GASTBEITRAG

Japans Genossenschaftsbanken wenden sich von ihrer regionalen Wirtschaft ab

Börsen-Zeitung, 25.11.2017 Ähnlich wie die Genossenschaftsbanken in Deutschland sollen die japanischen Shinkin-Banken die regionale Wirtschaftsentwicklung fördern. Die Mitglieder dieser Genossenschaften ohne Gewinnerzielungsabsicht sind Klein- und...

Japans Genossenschaftsbanken wenden sich von ihrer regionalen Wirtschaft ab

Ähnlich wie die Genossenschaftsbanken in Deutschland sollen die japanischen Shinkin-Banken die regionale Wirtschaftsentwicklung fördern. Die Mitglieder dieser Genossenschaften ohne Gewinnerzielungsabsicht sind Klein- und Mittelunternehmen sowie natürliche Personen aus der Region. Die Shinkin-Banken verwalten Einlagen, erledigen Bankgeschäfte und vergeben Kredite. Bis zum Platzen der japanischen Blasenökonomie zu Beginn der 1990er Jahre waren sie das Rückgrat der regionalen Wirtschaftsentwicklung. Seitdem wendet sich deren Geschäftsmodell, getrieben von der Bank of Japan, schrittweise von den Regionen ab. Das Risiko tragen die Kunden. Bedeutsame RolleIn den 1980er Jahren spielten die Shinkin-Banken eine bedeutsame Rolle für die regionale Wirtschaft. Die üppigen Einlagen, die durch das landesweit dichte Filialnetz gesammelt wurden, wurden vor allem als Kredite an Klein- und Mittelunternehmen aus der Region vergeben. Die verbleibenden Überschüsse wurden bei der Dachorganisation, der Shinkin-Zentralbank, gesammelt und über den Geldmarkt an die überregional und international tätigen japanischen Großbanken (City-Banken) ausgeliehen. In den 1980er Jahren brachten das Kreditgeschäft und die Anlagen auf dem Geldmarkt den damals noch 451 Shinkin-Banken zwischen 4 und 6 Prozentpunkten Zinsmarge.Mit dem Platzen der japanischen Aktien- und Immobilienblase zu Beginn der 1990er Jahre wendete sich das Blatt. Die zunehmend lockere Geldpolitik der Bank of Japan drückte die Marge zwischen Einlagen- und Kreditzinsen von vier Prozentpunkten (1990) auf heute einen Prozentpunkt. Die Klein- und Mittelunternehmen in der japanischen Provinz gerieten aufgrund der anhaltenden Stagnation in eine zunehmend prekäre Lage, so dass ihre Kreditnachfrage seit 1998 zurückging. Die Anlage wachsender Einlagenüberschüsse auf dem Geldmarkt rentierte nicht mehr, weil die Bank of Japan den Geldmarktzins immer weiter drückte und ab 1999 bei null hielt.Die Shinkin-Banken vergaben deshalb mehr Kredite an die Gebietskörperschaften aus der jeweiligen Region. Die verbleibenden Einlagenüberschüsse parkten sie bei der Shinkin-Zentralbank, die die schnell wachsenden Einlagen der Shinkin-Banken überwiegend in Anleihen der Zentralregierung investierte. Das bot sich an, weil aufgrund stetig sinkender Steuereinnahmen und vieler Konjunkturprogramme die Staatsverschuldung von 66 % des BIP im Jahr 1990 auf 240 % 2017 anstieg. Der Anteil der Staatsanleihen an der Bilanz der Shinkin-Zentralbank erreichte 2012 mit knapp 50 % seinen Höhepunkt (siehe Grafik).Ab März 2013 störten die sogenannten Abenomics dieses Geschäftsmodell empfindlich, weil Zentralbankpräsident Haruhiko Kuroda Staatsanleihen im Gegenwert von ca. 342 Bill. Yen (circa. 2,6 Bill. Euro) kaufen ließ. Der Anteil der Staatsanleihen an der Bilanz der Shinkin-Zentralbank ist dramatisch gesunken. Entsprechend sind als Gutschriften für die Anleihekäufe die Einlagen der Shinkin-Zentralbank bei der Bank of Japan steil gestiegen, zuletzt auf circa 13 Bill. Yen (circa 100 Mrd. Euro). Die Bank of Japan erhebt seit Februar 2016 jedoch negative Zinsen auf die Einlagen, so dass diese Anlageform zum Verlustgeschäft geworden ist. Derzeit dürften die Verluste bei circa 1,5 Mrd. Yen (circa 12 Mill. Euro) pro Jahr liegen. Wechselkursrisiko entstehtDeshalb würde die Shinkin-Zentralbank gerne mehr im Ausland investieren, weil dort die Konjunktur besser und die Renditen höher sind. Problematisch sind zwei Risiken. Erstens kann es auch im Ausland zu Finanzkrisen kommen. Zum Beispiel erlitt die Shinkin-Zentralbank in der US-Hypothekenmarktkrise schmerzliche Verluste.Zweitens entsteht ein Wechselkursrisiko. Denn seit den 1970er Jahren ist der japanische Yen unter einem stetig wiederkehrenden Aufwertungsdruck. Wertet der Yen auf, dann verlieren die ausländischen Vermögenswerte gerechnet in Yen in der Bilanz der Shinkin-Zentralbank an Wert. Es droht eine Krise. Hier setzt die jüngste Deregulierung der japanischen Finanzmarktaufsichtsbehörde an. Die Auslandsanlagen der Shinkin-Zentralbank dürfen seit Oktober 2017 in Anlageprodukte umgewandelt und über die Shinkin-Banken vor Ort an die Kleinanleger verkauft werden. Die Einlagen der regionalen Haushalte und Unternehmen, die weder die japanischen Regionalunternehmen noch andere Großbanken, noch die Bank of Japan haben möchten, werden also wie eine heiße Kartoffel ins Ausland weitergereicht. Das Risiko tragen die kleinen Sparer in der japanischen Provinz.Das verschafft den heute bereits nur noch 264 Shinkin-Banken und ihrer Zentralbank zunächst Luft. In der nächsten globalen Finanzkrise dürfte sich jedoch das wirtschaftliche und politische Klimas in Japans leidender Peripherie noch mehr eintrüben. Ein erheblicher Vertrauensverlust in Japans Genossenschaftsbanken scheint vorprogrammiert.—-Gunther Schnabl, Leiter Institut für Wirtschaftspolitik der Universität Leipzig —-Taiki Murai, Wissenschaftlicher Mitarbeiter Institut für Wirtschaftspolitik der Universität Leipzig