J.P. Morgan springt an M&A-Spitze
Deutsche Unternehmen sind als Übernahmeziel so begehrt wie schon lange nicht. Umgekehrt halten sich Deutsche mit Käufen im Ausland zurück, so dass das deutsche Fusionsvolumen im ersten Halbjahr um ein Drittel sinkt. J.P. Morgan springt an die Beraterspitze, während sich die Deutsche Bank auf Rang 4 vorkämpft.Von Karin Böhmert, FrankfurtUnterschiedliche Datenanbieter bedeuten auch unterschiedliche Zahlen. Den Daten von Dealogic zufolge sank das weltweite Volumen an im ersten Halbjahr angekündigten Fusionen und Übernahmen (M&A, Mergers & Acquisitions) im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 9 % auf 1,5 Bill. Dollar (vgl. BZ vom 22. Juni). Thomson Reuters ermittelt dagegen 1,485 Bill. Dollar und damit eher ein globales M&A-Volumen wie im Vorjahreszeitraum ebenfalls zum Stichtag 20/21. Juni.Vor diesem Hintergrund sind die Zahlen für den deutschen Markt einzuordnen, der laut Thomson Reuters um ein Drittel auf ein Beratungsvolumen von 75,6 Mrd. Dollar einbrach. Ausschlaggebend dafür ist die Zurückhaltung deutscher Unternehmen bei Zukäufen im Ausland, aber auch der hohe Vorjahreswert, der durch den damals angekündigten Bayer/Monsanto-Deal (64 Mrd. Dollar) in die Höhe getrieben wurde. Entsprechend sank im Berichtszeitraum das Volumen von deutschen Deals mit Zielen im Ausland um 80 % auf 15 Mrd. Dollar. So beliebt wie lange nichtDeutsche Unternehmen sind demgegenüber so begehrt wie seit zehn Jahren nicht mehr. Im Jahresvergleich hat sich das Volumen mit deutschen Zielunternehmen auf 55,1 Mrd. Dollar fast verdoppelt. Dafür sorgten vor allem die konkurrierenden Angebote für Stada Arzneimittel. Allein ausländische Käufer griffen bei deutschen Unternehmen für 42,3 Mrd. Dollar zu. Dieses verdoppelte Volumen markiert ebenfalls den höchsten Stand seit zehn Jahren. 40 % (17,2 Mrd. Dollar) davon entfallen auf US-Unternehmen als größte Käufergruppe. Größter Deal mit deutscher Beteiligung im bisherigen Jahresverlauf ist der Merger der United-Internet-Tochter 1&1 Telecommunications (Berater J.P. Morgan) und des Mobilfunkanbieters Drillisch (Bank of America Merrill Lynch).Die Rangfolge der Investmentbanken, die als Berater bei im ersten Halbjahr angekündigten deutschlandbezogenen Transaktionen eingeschaltet wurden, ist im Vergleich zum Vorjahreszeitraum kräftig durcheinandergewirbelt worden.J.P. Morgan glückte ein fulminanter Sprung vom 13. Rang an die Spitze der deutschen M&A-League-Tables. Doch das Haus gibt sich bescheiden. “League-Table-Positionen hängen immer stark davon ab, wie aktiv unsere Kunden im jeweiligen Betrachtungszeitraum sind. Wir schauen weniger auf einzelne Quartale, sondern auf das langfristige Bild: Über die letzten Jahre haben wir unseren deutschen Kundenstamm kontinuierlich vergrößert und unsere Stärke bei einer Vielzahl von erfolgreichen öffentlichen Übernahmen und grenzüberschreitenden Transaktionen unter Beweis gestellt”, sagt Dirk Albersmeier, der das M&A-Geschäft der Bank in Europa verantwortet. Rennen eröffnetCiti glückte ein Sprung auf Rang 2 (9), dicht gefolgt von Bank of America Merrill Lynch. DieDeutsche Bank hat im deutschen Markt aufgeholt auf Rang 4 (7) und dürfte damit das Rennen um die Spitze des deutschen M&A-Marktes wieder eröffnen, wie Oliver Lutkens, Co-Leiter des M&A-Geschäfts im deutschsprachigen Raum, andeutet. “Unsere Ambition war und ist es, auch die führende Bank im M&A-Geschäft in Deutschland zu sein. Somit sehen wir immer gerne eine Verbesserung in unseren League-Table-Positionen für angekündigte Transaktionen.” Die Deutsche Bank ist diesmal oft als Berater deutscher Zielunternehmen zu finden, worin sich aber die starke Verwurzelung in Deutschland der global ausgerichteten Bank ausdrücke, so Lutkens.Große kapitalstarke Banken, darunter die US-Häuser, dominieren den deutschen Beratermarkt in M&A, da oft Finanzierungen mit angeboten werden. Finanzierungen an sich seien im derzeitigen Umfeld aber meist nicht das Problem, unterstreicht Albersmeier. “In vielen Fällen ist absolute Vertraulichkeit wichtig, und da hilft es natürlich, wenn alles aus einer Hand angeboten wird und sich dadurch gerade bei großen Transaktionen die Anzahl der beteiligten Parteien deutlich reduziert.” Der Wettbewerb um die M&A-Mandate drückt im deutschen, aber auch europäischen Markt die Höhe der Beraterprovisionen, die weiterhin deutlich unter dem amerikanischen Niveau liegen, wie Albersmeier berichtet. Dennoch gibt es offenbar gesunde Ausnahmen: “Da, wo die Investmentbank aber wirklich Mehrwert leistet, sind Kunden auch bereit, dafür zu zahlen.”Werden deutsche Kunden wieder aktiver? Prognosen des zyklischen M&A-Geschäfts haben da so ihre Tücken, wie Lutkens von der Deutschen Bank berichtet, der aber weiterhin von einem nachhaltigen Interesse deutscher Unternehmen an Übernahmen und Investitionen im Ausland ausgeht. Auch fehlten im ersten Halbjahr im deutschen M&A-Markt – anders als in Europa – Mega-Übernahmen wie vor Jahresfrist Bayer/Monsanto sowie eine Vielzahl an Zukäufen im Ausland. Das kann die Ruhe vor dem nächsten Sturm sein. Schließlich könne sich das schnell ändern, so Albersmeier von J.P. Morgan, der binnen Jahresfrist durchaus wieder mit einer Reihe großer M&A-Transaktionen rechnet. Zudem hätten deutsche Unternehmen in den vergangenen Jahren sehr aktiv ihre Chancen im Ausland genutzt, während die derzeit hohen Bewertungen wohl die eine oder andere Übernahme erschwerten.Eine gewisse “Konkurrenz” entsteht dem M&A-Geschäft möglicherweise auch durch die Alternative Börsengang (IPO, Initial Public Offering), die im ersten Halbjahr stark zugenommen hat. IPOs seien gerade für Finanzinvestoren eine attraktive Alternative für den Verkauf von Portfoliounternehmen, so Albersmeier. Letztlich bleiben es wohl immer Einzelfallentscheidungen, wie auch Foruhar Madjlessi, Leiter Aktienemissionsgeschäft der deutschsprachigen Region bei der Deutschen Bank, sagt. Beide Alternativen würden heute regelmäßig parallel geprüft. Im augenblicklichen Umfeld stünden den attraktiven Bewertungen am Kapitalmarkt ebenso attraktive Finanzierungskonditionen gegenüber. Politik ist nicht entscheidend”Die hohen Börsenbewertungen führen allerdings auch dazu, dass wir vermehrt Umtauschangebote und Fusionen sehen sollten, also Transaktionen, in denen anstelle von Barmitteln die eigenen Aktien als Währung eingesetzt werden”, prognostiziert Jens Maurer, Co-Leiter Investment Banking für Deutschland und Österreich bei Morgan Stanley, der einen Anstieg der M&A-Aktivität im zweiten Halbjahr erwartet. Politische Unsicherheiten spielen für den M&A-Markt eher unterschwellig eine Rolle. Die Wahlen in den Niederlanden, Frankreich und Großbritannien hätten eine Unsicherheit induziert, die jetzt aus dem Weg sei, so Maurer. Zusätzliche Aktivitäten könnten durchaus durch den Wahlausgang in Frankreich und andernorts beflügelt werden, sagt Lutkens (Deutsche Bank). Er verweist aber auch darauf, dass in Deutschland das politische Umfeld zuletzt nicht wirklich ein Faktor gewesen sei, der Aktivitäten beschränkt habe. “So hatten wir letztes Jahr in Deutschland ein Rekordjahr für M&A – trotz der politischen Unsicherheit.”Die politischen Unsicherheiten seien denn auch nicht weggefallen, wie Albersmeier von J.P. Morgan unterstreicht, die Märkte hätten aber gelernt, mit einer gewissen Unsicherheit zu leben. Sie reagierten daher nicht mehr so stark auf einzelne Events. Die Chefs der Unternehmen (CEOs) auf der anderen Seite realisierten, dass es “das perfekte Umfeld selten gibt und dass M&A zu einem immer wichtigeren Baustein einer erfolgreichen Unternehmensentwicklung geworden ist”.