Italiens Kreditwirtschaft wackelt bedenklich
Von Gerhard Bläske, MailandDer drastische Anstieg des Risikoaufschlags für italienische gegenüber deutschen Staatsanleihen (Spread) kostet nicht nur Italiens Staat viel Geld. Auch die Banken des Landes leiden stark unter dieser Entwicklung. Denkbar sind angesichts des dramatischen Kursverfalls der Finanzwerte nicht nur Übernahmen durch Ausländer, sondern auch das Verschwinden ohnehin angeschlagener Institute wie Monte dei Paschi di Siena (MPS) und vor allem der Genueser Sparkasse Carige. Auch stabile Banken haben große Refinanzierungsprobleme, die ihre Ertragskraft und damit ihre Wettbewerbsfähigkeit belasten, wie Michael Hünseler, Geschäftsführer des Münchner Vermögensverwalters Assenagon Asset Management, betont.Dabei waren die Institute eigentlich auf einem guten Weg. Sie hatten ihre Bestände an Non-Performing Loans (NPL) nach Zahlen der Banca d’Italia deutlich auf brutto 127,5 Mrd. Euro reduziert, weisen in der Regel sehr stabile Kernkapitalquoten aus und haben zuletzt teils ansehnliche Gewinne erwirtschaftet. Das spiegelte sich zumindest bis Anfang Mai auch in den Börsenkursen wider.Diese positive Entwicklung wurde jedoch abrupt gestoppt. Auslöser war die Bekanntgabe eines ersten Entwurfs des Regierungsprogramms von populistischer Fünf-Sterne-Bewegung und rechtsnationaler Lega, in dem drastische Ausgabenerhöhungen und sogar die Möglichkeit eines Euro-Austritts vorgesehen waren. Seit dem 17. Mai verloren die Aktienkurse der Bankenwerte etwa ein Drittel ihres Wertes. Insgesamt 36 Mrd. Euro lösten sich in Luft auf. Betroffen davon waren auch gesunde Banken wie Unicredit oder Intesa Sanpaolo. Angesichts ihrer deutlich gesunkenen Kapitalisierung könnten sie nun Übernahmeopfer werden. Hohe RisikoaufschlägeDurch den Anstieg des Spreads auf mehr als 300 Basispunkte haben sich die Refinanzierungskosten der Institute deutlich erhöht. Darunter leidet ihre Wettbewerbsfähigkeit. Selbst Intesa Sanpaolo konnte Ende Mai eine unbesicherte Anleihe nur mit hohen Risikoaufschlägen im Markt platzieren. Andere Institute, vor allem solche, die hauptsächlich auf den italienischen Markt ausgerichtet sind, haben derzeit kaum eine Möglichkeit, sich Kapital zu besorgen. “Der Markt ist zu”, sagt ein Banker, der anonym bleiben will. Die Investmentbank Equita Sim sieht etwa bei der Mailänder BPM einen Kapitalbedarf von 1,5 Mrd. Euro. MPS würde laut Credit Suisse schon bei einem Spread-Anstieg auf 338 Basispunkte nicht mehr die von der Europäischen Zentralbank (EZB) verlangte Mindestkapitalquote erfüllen. Und ohne eine vollständige Garantie ihrer Aktionäre wird die gerade von der Ratingagentur Fitch von “B-” auf “CCC+” mit negativem Ausblick herabgestufte Carige die geplante Platzierung eines unbesicherten Bonds über 200 Mill. Euro kaum realisieren können. Fitch sieht die “reale Möglichkeit” einer Pleite der Bank. Nicht ausgeschlossen, dass der italienische Staat zunächst bei Carige, später vielleicht auch bei MPS Kapitalspritzen zum Überleben gibt, um eine Ansteckung zu verhindern. Konflikte mit der EZB wären vorprogrammiert.Auch die Möglichkeiten zur Kreditvergabe sind bei den Instituten, die laut Banca d’Italia italienische Staatsanleihen im Umfang von 364 Mrd. Euro halten, eingeschränkt. Das belastet wiederum die exportstarken Unternehmen des Landes, die auf Finanzierungen durch die Banken dringend angewiesen sind. Darüber hinaus dürfte es für die Geldhäuser schwieriger werden, weitere NPLs loszuschlagen.Mit Bangen blickt die Finanzwelt des Landes auf das Urteil der Ratingagenturen Moody’s und S & P, das Ende dieses Monats kommen soll. Einem Insider zufolge ist mit einer Herabstufung zu rechnen – fraglich sei nur noch, ob um eine Stufe oder gleich um zwei. Das wäre dann Ramschniveau. Schon die Herabstufung um eine Stufe hätte wohl weitere umfangreiche Verkäufe durch ausländische Investoren zur Folge – vor allem bei einem negativen Ausblick. Dann droht womöglich sogar der Kollaps des Finanzsystems. Wirbel um MediobancaUnterdessen ist der italienische Finanzsektor durch eine weitere Entwicklung in Unruhe versetzt worden. Völlig überraschend hat der Franzose Vincent Bolloré kürzlich seine Beteiligung am seit 20 Jahren bestehenden Aktionärspakt bei Italiens größter Investmentbank Mediobanca zum 1. Januar 2019 aufgekündigt. Die verbleibenden Anteilseigner des Paktes, Unicredit mit 8,7 %, Mediolanum mit 3,3 %, Edizione Holding (Benetton) mit 2,1 % sowie einige andere, kommen zusammen gerade noch auf 19,6 %. Das ist weniger als die verlangte Mindestquote von 25 %. Vor zehn Jahren lag der Anteil noch bei über 50 %. Der Pakt könnte damit automatisch aufgelöst werden – es sei denn, die verbliebenen Aktionäre einigten sich auf eine lockerere Vereinbarung über regelmäßige Konsultationen. Darüber wird gerade diskutiert.Doch so oder so: Sowohl eine Auflösung als auch eine Lockerung des Pakts, der einst gebildet worden war, um die Bank gegen ausländische Einflussnahme zu schützen, hat Auswirkungen auf Mediobanca. Das sehr ertragsstarke Institut, das außer im Investment Banking vor allem bei Verbraucherkrediten seinen Schwerpunkt hat, steht vor einer Änderung seiner Governance und wird künftig noch stärker als bisher vor allem von den Finanzmärkten beurteilt. Angesichts des niedrigen Aktienkurses könnte Mediobanca aber auch ein attraktives Übernahmeziel sein.Interessant ist Mediobanca aber auch aus einem anderen Grund. Das Mailänder Institut hält nämlich eine Beteiligung von 13 % an der größten Versicherung des Landes, Generali. Der schon länger angekündigte Verkauf eines Teils dieser Beteiligung dürfte derzeit zwar nicht aktuell sein. Doch ist Generali angesichts des Kursverfalls etwa für die Allianz oder Axa nicht uninteressant. Aktionär Caltagirone (derzeit 4 %) stockt schon mal die Beteiligung auf. Auch Edizione (3 %) und Leonardo del Vecchio (3,15 %) haben ihre Engagements leicht erhöht. Damit soll verhindert werden, dass ein weiteres Symbol des italienischen Kapitalismus in ausländische Hände fällt.