Junge Leute legen weniger Wert auf Status und Geld
fir Frankfurt
Geld, Macht und Status verlieren für jüngere Banker an Bedeutung. Neueinsteiger seien kritischer als ihre ältere Kollegen und weniger bereit, eine hohe Arbeitsbelastung mit einer hohen Vergütung aufzuwiegen, sagt Bernhard Stieger, Partner der Personalberatung Kincentric und Leiter Leadership & Assessment Consulting Europa. Die Gesellschaft ist 2019 aus Einheiten des Versicherungs- und Beratungskonzerns Aon hervorgegangen, die an Spencer Stuart verkauft wurden. „Die Work-Life-Balance gewinnt an Relevanz. Aber nicht in dem Sinne, nichts leisten zu wollen, sondern zu gestalten und einen Sinn in seiner Arbeit zu sehen. Junge Menschen wollen ihr Wochenende genießen, Sport treiben, Freizeitaktivitäten nachgehen, ihr Kind aufwachsen sehen – das hat Wert und kann nicht mit Geld, Firmenauto oder Drei-Fenster-Büro kompensiert werden.“
Im März hatten 13 junge Investmentbanker bei Goldman Sachs Aufsehen erregt, als sie ihre als besonders hart geltende Arbeitswelt als unmenschlich bezeichneten und die Bedingungen der Öffentlichkeit offenlegten. Wochenarbeitszeiten von im Schnitt um die 100 Stunden, Schlafdefizit, ein zum Erliegen gekommenes Sozialleben und Gesundheitsprobleme bis hin zum Burnout sind demnach die Norm. Das Aufbegehren der Jungen im Investment Banking verdeutlicht, dass die jüngere Generation manche tradierten Bedingungen nicht mehr hinzunehmen bereit ist.
Viele Banken haben Stieger zufolge darauf mit Jobprofilen reagiert, die Nachwuchskräften mehr Flexibilität bei der Einteilung ihrer Arbeitszeit verschaffen. Wichtig sei das Ergebnis; wie und wann gearbeitet wird, rücke in den Hintergrund. Junge Leute bevorzugten mehr Selbstorganisation, Gestaltungsmöglichkeiten und Teamarbeit, hat Stieger beobachtet. „Gemeinsam mit anderen erfolgreich sein, das zieht.“
Arbeitgeber im Bankenwesen tun sich seines Erachtens recht schwer, ein wirklich attraktives Arbeitsumfeld für Nachwuchskräfte zu schaffen. Wenn es um alternative Karrierepfade und Arbeitsflexibilität gehe, sei die Branche nach wie vor schwerfällig. „Sie ist immer noch sehr hierarchisch, traditionelle Arbeitsformen dominieren, in denen Selbstverantwortung und Teamorientierung zu kurz kommen.“ Dennoch erkennt Stieger die Bemühungen der Institute an, Abhilfe zu schaffen. Die Erfahrungen aus der Coronakrise hätten die Tendenzen zur Veränderung verstärkt. „Ich finde es positiv, wie sich Banken wandeln, und hätte nicht erwartet, dass es so schnell geht. Sie haben verstanden, dass sie Jobprofile neu erstellen und darauf zugeschnittene Arbeitsumgebungen schaffen müssen, die attraktiv sind.“ ING und Commerzbank sowie die österreichischen Institute Erste Bank und Raiffeisen Bank International stächen positiv hervor im Bemühen, sich zu wandeln und neu auszurichten.