KAGB gibt Marktteilnehmern keinen verlässlichen Rechtsrahmen an die Hand

Gegen die eigentliche Idee der Regulierung ist nichts einzuwenden - Jedoch ist weniger oft mehr

KAGB gibt Marktteilnehmern keinen verlässlichen Rechtsrahmen an die Hand

Etwas mehr als ein Jahr ist das Kapitalanlagegesetzbuch (KAGB) in Kraft, das den deutschen Rechtsrahmen für ein möglichst einheitliches europäisches Aufsichtsrecht für die Investmentbranche schaffen sollte. Besonders betroffen waren und sind die sogenannten geschlossenen Fonds, die seitdem als Alternative Investmentfonds (AIF) gelten und nach dem Willen des Gesetzgebers – jedenfalls im Bereich der Publikumsfonds – im Wesentlichen nur noch in einen beschränkten Kreis von Sachwerten investieren dürfen (vgl. § 261 KAGB).Überdies werden, anders als bisher, insbesondere die Manager dieser Fonds, die Kapitalverwaltungsgesellschaften (KVG), streng reguliert: Nur, wer die gesetzlichen Voraussetzungen für Kapital, Kompetenz und Aufbau- und Ablauforganisation erfüllt, erhält die notwendige Erlaubnis, als KVG zu agieren. Dabei kann die Erlaubnis entsprechend der vorhandenen Kompetenzen auf bestimmte Geschäfts- bzw. Investitionsbereiche beschränkt werden.Neben der wirtschaftlichen Krise, die sich nachhaltig auf die Branche ausgewirkt hat, führte auch das an Komplexität kaum zu überbietende Kapitalanlagegesetzbuch zu einer gewissen Schockstarre der Branche. Dabei stand nicht so sehr der Regulierungsgedanke an sich im Fokus. Ganz im Gegenteil: Die Marktteilnehmer standen einer Regulierung schon immer offen gegenüber. So wurde zum Beispiel die Einführung der gesetzlichen Prospektpflicht für geschlossene Fonds im Jahr 2005 sowie die Qualitätssicherung im Vertrieb durch die Einführung des § 34 f GewO im Jahr 2011 (mit Inkrafttreten zum 1. Januar 2013) ganz überwiegend positiv aufgenommen und begrüßt.Auch die Einführung des KAGB wurde mehrheitlich als Chance aufgefasst, wenngleich die Vollregulierung gerade für kleinere Anbieter bzw. Manager praktisch zu einem Geschäftsverbot führt, da diese nicht in der Lage sind, die notwendigen Anforderungen in einem wirtschaftlich vertretbaren Rahmen zu erfüllen. Es ist davon auszugehen, dass dem Gesetzgeber diese Zusammenhänge von Anfang an klar waren und er ganz bewusst in Kauf genommen hat, dass kleinere Anbieter bzw. Manager vom Markt verdrängt werden. Man kann nur vermuten, dass er sich von dem Gedanken hat leiten lassen, dass Größe für Stabilität (und Seriosität(?)) steht und dass es schlicht einfacher ist, wenige große Player zu beaufsichtigen, als viele kleine.Da es allerdings gerade die ganz großen Finanzmarktakteure waren, die der Welt die Krise beschert haben und durch die verschärfte Aufsicht sogenannte systemische Risiken verhindert werden sollen, wäre es viel konsequenter gewesen, gerade die kleinen und mittleren Anbieter und Manager zu stärken. Es macht wenig Sinn, mittels eines Rechtsrahmens erst große Anbieter und Manager zu schaffen, bei denen oder über die Risiken geschaffen werden, die man dann über eine strenge Regulierung zu beherrschen versucht. Auch dem europäischen wie dem deutschen Gesetzgeber dürfte die goldene Grundregel bekannt sein, dass gerade die Vielfalt zu einem gesunden Markt führt, nicht aber Oligopole.Aber auch den verbleibenden Marktteilnehmern wird mit dem KAGB (und den hierzu bzw. zur AIFM-Richtlinie erlassenen Verordnungen) kein verlässlicher Rechtsrahmen für ihr Handeln an die Hand gegeben. Es hat noch nicht einmal ein Jahr gedauert, dass das KAGB mit dem am 16. Juli 2014 in Kraft getretenen Gesetz zur Anpassung von Gesetzen auf dem Gebiet des Finanzmarktes in 71 Punkten repariert werden musste. Wenn man bedenkt, dass Verstöße gegen das KAGB als Ordnungswidrigkeit geahndet werden können bzw. sogar strafbar sind, ist es schon sehr bemerkenswert, dass der Gesetzgeber den Rechtsanwendern ein derartig fehlerhaftes Werk an die Hand gibt, aus dem sich letztlich nicht ohne weiteres ergibt, was rechtens ist und was nicht.Vielmehr musste das mit heißer Nadel und mit wenig handwerklichem Geschick gestrickte Gesetz repariert und ganz nebenbei vor allem durch die zuständige Aufsichtsbehörde, die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), mit Leben gefüllt werden. Denn trotz des erheblichen Umfangs des Gesetzes sind ja bis heute noch nicht einmal die Grundfragen geklärt: Was genau bedeutet “Kapital einsammeln” bzw. warum sind Family Offices und Investmentclubs diesbezüglich privilegiert? Wann sind Betreibermodelle “operativ tätig” und wann nicht und wie verträgt sich das mit der Auffassung, dass die wohl überwiegende Anzahl von Schiffsfonds keine Investmentvermögen sind?Die Mitarbeiter der BaFin sind nicht zu beneiden, dass ihnen der Gesetzgeber auferlegt hat, eine Verwaltungspraxis zu schaffen, die das KAGB in der Praxis erst anwendbar macht. Dabei rückt allerdings auch ein weiteres Problem in den Vordergrund (das insoweit nicht nur auf die Finanzbranche beschränkt ist), das beispielsweise durch die von der BaFin vorgegebenen Musterbausteine für Kostenklauseln geschlossener Publikumsinvestmentvermögen besonders deutlich wird.Nach ihren eigenen Worten genügen die von der BaFin selbst entwickelten Musterbausteine den aufsichtsrechtlichen Mindestanforderungen nach dem KAGB. Die BaFin verlangt nicht, die Musterbausteine wortwörtlich und vollständig in die Anlagebedingungen zu übernehmen, akzeptiert abweichende Regelungen und Formulierungen aber nur, soweit diese hinsichtlich Transparenz und Angemessenheit nicht hinter den durch die Musterbausteine gesetzten Maßstäben zurückbleiben. Praktisch bedeutet dies, dass sich künftig nahezu jede KVG an diese Musterbausteine halten wird, um nicht Gefahr zu laufen, Anlagebedingungen von der BaFin nicht genehmigt zu bekommen. Über die Kostenklauseln wird letztlich ein ganz wesentlicher Teil der wirtschaftlichen Beziehung des Anlegers zum Fonds und zur KVG, aber auch zu anderen Dienstleistern abgebildet und regelt zivilrechtlich einen Kernbereich des Dienstleistungsverhältnisses zwischen Anbieter und KVG.Unser Recht ist – zum Glück – vom Grundsatz der Privatautonomie geprägt, so dass es grundsätzlich zwei Parteien freisteht, wie sie ihre geschäftlichen Beziehungen gestalten wollen. Selbstverständlich ist der Staat berechtigt und sogar verpflichtet, regulierend einzugreifen, wenn zu befürchten ist, dass – aus welchen Gründen auch immer – eine interessenausgleichende Gestaltung der Geschäftsbeziehung nicht (mehr) möglich ist. Gleichwohl stellt ein derartig regulierender Eingriff auch immer einen Eingriff in (ökonomische) Freiheitsrechte dar, die – wenn überhaupt – nur dann akzeptabel sind, wenn sie demokratisch legitimiert sind. Gerade bei den von der BaFin vorgegebenen Musterbausteinen für Kostenklauseln und der damit verbundenen Konsequenz der faktischen Anwendungsbestimmung für ein ganzes Marktsegment muss die Frage erlaubt sein, ob es noch legitim ist, wenn letztlich von einer überschaubaren Zahl von Mitarbeitern einer Behörde (selbst wenn sie sich mit anderen Marktteilnehmern abstimmen) wie durch ein parlamentarisches Gesetz sogar im Detail faktisch vorgegeben wird, wer in einer Geschäftsbeziehung von wem in welcher Höhe aufgrund welcher Leistungen Geld verlangen kann und wer nicht.Zwar sollen die Musterbausteine, wie die BaFin selbst sagt, gerade keine “abschließende zivilrechtliche Würdigung und verbindliche Gestaltung der Rechtsbeziehungen zwischen den Beteiligten des Investmentvertrages mit der Folge, dass der privatautonome Gestaltungsspielraum der AIF-KVG beseitigt wäre,…” bezwecken. Aufgrund der faktischen Wirkung dürfte hier jedoch ein verfassungsrechtlich bedenkliches Demokratiedefizit vorliegen.Wie anfänglich bereits gesagt: Gegen die eigentliche Idee der Regulierung ist nichts einzuwenden. Es wäre jedoch wünschenswert, wenn Gesetzgeber und Behörde sich von dem Gedanken leiten ließen: Weniger ist oft mehr.——Dr. Rolf Kobabe, Partner Banking, Finance & Capital Markets, Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH