fragen über das Engagement italienischer Institute in Bonds und ihre Stabilität aufgeworfen. Allein die Banken des Landes hielten laut Banca d’Italia im März Staatstitel von fast 400 Mrd. Euro. Dazu kamen 300 Mrd. Euro in Form von Krediten an den Staat. Außerdem haben Italiens Banken netto durchschnittlich 7,2 % ausfallgefährdete Kredite in ihren Bilanzen stehen und damit doppelt so viel wie im europäischen Durchschnitt.Doch Stefano Caselli, Bankenprofessor an der renommierten Mailänder Universität Bocconi, ist diesbezüglich nicht besorgt. “Die Situation von Cattolica scheint mir nicht beispielhaft zu sein. Ich sehe derzeit keine größeren Risiken für die Banken im Hinblick auf Staatsbonds oder faule Kredite. Sie haben ihre Positionen reduziert. Es gibt staatliche Garantien für Kredite, und es kommen riesige Liquiditätshilfen. Die Frage ist, ob die Mittel sinnvoll eingesetzt werden. Mich sorgt mehr die Beschäftigungsentwicklung.”Italiens Banken und Versicherungen sind stark in Staatsbonds investiert. Doch angesichts des zunehmenden Rückzugs ausländischer Investoren, die allein im März ihr Engagement in italienischen Bonds um 51 Mrd. Euro reduziert haben und zwischen April und Dezember 2019 etwa 50 Mrd. Euro abgezogen hatten, kommt es zu gewaltigen Verschiebungen. Denn auch vermögende Italiener verlagern ihr Vermögen zunehmend ins Ausland. Zwar stießen Neuemissionen italienischer Staatsanleihen zuletzt auf starkes Interesse. Doch berichten Vermögensberater, Rechtsanwälte und Banken, dass nicht nur reiche Italiener, sondern selbst Beamte und Angestellte verstärkt nach Anlagemöglichkeiten im Ausland suchen: aus Angst vor einer Vermögensteuer, aber auch weil sie kein Vertrauen in ihr Heimatland haben. Laut Intesa-Sanpaolo-CEO Carlo Messina haben Italiener 100 bis 200 Mrd. Euro außerhalb ihres Landes angelegt, überwiegend in der Schweiz. Das ist in der Regel versteuertes Geld. Dazu kommen nach Schätzungen des Berkeley-Ökonomen Gabriel Zucman mehr als 260 Mrd. Euro, die in Steuerparadiesen, vor allem in Asien, angelegt sind. Und bis zu 200 Mrd. Euro schlummern nach Schätzungen von Francesco Greco, Chef der Staatsanwaltschaft Mailand, in Bankenschließfächern.Das Geld fehlt für Investitionen in Italien. Das ist ein Grund dafür, warum die Europäische Zentralbank nach eigenen Angaben im März und April fast 40 Mrd. Euro an italienischen Bonds in ihre Bücher genommen hat. Unicredit Strategy Research erwartet, dass der Anteil italienischer Titel in der EZB-Bilanz weiter ansteigen wird und dass sie bis Jahresende bis zu 465 Mrd. Euro an Staatsanleihen des Landes halten könnte.