Gastbeitrag

Kafkaeske Steuerbürokratie zum Schaden der Altersvorsorge

Neue Vorgaben im Außensteuergesetz belasten steuerbefreite Pensionskassen, Versorgungswerke, Stiftungen oder kirchliche Investoren.

Kafkaeske Steuerbürokratie zum Schaden der Altersvorsorge

Gastbeitrag

Kafkaeske Steuerbürokratie schadet Altersvorsorge

Ganz Deutschland redet vom Fachkräftemangel und fordert Bürokratieabbau. Doch gleichzeitig rollt eine turmhohe steuerbürokratische Welle auf die Einrichtungen und Unternehmen der Altersversorgung und die Investmentbranche zu, deren administrativer Aufwand sowohl bei den Marktteilnehmern als auch bei der Finanzverwaltung selbst enorme personelle Ressourcen binden wird – ohne jeglichen Mehrwert für den Fiskus.

Vorgaben im Außensteuergesetz

Die Rede ist von den neuen Vorgaben zur Hinzurechnungsbesteuerung im Außensteuergesetz (§§ 7 ff. AstG), die durch eine Gesetzesänderung deutlich komplexer geworden sind. Grundsätzlich verfolgt der Gesetzgeber mit dem Außensteuergesetz das legitime Ziel, bestimmte im Ausland niedrigbesteuerte Einkünfte im Inland nachzubesteuern. Bereits vor der Reform mussten steuerbefreite Anleger überflüssigen Erklärungspflichten nachkommen. Dadurch, dass der Vorrang des Investmentsteuergesetzes künftig nur noch eingeschränkt besteht, wurde der Anwendungsbereich der Hinzurechnungsbesteuerung auch auf in Fonds geführte Beteiligungen erweitert.

Das bedeutet im Klartext, dass nun auch alternative Investmentfonds (AIFs) vom Außensteuergesetz betroffen sind. Sie müssen über mehrere Strukturebenen alle betroffenen Beteiligungen, die sogenannten Zwischengesellschaften bzw. Beteiligungen über Personengesellschaften in ihrem Fondsvermögen identifizieren und die komplexen und zeitaufwendigen Steuererklärungen für die Hinzurechnungsbesteuerung erstellen.

Ermittlungs- ohne Steuerpflicht

Besonders grotesk: Betroffen von der Ermittlungspflicht sind auch diejenigen Marktteilnehmer, die vom Gesetzgeber bewusst von der Steuer befreit wurden. Das gilt insbesondere für Altersversorgungseinrichtungen wie Versorgungswerke oder Pensionskassen, aber auch für gemeinnützige Stiftungen oder kirchliche Investoren. Sie betreiben in der Regel reine Vermögensverwaltung zur Altersvorsorge ihrer Versicherten und keinen eigenen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb. Darum sind sie aus gutem Grund steuerbefreit.

Eigens für diese Anlegergruppen hat die Fondsindustrie ein breites Spektrum an Anlageprodukten entwickelt. Nach Angaben des Bundesverbands Investment und Asset Management (BVI) sind bei mehr als einem Drittel aller deutschen Spezialfonds ausschließlich steuerbefreite Investoren beteiligt. Das sind allein in Deutschland mehr als 1.300 Fonds, hinzu kommt eine hohe Anzahl ausländischer Fonds. Ein sehr großer Teil dieser Vehikel legt in alternativen Investments im In- und Ausland an und gerät nun allein deshalb ins Visier des Außensteuergesetzes mit den für steuerbefreite Anleger völlig überflüssigen Folgen von Compliance-Aufwand und Steuererklärungspflichten.

Hoher Aufwand

Ist es daher nicht volkswirtschaftlich ein Irrsinn, wenn alle diese Investoren und ihre Fondsgesellschaften beziehungsweise die Kapitalverwaltungsgesellschaften (KVG) für dieses breite Investmentspektrum den organisatorischen und personellen Aufwand zur Erstellung der Feststellungserklärungen leisten müssen – und nicht zuletzt für die Finanzämter, die diese Erklärungen administrieren und überprüfen müssen? Sind es doch auch die Finanzbehörden, die seit Jahren – sicher nicht zu Unrecht – über zu hohe Arbeitsbelastung und zu geringe Ausstattung mit Fachpersonal klagen. So aber werden hochqualifizierte Steuerspezialisten auf beiden Seiten mit völlig nutzlosen Aufgaben beschäftigt.

Auf Kosten der Rendite

Bei den Investoren und ihren Anlageprodukten geht es vor allem um effizient gemanagte und rentable Instrumente zur Sicherung der Altersvorsorge ihrer Versicherten. Der BVI schätzt, dass allein externe Kosten für die Prüfung der Anwendbarkeit der Hinzurechnungsbesteuerung und die Erstellung von Feststellungserklärungen je nach Komplexität von 30.000 bis 40.000 Euro keine Seltenheit seien – pro einzelnes Investment. Das deckt sich in etwa auch mit unseren Erfahrungen, die Kosten können aber auch deutlich höher liegen.

Bedenkt man, dass AIFs aufgrund der Anforderungen an eine Risikodiversifikation meist eine Vielzahl von Investments tätigen und daher auch dreistellige Zahlen an möglichen Zwischengesellschaften in den jeweiligen Investitionsketten durchaus gängige Praxis sind, wird deutlich, welcher Aufwand auf der Investorenseite droht.

Dieser Mehraufwand geht letztlich zulasten der Fondsrenditen und damit zulasten der privaten und betrieblichen Altersvorsorge breiter Bevölkerungsschichten. Das ist in unseren Augen völlig unverhältnismäßig. Zumal dem Aufwand für dieses Bürokratiemonster überhaupt kein Nutzen respektive keine Besteuerung gegenübersteht.

„Dreimal null ist null, bleibt null“

Doch selbst wenn dieser Aufwand deutlich geringer wäre und alle Daten leicht zu erbringen wären, wäre diese Ermittlungspflicht immer noch nicht verhältnismäßig, und das aus einem ganz einfachen Grund: Egal, wie komplex die Formel ausfällt, am Ende wird alles bei steuerbefreiten Anlegern mit null multipliziert. Mit dieser einen Konstante steht das Ergebnis fest und man kann sich alle vorigen Berechnungen sparen. Kurzum: Es fließt dadurch kein einziger Cent an Steuermehraufkommen in die Staatskasse.

Stattdessen werden de facto Investments in AIFs komplizierter und teurer und damit unattraktiver – Fonds also, die oft in Sachwerte wie Immobilien, Infrastruktur oder erneuerbare Energien investieren und für ihre Anleger damit langfristig stabile Cashflows bei vergleichsweise geringer Volatilität generieren wollen. Das kann – ebenso wenig wie die Auswirkungen auf die Altersvorsorge – vom Gesetzgeber eigentlich nicht gewollt sein.

Dass ein steuerbefreiter Akteur seinen Status auch mal verlieren kann, ist meines Erachtens auch keine gute Begründung für die Ermittlungspflicht für alle. Solche seltenen Einzelfälle ließen sich beispielsweise über Meldeverfahren deutlich effizienter berücksichtigen als über einen pauschalen, so sicherlich gar nicht gemeinten Generalverdacht.

Weit über das Ziel hinaus

Der Gesetzgeber schießt mit seinen neuen Vorgaben im Außensteuergesetz weit über das Ziel hinaus. Marktakteuren zusätzliche Steuererklärungspflichten aufzuerlegen, die gar nicht steuerpflichtig sind, und gleichzeitig auf politischer Ebene von dem Ziel des Bürokratieabbaus im Steuerrecht zu sprechen, steht im Widerspruch. Das gibt es so in keinem anderen europäischen Land. Genauso kafkaesk wäre es, von einem Bürger die Abgabe einer Einkommensteuererklärung zu verlangen, der nachweislich und für beide Seiten offensichtlich gar nicht steuerpflichtig ist und das noch auf seine eigenen Kosten, da er die Steuererklärung wegen der Komplexität gar nicht selbst erstellen kann.

Wir können nur hoffen, dass dem Gesetzgeber die Auswirkungen auf die Anlegergruppe so nicht bewusst waren und er deshalb diese Gruppe schlichtweg übersehen hat. Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) hat noch die Möglichkeit, in dem jetzt erwarteten Steuererlass nachzuziehen und eine Befreiung von der Erklärungspflicht für steuerbefreite Investoren und ihre Fondsvehikel in die Besteuerungspraxis einfließen zu lassen.

Stefan Rockel ist Geschäftsführer der UI BVK Kapitalverwaltungsgesellschaft, Universal Investment

Stefan Rockel

Geschäftsführer
UI BVK Kapital­verwaltungsgesellschaft, Universal Investment