IM INTERVIEW: SEBASTIAN KÜLPS

"Ja, wir werden Kosten weiter senken"

Vanguard-Deutschland-Chef Külps über Kooperationen im Vertrieb, die Anlagebereitschaft der Bundesbürger und die Verantwortung als Anteilseigner

"Ja, wir werden Kosten weiter senken"

Herr Külps, wie entwickelt sich das Europa-Geschäft von Vanguard?Die Coronakrise hat natürlich dazu geführt, dass die gesamte Asset-Basis der ETF-Branche zurückgegangen ist. Davon abgesehen entwickelt sich unser Geschäft weiterhin sehr positiv, und wir freuen uns, dass uns Kunden trotz Krise weiterhin ihr Vertrauen schenken und wir auch jetzt Nettomittelzuflüsse verzeichnen können. Wo liegt der regionale Schwerpunkt in Europa?Abgesehen von Großbritannien, unserem europäischen Hauptsitz, steht Deutschland ganz stark im Fokus, aber auch die Schweiz und Italien sind Fokusmärkte. In Mailand wollen wir zum Beispiel bald ein Büro eröffnen. Warum liegt Ihr Fokus auf Deutschland und Italien?Weil der Markt uns, insbesondere was die Endanleger und Berater angeht, große Chancen bietet. Deutschland und Italien sind Länder mit großer Bevölkerung, und die Bürger besitzen umfangreiche Sparguthaben, die noch nicht an den Kapitalmärkten investiert sind. Was ist Ihr Ziel?Wir sind nur einem Ziel verpflichtet: dem Anlageerfolg unserer Kunden. Und da es natürlich immer wichtiger wird, für die Altersvorsorge zu sparen, möchten wir auch hier dem Endanleger aktiv helfen, optimal zu sparen. Das wollen viele. Was machen Sie anders?Lassen Sie mich daran erinnern, wo wir herkommen. Auf Grund unserer einzigartigen genossenschaftlichen Eigentümerstruktur können wir Interessenkonflikte vermeiden und unsere Anleger fair und transparent vertreten. Dabei orientieren wir uns an unseren Investmentprinzipien: klare Ziele setzen, breit diversifiziert anlegen, Kosten minimieren und diszipliniert sein. In den USA haben wir so unser Geschäft direkt zum Endkunden hin aufgebaut. Wir haben Produkte an Endkunden zu institutionellen Preisen vertrieben. Aus diesem Direct Retail hat sich dann das Indirect Retail entwickelt, mit Intermediären, die den Endanleger beraten. Daraus ist mittlerweile in den USA ein Geschäft im Volumen von 2 Bill. Dollar geworden. Vanguard betreibt in den USA aber nicht nur Retail, sondern auch Wholesale?Ja, außer Retailgeschäft betreiben wir auch Geschäft mit Vermögensverwaltungen oder Dachfonds, die unsere Produkte verpacken. Das beschränkt sich allerdings gezielt auf institutionelle Kunden, die Publikumsfonds oder ETFs anwenden. Was wir hingegen nicht machen, ist, Spezialfonds-Mandatslösungen für Corporates zu stricken. Das passt nicht zu unserer Struktur. Welches Geschäft betreiben Sie in Europa?In Großbritannien haben wir mit UK Personal Investor ein Geschäft aufgebaut, wo wir direkt an den Endkunden gehen. In Deutschland haben wir das Geschäft auf Intermediäre ausgerichtet, zum Beispiel unabhängige Berater, Assetmanager, Vermögensverwalter und Direktbanken. Wie sieht das konkret aus?Wir arbeiten eng mit gleichgesinnten Firmen zusammen. Zum Beispiel kooperieren wir mit der Finanzberatungsgesellschaft Netfonds oder mit Versicherungsunternehmen wie der Condor oder der Alten Leipziger im fondsgebundenen Bereich, als auch mit Fintechs wie Raisin, also Weltsparen und Weltinvest. Wie läuft beispielsweise die Zusammenarbeit mit Weltsparen?Die Partnerschaft mit Weltsparen sind wir eingegangen, weil wir eine ähnliche Anlagephilosophie haben. Weltsparen hat mit Weltinvest ein Produkt aufgelegt für die eigenen Kunden, das einen Zugang zu den Kapitalmärkten in breit diversifizierte Multi-Asset-Portfolien liefert, und dies sehr kostenbewusst. Wir bieten dazu verschiedene Bausteine an – ein Ansatz, der ausschließlich auf Vanguard-Produkten fußt. Mit wem kooperieren Sie noch?Wir unterhalten mittlerweile auch Kooperationen mit sechs Versicherern, deren fondsgebundene Angebote unsere Produkte einschließen. Vertrieben werden diese Versicherungspolicen dann wiederum über die Berater, mit denen wir zusammenarbeiten. Wie sprechen Sie die Berater an?Wir erklären ihnen Vanguard, wir erklären ihnen unsere Grundprinzipien der erfolgreichen Vermögensanlage. Und wir bearbeiten mit ihnen Instrumente, die auf das Alpha, also den Mehrwert der Beratung, abstellen. Dies hebt die Wichtigkeit der Beratung eben nochmals hervor. Das soll dem Berater in einer Zeit des Wandels Orientierung geben. Inwiefern?Der Berater hat auf dieser Basis die Möglichkeit, zum Endkunden zu gehen und zu sagen: Schau mal, wenn ich meinen Job richtig mache, dann kann ich diesen Mehrwert für dich generieren. Diese Anschaulichkeit hilft, denn wir möchten dahingehend unterstützen, dass die Beratung in Deutschland zukünftig noch breiter angenommen wird. Sie kooperieren auch mit Direktbanken?Direktbanken sind unglaublich spannende Vertriebskanäle. Das ETF-Wachstum bei Direktbanken lag zuletzt bei 68 %. Die Zahl der Sparpläne ist rasant gewachsen, da ist eine starke Dynamik drin. Wir vereinbaren Partnerschaften mit Direktbanken zum Beispiel in puncto Marketing, um uns bekannter zu machen. Sie haben den Vertrieb insgesamt aufgestockt?Ja, deutlich. In der Niedrigzinsphase müsste Ihr Geschäft derzeit doch brummen?Ja, es ist so, wir haben ein extrem dynamisches Geschäft in Deutschland. Wir haben unsere Vorstellungen in allen drei Jahren, die wir auf diesem Markt sind, deutlich übertroffen. Der Markennamen Vanguard zieht. Wir können Vertrauen gewinnen. Und die Beraterbasis ist ein tolles Vehikel. Und da möchte ich mich auch ganz klar für das große uns entgegengebrachte Vertrauen bedanken – gerade auch in Zeiten einer Krise und volatiler Märkte! Werden die Deutschen zu Wertpapieranlegern?Na ja, es bleibt noch einiges zu tun, um Sparer in Deutschland von Wertpapieren zu überzeugen. Trotz der Negativzinsen haben wir noch nicht die große Trendwende gesehen. Das wird ein längerer Prozess werden, aber ich bin zuversichtlich. Was stimmt Sie optimistisch?Ich nehme wahr, dass immer mehr Deutschen beginnen, diszipliniert langfristig in die Kapitalmärkte für ihre Altersvorsorge zu sparen – und in Kapitalmärkten nicht Zockermärkte zu sehen, sondern die Chance zu erkennen, langfristig am weltweiten Wachstum der Wirtschaft teilzunehmen und von der Rendite zu profitieren. Das hat eine gewisse Dynamik ausgelöst. Beziffern Sie doch einmal diese Dynamik?In den vergangenen drei Jahren haben wir uns, von niedriger Basis aus startend, verzehnfacht. 2017 haben wir mit einer Person in Deutschland angefangen, mittlerweile sind wir zu zwölft. Wir sind auf Grundlage der Assets auf dem Weg Richtung zweistellige Milliardenbeträge. Und wenn ich Vanguards Bekanntheitsgrad messe, dann sind wir in Deutschland schon sehr weit oben. Die Selbstentscheider kennen uns und nutzen uns. Derzeit rangiert Vanguard in Europa auf Platz 6, in den USA belegen Sie Rang 2. Wollen Sie auch in Europa unter die Top 3?Klar, das, was wir in den Vereinigten Staaten erreicht haben, ist natürlich ein guter Maßstab. Lassen Sie uns über Produkte sprechen. Spielt nachhaltiges Investment eine Rolle?Ja, ESG, also Environment, Social Governance, gewinnt an Bedeutung. Auch bei diesem Thema wird Vanguard nicht alles für alle anbieten. Wir gehen nicht mit der Gießkanne vor. Anders als andere Anbieter werden wir nicht mehrere verschiedene Lösungen für dasselbe Underlying anbieten, und dem privaten Anleger sagen: Jetzt entscheide dich! Sondern wir werden einen Ansatz auswählen und dem Endanleger diese Lösung offerieren. Wird das beim Thema Nachhaltigkeit ein Best-in-Class-Ansatz sein – oder einer, der auf Ausschlusskriterien beruht?Wir haben bereits drei Produkte am Markt – und die basieren alle auf dem Prinzip der Ausschlusskriterien. Sie können davon ausgehen, dass wir uns dafür ganz bewusst entschieden haben. Wie steht es denn eigentlich um die Nachfrage? Sind nachhaltige Finanzanlagen bei Privatanlegern gefragt?Wenn wir auf Statistiken schauen oder bei den Direktbanken nachsehen, wie viel Geld in Nachhaltigkeitslösungen investiert wird, ist das noch überschaubar. Aber die Regulierung möchte ja, dass Nachhaltigkeit Teil des Anlagegesprächs wird. Dann dürfte die Zahl derjenigen steigen, die sagen, ja, ich möchte ESG-konform investieren. Ist Multi-Asset ein Thema für Vanguard?Natürlich schauen wir uns den Erfolg von Multi-Asset an – und zwar nicht nur im deutschen Markt. Was in den USA gut funktioniert hat, das sind Lebenszyklusprodukte in den 401k-Plänen, also dynamische Aktien-Renten-Produkte, die sich dem Lebenszyklus anpassen. Und in England sind Multi-Asset-Produkte die stärksten Produkte bei den Anlageberatern. Haben Sie eine Begründung dafür?Die Anlageberater haben nach dem Ende der Provisionsberatung erkannt, ich verschwende 80 % meiner Zeit darauf, dass ich mich als Portfoliomanager mit vielen Aktien und Fonds versuche. Und die Berater haben realisiert: Ich kann viel Zeit sparen, wenn ich mir Lösungsblöcke kaufe und mich in dieser nun gewonnenen Zeit auf Dinge konzentriere, die nachweislich zu einem höheren Ertrag für den Kunden führen können. Das kann auch in Deutschland interessant werden – zumal die Beraterwelt einen starken Wandel durchlebt. Wie sieht dieser Wandel aus?Die Berater geraten durch die Digitalisierung unter zusätzlichen Kostendruck. Der Preis der Beratung wird sinken. Und der Beratungsansatz wird sich ändern. Der Berater muss sich auf Kompetenzen fokussieren, die eben nicht durch die Digitalisierung ersetzt werden können. Er muss das Portfoliomanagement mehr und mehr aus der Hand geben – und stattdessen den Kunden klare Ziele mitgeben, die richtige Balance finden, Kosten minimieren und vor allem Disziplin vermitteln. Sie sprechen von wachsendem Preisdruck? Wird Vanguard die Kosten weiter senken?Ich gehe davon aus. In den USA sind wir durch die Skaleneffekte schon deutlich unter den Kosten, die wir in Europa haben. Wir haben uns als Aufgabe gestellt, dass wir Skaleneffekte an den Endkunden weitergeben. Das ist quasi unsere Dividende. Und das spiegelt sich in Kostensenkungen wider. Deshalb lautet die Antwort: Ja, wir werden Kosten weiter senken. Zum Abschluss noch die Frage zu Ihrer Verantwortung als Anteilseigner. Wie geht Vanguard mit dem Thema Stewardship um?Wir leben Stewardship – und zwar global. Wir haben das zweitgrößte Stewardship-Team unter allen Assetmanagern. Wir nehmen die Verantwortung als Anteilseigner sehr ernst. Wir suchen immer wieder den Dialog mit unseren Zielgesellschaften und wollen die Transparenz darüber erhöhen. Vanguard äußert sich selten öffentlich über ihre Zielgesellschaften.Ja, andere tun das. Wir vermeiden das eher. Wir werden auch künftig nicht die Lautesten auf Hauptversammlungen sein. Aber wir bemühen uns sehr, schon frühzeitig im Dialog mit den Unternehmen alle ESG-Themen anzusprechen. Denn als passiver Anbieter können wir Aktien nicht verkaufen, wenn uns irgendetwas nicht passt, sondern wir müssen im Dialog mit den Unternehmen kritische Punkte klären. Das bringt eine noch größere Verantwortung mit sich und ist wesentlich langfristiger orientiert. Das Interview führten Werner Rüppel und Detlef Fechtner.