IM INTERVIEW: KLAUS MÜLLER, VZBV

"Jede Seite ist und bleibt unabhängig"

Finanzmarktwächter will keinen Einfluss auf die Arbeit der BaFin nehmen

"Jede Seite ist und bleibt unabhängig"

Die Deutsche Kreditwirtschaft fürchtet, der von den Verbraucherzentralen betriebene Finanzmarktwächter könnte versuchen, die Aufsicht zu beeinflussen. Das sei “völlig unrealistisch”, sagt Klaus Müller, Chef des Verbraucherzentrale Bundesverbands (VZBV), im Interview der Börsen-Zeitung.- Herr Müller, das Kleinanlegerschutzgesetz verankert den kollektiven Verbraucherschutz bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin). Warum brauchen wir nun noch einen Finanzmarktwächter?Die Lage der Verbraucher im Finanzmarkt kann weder allein aus Sicht der Aufsicht ermittelt werden, auch nicht mit dem – von uns begrüßten – erweiterten Aufsichtsmandat, noch allein aus Sicht zivilgesellschaftlicher Akteure wie beispielsweise der Verbraucherzentralen. Es braucht ein kluges Zusammenspiel zwischen beiden Seiten. Die Marktwächter werden dabei auf einen besonderen Erkenntnisschatz zurückgreifen können, nämlich massenhafte Beratungsfälle und weitere, direkte Kontakte mit den Verbrauchern. Die Marktwächter werden die Ergebnisse aus ihrer Marktbeobachtung, soweit sie für die Aufsicht relevant sind, zum Beispiel der BaFin zur Verfügung stellen. Dies ermöglicht es beispielsweise der BaFin, ihr neues Aufsichtsmandat effektiv wahrnehmen zu können.- Die Deutsche Kreditwirtschaft fürchtet, der Wächter könne Einfluss auf die BaFin nehmen.Das ist völlig unrealistisch. Die BaFin ist eine Behörde, der VZBV und die Verbraucherzentralen, die den Finanzmarktwächter bilden, sind privatrechtlich organisierte Akteure ohne hoheitliche Befugnisse. Jede Seite ist und bleibt unabhängig. Wie die Behörde mit den Erkenntnissen des Finanzmarktwächters umgeht, folgt den Regeln ihres gesetzlichen Handlungsauftrags.- Bei wem intervenieren Produktanbieter, wenn der Wächter zu Unrecht gewarnt hat?Als Finanzmarktwächter werden wir nicht alarmierend unterwegs sein. Wir werden die Marktsituation systematisch, indikatorenbasiert und qualitätsgesichert prüfen. Sollten wir dabei auf beispielsweise gesetzeswidriges Verhalten stoßen, werden wir angemessen reagieren, indem wir den Fall zum Beispiel der Aufsicht melden oder im Rahmen der uns vom Gesetzgeber eingeräumten Klagebefugnis handeln und den Fall einer gerichtlichen Überprüfung zuführen. Selbstverständlich werden wir über unsere Erkenntnisse auch die Öffentlichkeit angemessen informieren.- Der VZBV ist streng genommen ein Lobbyverband. Sind Sie wirklich die richtige Stelle für die Wächterfunktion?Ich wiederhole es gerne noch einmal: Der Finanzmarktwächter ist keine Aufsichtsbehörde, er hat keine hoheitlichen Befugnisse. Er wird aus Verbraucherperspektive das Marktgeschehen beobachten. Bislang wurde der Finanzmarkt primär unter zwei Gesichtspunkten beobachtet: aus Anbieterperspektive und aus einer Stabilitätsperspektive. Das führte zu einem häufig verzerrten Bild über das Funktionieren des Finanzmarktes. Mit dem Finanzmarktwächter gibt es die Chance, dieses einseitige Bild um die Nachfrageseite zu erweitern.- Hat der Wächter auch das Leitbild des mündigen Verbrauchers? Und – braucht der einen Wächter?Wir haben in Europa und in Deutschland in den letzten Jahren erkannt, dass die Verbraucherpolitik stärker die Realitäten im Markt und das reale Verhalten von Verbrauchern berücksichtigen muss, um wirksam zu sein. Es war die große Schwäche des Leitbilds vom mündigen Verbraucher, diese Realitäten weitgehend auszublenden. Wir begrüßen, dass die große Koalition aus diesen Fehlern lernen will und für ihre Verbraucherpolitik ein sogenanntes differenziertes Verbraucherleitbild zugrunde legt. Das ist auch der Ansatz des VZBV. Das bedeutet nicht, dass Verbraucher keine Eigenverantwortung haben, aber die Rahmenbedingungen müssen so fair gestaltet sein, dass unterschiedliche Verbrauchertypen diese Eigenverantwortung auch wahrnehmen können. Der wesentliche Beitrag der Marktwächter soll in auf Empirie basierenden Erkenntnissen bestehen, die die Verbraucherpolitik für differenzierte Antworten nutzen kann.—-Das Interview führte Grit Beecken.