Josef Ackermann 65
Von Bernd Wittkowski, FrankfurtDie Probleme der Deutschen Bank sind nicht mehr die Probleme des Josef Ackermann. Hier und da ist ja dieser Tage zu lesen, Jürgen Fitschen und Anshu Jain, die beiden seit dem vergangenen Juni amtierenden Co-Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Bank, müssten jetzt die Altlasten aus der Ära ihres Vorgängers wegräumen. Welch ein Unfug! Das neue Führungsduo war unter Ackermann lange genug dabei. Eine Abrechnung mit dem Schweizer wäre für sie zwangsläufig eine Abrechnung mit der eigenen Vergangenheit.Die Würdigungen zu Ackermanns Jahrzehnt an der Spitze der Deutschen Bank wurden anlässlich seines Ausscheidens Ende Mai vorigen Jahres geschrieben, sämtliche Höhen und Tiefen, Tops und Flops in hinreichender Ausführlichkeit dargestellt. Dem ist mangels neuer Erkenntnisse aus heutiger Sicht insoweit nichts hinzuzufügen.Ohnehin hatte “Joe” Ackermann, glaubt man der eidgenössischen Lokalpresse, inzwischen ganz andere Sorgen als die milliardenschweren Firmenwertabschreibungen und Prozessrisiken, die den blauen Geldkonzern heute belasten und im vierten Quartal 2012 tief in die roten Zahlen drückten: In seiner neuen Aufgabe als Präsident der Verwaltungsräte der Zurich Insurance Group und der Zürich Versicherungs-Gesellschaft (seit März 2012) musste er sich erst einmal freie Sicht auf den Zürichsee verschaffen, wie die “Aargauer Zeitung” erfahren haben will. Ackermann sei bei der Zurich zunächst ein Büro mit Ausblick auf Häuserfassaden zugeteilt worden. Daraufhin habe der Präsident seinen Umzug auf die Schokoladenseite des Gebäudes angeordnet. Mehrere Mitarbeiter, darunter ein hochrangiger, hätten ihren Platz mit Blick auf den See für Ackermann räumen müssen.Weitblick ist eben in jeder Hinsicht wichtig für einen Manager, der sich auf “Führen in komplexerem Umfeld” versteht. So lautet das Thema eines Referats, das Ackermann demnächst beim Unternehmertag im liechtensteinischen Vaduz halten wird. Man merkt, der zum Kontrolleur einer großen internationalen Versicherungsgruppe mutierte Banker ist weiterhin höchst aktiv und präsent und hat nach wie vor viel zu sagen, übrigens auch in Deutschland. Hier ein Vortrag, da ein Interview, dort ein Auftritt in einer Talkshow. Im deutschen Fernsehen parlierte er zum Beispiel mit dem (freilich sehr zahm gewordenen) “Revoluzzer” Daniel Cohn-Bendit und erklärte dem Publikum wieder mal äußerst eloquent und charmant die Welt – Deutschlands einst mächtigster, charismatischster und umstrittenster Konzernlenker ist als Liebling und gleichermaßen Reizfigur der Medien unvermindert begehrt.In der Unternehmenswelt, in der Wissenschaft oder auch im kulturellen Bereich sind vor allem sein in jahrzehntelanger Tätigkeit in Führungspositionen angesammelter unermesslicher Erfahrungsreichtum, sein in aller Regel treffsicheres Urteil und nicht zuletzt seine wohl beispiellose weltweite Vernetzung mit so ziemlich allem, was in Wirtschaft, Politik und Gesellschaft Rang und Namen hat, gefragt. Von Ackermanns außergewöhnlichem Markt- und Markenwert, an dem bisher keinerlei Abschreibungsbedarf besteht, zeugt schon sein beeindruckendes Portfolio von Mandaten. Lange MandatslisteEr ist zweiter stellvertretender Vorsitzender des Aufsichtsrats von Siemens, Mitglied der Verwaltungsräte von Royal Dutch Shell und der zum schwedischen Wallenberg-Imperium gehörenden Industrieholding Investor, Vizepräsident des Verwaltungsrats der Belenos Clean Power Holding in Biel, Mitglied der International Advisory Boards der National Bank of Kuwait und der türkischen Akbank. Ackermann fungiert als stellvertretender Vorsitzender des Stiftungsrats des Weltwirtschaftsforums, sitzt der St. Galler Stiftung für Internationale Studien vor, gehört dem Ehrensenat der Stiftung Lindauer Nobelpreisträgertreffen an und ist Advisory Director der Metropolitan Opera New York. An der London School of Economics hat der in St. Gallen promovierte Wirtschaftswissenschaftler eine Gastprofessur im Fachbereich Finance inne, daneben ist er Honorarprofessor der Frankfurter Johann Wolfgang Goethe-Universität und Honorary Fellow der London Business School.Für Freizeitbeschäftigungen bleibt da offensichtlich nicht allzu viel Zeit. Allerdings fühlt sich Ackermann auch “noch nicht in dem Alter, um den Tag mit Golfspielen zu verbringen”, wie er jüngst in einem Interview sagte. Am morgigen Donnerstag vollendet “Joe” Ackermann sein 65. Lebensjahr.