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Jungsthöfel wird CFO von Hannover Rück

Von Carsten Steevens, Hamburg Börsen-Zeitung, 30.9.2020 Nach Vorstandschef Ulrich Wallin (65), der im Mai 2019 nach mehr als 35 Jahren im Unternehmen seinen Posten aufgab, zieht sich nun nach ebenfalls über drei Jahrzehnten bei der Hannover Rück...

Jungsthöfel wird CFO von Hannover Rück

Von Carsten Steevens, HamburgNach Vorstandschef Ulrich Wallin (65), der im Mai 2019 nach mehr als 35 Jahren im Unternehmen seinen Posten aufgab, zieht sich nun nach ebenfalls über drei Jahrzehnten bei der Hannover Rück auch Finanzvorstand Roland Vogel aus dem Geschäft zurück. Der weltweit drittgrößte Rückversicherer steht vor einer kleinen Zäsur: Mit dem früheren Swiss-Re-Manager Jean-Jacques Henchoz (56) und dem ehemaligen KPMG-Partner Clemens Jungsthöfel (50) stehen künftig ein CEO und ein CFO an der Spitze, die beide nicht schon lange dem Unternehmen angehörten, ehe sie ins Führungsgremium berufen wurden. Doch an der Ausrichtung des in den vergangenen Jahren überaus erfolgreichen MDax-Unternehmens, an dem der Mehrmarkenversicherer Talanx mit einem Anteil von 50,2 % mehrheitlich beteiligt ist, wird sich nichts Gravierendes ändern. “Bis aufs Messer verteidigen” “Kulturelle Eigenschaften müssen wir bewahren”, mahnt Vogel, der sich nach seinem letzten Arbeitstag als Finanzchef heute in den Ruhestand verabschiedet, im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. Damit spricht der bald 61-Jährige, der unlängst erstmals Großvater wurde, vor allem die Kostenführerschaft der Hannover Rück innerhalb der Branche an – ein hohes Gut, das es “bis aufs Messer” zu verteidigen gelte. Zwar werde es im Zusammenhang mit den jeweiligen Marktbedingungen immer neue Impulse geben müssen, auch jetzt wieder am Übergang zum nächsten dreijährigen Strategiezyklus. Doch Investitionen in digitale Projekte und in eine Wachstumsinitiative in Asien müssten auch “die entsprechenden Umsätze und Erträge gegenüberstehen, so dass eben die Kostenquote nicht auf Dauer ansteigt”.Nach den vergangenen Jahren, die für die Hannover Rück gemessen an der Entwicklung der Marktkapitalisierung sehr erfolgreich gewesen seien, stehe der Vorstand vor Herausforderungen, die man vielleicht ein bisschen vergleichen könne mit denen eines Trainers bei Bayern München nach großen Erfolgen im Vorjahr, so der scheidende Finanzchef. “Wir sind ja nicht so erfolgreich gewesen, weil wir stehen geblieben sind, sondern weil wir immer Dinge geändert, aber eben auch Dinge bewahrt haben, die es zu bewahren galt.”Der besonderen Gratwanderung nach mehreren Rekordjahren in Folge sind sich Vorstandschef Henchoz und der künftige Finanzvorstand nach den Worten Vogels vollkommen bewusst. “Clemens Jungsthöfel hat zuvor als KPMG-Partner mehrere Jahre unsere Bilanzen geprüft – er kennt also unseren Anspruch auf Kostenführerschaft noch aus den Gebührenverhandlungen.” Und auch der neue CEO habe sich “bewusst entschieden, zu einem Unternehmen mit unseren Genen zu wechseln”, erklärt Vogel.Wie es zu dieser Veranlagung kam, erläutert der gebürtige Nordbadener, der in Hannover längst heimisch geworden ist und vor kurzem noch einmal umzog in ein Haus am Stadtrand, im Rückblick. Manchmal seien es nicht weise Entscheidungen, die zu wichtigen langfristigen Effekten führten, sondern Rahmenbedingungen, mit denen man sich arrangieren müsse. So sei die Hannover Rück als 1966 gegründete Tochter eines Versicherungsvereins auf Gegenseitigkeit in den Wettbewerb “mit anderen eingetreten, die schon lange existierten und über riesige stille Reserven in Kapitalanlageportfolios verfügten, bei denen Beteiligungen sozusagen noch in Reichsmark in der Bilanz standen”. Die Hannover Rück hingegen, der die Kapitalmärkte nicht zur Verfügung standen, habe ihrem Eigentümer Rückversicherungskapazitäten besorgen, ihr Drittkundengeschäft aber auch selbst finanzieren müssen. Das, so Vogel, seien die Rahmenbedingungen gewesen, die dazu führten, dass das Unternehmen noch heute Kostenführerschaft für sich beanspruchen könne und hervorragende Eigenkapitalrenditen erwirtschafte.”Wenn man kein Eigenkapital hat und es sich selbst beschaffen muss, dann geht man sparsam damit um. Und man wird kreativ, um es sich zu beschaffen.” So sei die Hannover Rück die erste in der Branche gewesen, die Hybridkapital emittiert habe, erzählt der CFO. “Wir haben sehr ausgefeilt Rückversicherungen, eigene Retrozessionen eingekauft – nicht weil wir so furchtbar schlau gewesen wären, sondern weil eben Kapital nicht vorhanden war und wir gezwungen waren, Lücken auf andere Weise zu schließen, um im Wettbewerb mithalten zu können.”Die Hannover Rück habe sehr frühzeitig wissenschaftliche Methoden implementiert, um Eigenkapital verursachungsgerecht im Unternehmen zu verteilen. “Das ist etwas, was uns heute noch hilft, gute Eigenkapitalrenditen zu erwirtschaften.””Die Mentalität aus der Zeit des Eigenkapitalmangels ist in unseren Genen”, unterstreicht Vogel. Die Gefahr, im Umgang mit Eigenkapital Disziplin zu verlieren, habe aber immer bestanden – gerade mit zunehmendem Erfolg. Insofern bleibe es eine wichtige und schwierige Aufgabe für das Management, “den Spirit, der uns erfolgreich werden ließ, zu bewahren”.Für diesen Spirit sei auch der Börsengang 1994 von großer Bedeutung gewesen, hebt der Finanzvorstand hervor. Die Börsennotierung habe die noch bei seinem Einstieg 1989 kleine, kaum bekannte HDI-Tochtergesellschaft, die weder Öffentlichkeitsarbeit noch Investor Relations betrieb, “wirklich professionalisiert”. Unter CEO Wilhelm Zeller habe man “hart lernen” müssen, das eigene “Licht nicht mehr unter den Scheffel zu stellen”. “Endlich ein härterer Markt”Seit 2009 – dem Jahr, als Vogel das Finanzressort übernahm – konnten Anleger mit der Hannover-Rück-Aktie im Schnitt über 22 % pro Jahr verdienen. Dass das Papier im bisherigen Jahresverlauf rund ein Viertel an Wert verlor, liege auch an der im Branchenvergleich hohen Bewertung, so der CFO. Die Fallhöhe sei in einer Phase der Unsicherheit wie derzeit in der Coronakrise größer. Hinzu komme die Rücknahme der Finanzziele, die man in den vergangenen Jahren stets erreicht habe. Dass die Hannover Rück nach langer Zeit “endlich wieder vor einem härter werdenden Schadenrückversicherungsmarkt” stehe, biete Chancen, fügt Vogel hinzu. Dass es aber nun in einem solchen Umfeld einfacher werde, eine neue Strategie ins Laufen zu bringen, sei “nicht automatisch gegeben”. Dem Vorstand werde es jedoch gelingen, sich wie in der Vergangenheit an kommunizierten Zielen messen zu lassen. Daran, so der CFO, habe er “keine Zweifel”.